Gewerbe
ESPAS: ein Arbeitgeber der besonderen Art
Im Gewerbezentrum beim Rütihof ist mit ESPAS einer der grösseren Höngger Arbeitgeber zu Hause. Ungefähr 300 Personen arbeiten in verschiedenen Bereichen.
26. August 2010 — Redaktion Höngger
Dass aber alles etwas anders läuft, merkt man, sobald man ins Gebäude eintritt: Hier arbeiten rund 180 beeinträchtigte Menschen, ungefähr 50 nehmen an den Programmen zur Wiedereingliederung teil. «Bitte sprechen Sie mich an, ich bin stark sehbehindert» steht auf dem Schild. Dies ist das Erste und Letzte, was der Besucher von der Behinderung der jungen Frau am Empfang mitbekommt. Kompetent und freundlich begrüsst sie den angemeldeten Gast mit Namen; sie weiss, ohne zu sehen, genau wer vor ihr steht und bittet ihn Platz zu nehmen. In der Nähe des Empfangs arbeitet ein Mann mit höchster Konzentration. Mit akribischer Genauigkeit bindet er Zeitungen, die er aus den verschiedenen Büros holt, zu einem sauberen Bündel zusammen. Die Ruhe und Zufriedenheit, die er dabei ausstrahlt, überträgt sich auf den Besucher. Dieser Mann hat eine Aufgabe gefunden, die seinem Leben einen Sinn und seinem Alltag eine Struktur verleiht. Für ihn und viele andere setzt sich ESPAS ein und das seit über 25 Jahren.
Arbeit ist mehr als ihr Produkt
Viele Arbeitnehmer freuen sich nach strengen Wochen auf die Ferien, träumen gar davon, nie mehr arbeiten zu müssen. Dabei vergessen sie, dass die Arbeit mehr ist als ihr Produkt. Sie vermittelt soziale Kontakte, verleiht eine Tagesstruktur, stärkt das Selbstwertgefühl und ist ein Baustein der persönlichen Identität. Menschen, die diese Erfahrung nicht mehr machen dürfen, fallen oft nach kurzer Zeit in ein Loch. Mehrheitlich sind es IV-Bezüger, denen ESPAS individuelle Möglichkeiten für einen festen Arbeitsplatz bietet. Mit Abklärungen, Job-Coaching, Belastbarkeits- und Arbeitstrainings wird für jeden Einzelnen die für ihn passende Lösung gesucht. Etwa ein Drittel der Teilnehmenden an den Programmen zur Wiedereingliederung findet durch die Unterstützung von ESPAS einen Platz im Arbeitsmarkt. 180 Personen arbeiten integriert in den vielfältigen Angebotsbereichen der Stiftung an Aufträgen aus der Wirtschaft und von Privaten. Für Jugendliche bietet sich gar die Möglichkeit einer Berufslehre.
Spagat zwischen Mensch und Markt
«Dem sozialen Anspruch einerseits und der Forderung nach Wirtschaftlichkeit anderseits gerecht zu werden, gleicht einem Spagat», bestätigt Geschäftsleitungsmitglied Jürg Meyer und fährt fort: «Wir verpflichten uns zu qualitativ hochwertigen Dienstleistungen mit topmotivierten Mitarbeitern – egal, ob es sich um administrative oder industrielle Tätigkeiten handelt.» Das Angebot für Geschäftsund Privatkunden ist in der Tat sehr vielfältig. Der Wäscheservice kümmert sich um Kleider, Daunendecken, Töffbekleidungen oder Vorhänge, ob diese nun gereinigt, gebügelt, genäht oder geflickt werden müssen. Im Lager/Versand werden Mailings gefaltet, kuvertiert, personalisiert und zum Postversand vorbereitet sowie Pakete konfektioniert. Unternehmen, Vereine und Gewerbetreibende schätzen im administrativen Bereich die Entlastung durch ESPAS, sei es bei der Buchhaltung, beim Telefonservice, bei den Sekretariatsarbeiten oder bei der Adressbewirtschaftung.
Nah am Mensch – nah am Markt
Im Wertemodell der Stiftung hat Innovation einen hohen Stellenwert. Pioniergeist ist dann gefragt, wenn neue Dienstleistungen, Nischen und Angebote entwickelt werden. Hierzu gehören sicherlich das elektronische Datenmanagement sowie die Digitalisierung, bei der alte Datenträger auf neue Medien übertragen werden. Aber auch die Abwicklung von Promotionen und komplexe, auf besondere Kundenbedürfnisse angepasste Dienstleistungen gehören zum Angebot. Dafür dass die Aufträge in gewünschter Qualität und termingerecht ausgeführt werden, setzen sich die Gruppenleiter ein. Meist teilen sich bis zu drei Mitarbeiter eine Arbeit, die normalerweise von einer Arbeitskraft bewältigt wird. Dennoch kommt es vor, dass Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig fehlen. Aber auch diese Herausforderung bewältigen die Verantwortlichen und leben das Motto: «Nah am Mensch – nah am Markt.»
Fest in Höngg verankert
Die meisten der knapp 400 Mitarbeitenden arbeiten in Höngg, weitere Standorte sind an der Hardturmstrasse, in Richterswil und in Winterthur. 1990, also vor zwanzig Jahren, verlegte die Organisation ihren Hauptsitz nach Höngg und zog ins Gewerbezentrum Rütihof ein. Und genau so lange ist dieses Jahr auch Marcel Fluri, Geschäftsführer von ESPAS, mit dabei, eine lange Zeit. Auf die Frage, was ihn nach zwanzig Jahren noch täglich anspornt und motiviert, sich für benachteiligte Menschen einzusetzen, meint er: «Es wird auch weiterhin Menschen geben, die mehr Zeit benötigen und auf ein adäquates Arbeitsumfeld in einer sozialen Institution angewiesen sind. Wir bieten diesen Menschen die Möglichkeit einer beruflichen und sozialen Integration und Entwicklung in einem geschützten Rahmen.» Und überzeugt fügt er an: «ESPAS schafft im wahrsten Sinn des Wortes Raum für neue Perspektiven.»
ESPAS Stiftung für wirtschaftliche und soziale Integration Erwerbsbeeinträchtigter, Naglerwiesenstrasse 4, Postfach, 8049 Zürich, Tel. 044 344 31 31. www.espas.ch
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