Verkehrs- und Siedlungsrichtplan JA

Ein «Ja» bringt Sicherheit für alle von 8 bis 80

Frau Petri, Herr Knauss, der VCS Zürich stellt sich ganz klar hinter die beiden Richtpläne Siedlung und Verkehr. Wieso sollte die Stadtbevölkerung diese am 28. November an der Urne annehmen?

Die Stimmberechtigten in der Stadt Zürich haben in den letzten Jahren in vielen Volksabstimmungen deutlich gemacht, was sie sich wünschen. Jeweils über 70 Prozent der Stimmenden haben dafür votiert, den Veloverkehr energisch zu fördern. Sogar über 80 Prozent der Stimmenden brachten mit der Unterstützung der Grünstadt-Initiative ihre Forderung nach mehr Grün in der Stadt zum Ausdruck. Dieser klare Richtungsbezug war für den Gemeinderat deshalb die Vorgabe für die Erarbeitung der Richtpläne.
Im Richtplan Verkehr war die Förderung des Velofahrens denn auch das zentrale Anliegen. Das macht Sinn, denn Velofahren ist gesund, klimafreundlich, macht Spass und ist erst noch das wirksamste Mittel gegen Stau und überfüllte Trams und Busse. Mit dem Richtplan wird die erfolgreiche Velorouten-Initiative vom September 2020 nun konkret umgesetzt. Ein neues, attraktives und alltagstaugliches Velowegnetz wird verbindlich vorgeschrieben und soll innert zehn Jahren realisiert werden. Durch den Verkehrsplan werden zahlreiche Velorouten in der ganzen Stadt geschaffen. Die neuen sogenannten Velovorzugsrouten sollen dabei für alle Altersstufen von 8 bis 80 Jahren sicher befahrbar werden – das bringt Zürich einen grossen Schritt weiter.
Mit dem Richtplan Siedlung wird der Wunsch nach mehr Grün erfüllt. Mehr als 130 neue Grün- und Freiflächen für neue Bäume, Wiesen und Parks in den Quartieren, verteilt über die ganze Stadt, sollen den Aufenthalt für alle angenehmer machen. Besonders in den dicht bebauten Stadtquartieren sind mehr Grünflächen dringend nötig – für die Natur und die Menschen. Mehr Bäume und mehr Grünflächen beleben die Stadt. Sie tragen dazu bei, der zunehmenden Überhitzung und den Tropennächten in der Stadt entgegenzuwirken und für ein besseres Klima zu sorgen – Zürich macht vorwärts.

Die Gegner*innen behaupten, dass Private in Zukunft ihre Terrassen und Gärten für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellen müssten. Was ist dran an dieser Angst?

Eine solche Behauptung ist unsinnig. Der Richtplan hat von seiner Definition her keine Rechtswirkung auf Private. Natürlich soll die Stadt mit Privaten Kooperationen anstreben, damit die privaten Aussenräume auch mehr Personen zur Verfügung stehen. Wenn die Privaten aber nicht wollen, dann bleiben die privaten Aussenräume auch privat. Ein Beispiel, wie eine solche freiwillige Zusammenarbeit funktioniert, ist die Siedlung Kalkbreite. Tagsüber wird der grosse Garten über den Tramgleisen und zwischen den Wohnbauten öffentlich genutzt. Ab 22 Uhr, wenn das Ruhebedürfnis der Anwohner*innen überwiegt, ist dieser Garten für die Öffentlichkeit geschlossen.

Dass Parkplatzabbau stattfindet, ist unbestritten und sogar Bestandteil des Klimaziels Netto-Null 2040 der Stadt Zürich. Welche Antworten haben Sie für Gewerbetreibende, die in der Stadt arbeiten?

In den Quartieren sollen Privatautos vermehrt private Parkplätze nutzen, wenn solche vorhanden sind. Heute stehen Tiefgaragenplätze leider allzu oft leer. Jeder ungenutzte Parkplatz bedeutet aber, dass die Wohnungsmieter*innen einen leeren Parkplatz dennoch bezahlen. Die Kosten werden einfach der Wohnungsmiete angerechnet; ganz egal, ob man nun ein Auto besitzt oder nicht. Weniger Parkplätze geben Raum für attraktivere Aussenräume, sei es für dringend nötige Velowege oder mehr Bäume. Und wenn die Autos vermehrt in privaten Garagen parkiert werden, finden Gewerbetreibende nah an ihren Zielen einfacher Parkplätze – ein Gewinn für alle.
In der Innenstadt können mit dem Richtplan einzelne Plätze unkomplizierter umgestaltet werden, um die Stadt für alle Besucher*innen und Kund*innen attraktiver zu machen. Wer träumt denn nicht von einem autofreien Prediger- oder Zähringerplatz!? Das war bisher nicht möglich. Das beste Beispiel für eine solche Umnutzung ist der Münsterhof. Bis dieser attraktive Platz aber umgestaltet werden konnte, dauerte es Jahrzehnte. Und heute haben alle Freude daran. Man darf auch nicht vergessen, dass die Innenstadtgeschäfte die grössten Gewinner des öV-Ausbaus der letzten Jahrzehnte waren. Im Vergleich zu 1990 kommen drei Mal mehr Besucher*innen mit dem öffentlichen Verkehr in die Innenstadt und machen heute schon den weit überwiegenden Anteil des VBZ-Umsatzes aus. Und wenn in Zukunft noch mehr Leute mit dem Velo in die – gegenüber heute noch einmal attraktivere – Innenstadt kommen, profitieren die Ladenbesitzer noch mehr.

 Welche Bedeutung haben die Richtpläne sonst noch für die Stadt Zürich?

Wer in Zürich lebt, wohnt oder arbeitet, soll sich hier wohl fühlen – von Oerlikon bis Wollishofen, vom See bis nach Altstetten. Die beiden Richtpläne tragen diesem Bedürfnis Rechnung. Die Quartiere, wo Menschen sich treffen und Erholung finden, wo eingekauft wird und wo die Schulen stehen, werden attraktiver, offener und sicherer. Freie Plätze, Restaurants und Cafés machen die Stadt belebter, schöner und fröhlicher. Ein durchgehendes Netz von Fusswegen mit erhöhter Aufenthaltsqualität fördert die natürlichste und stadtgerechteste Fortbewegungsart – das Zufussgehen. Urbanes Leben ist beliebt und bekommt Wohnraum, Natur und Freiräume – das tut Zürich gut.

 Wie wird sich die Stadt Zürich Ihrer Meinung nach in den kommenden zehn Jahren verändern, wenn die Richtpläne abgelehnt werden?

Mit einer Ablehnung der Richtpläne können die Bedürfnisse der Bevölkerung nach mehr Grün und einem durchgehenden Velowegnetz – beides ist in der städtischen Verfassung als Auftrag verankert – nicht umfassend erfüllt werden. Das bedeutet, vieles wird in Einzelprojekten realisiert werden müssen. Das ist zwar möglich, bleibt aber allzu oft nur Stückwerk. Ein durchgehendes, sicheres und attraktives Velowegnetz lässt dann noch sehr lange auf sich warten. Und Zürich hat dann auch keine Antwort auf die zunehmende Überhitzung.

Markus Knauss und Gabi Petri
VCS Verkehrs-Club der Schweiz | Sektion Zürich

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