Höngger Fauna
Es git keis brävers Tierli…
Auch wenn ihre Paarungs- und Fressgepflogenheiten nicht ganz so brav sind, faszinierende Weichtiere sind sie trotzdem. Sobald es etwas feucht, aber nicht allzu kalt ist, erscheinen in den Höngger Gärten die Weinbergschnecken.
26. April 2019 — Marianne Haffner
Das Kinderlied geht weiter: «… als e sonen Schnägg, Schnägg, Schnägg, treit sis eigne Hüüsli uf em Buggel weg». Und tatsächlich ist es praktisch, wenn man sein Haus stets bei sich hat. Droht Gefahr, braucht eine Weinbergschnecke nicht nach einem Versteck zu suchen, sondern sie zieht sich einfach ins Gehäuse zurück. Dies tut sie auch für längere Ruheperioden bei Trockenheit oder im Winter. Dann verschliesst sie ihr Haus sogar mit einem eigens dazu hergestellten Kalkdeckel. Kriecht sie «auf grossem Fuss» wieder los, so bleiben die meisten Organe wie Herz, Leber, Lunge und auch der Hauptteil des Verdauungstraktes im Schneckenhaus. Dieses ist schraubenförmig gewunden, was sich im wissenschaftlichen Gattungsnamen Helix widerspiegelt. Schaut man auf das Schneckenhaus und schweift den Blick von der engsten Windung spiralförmig zur weitesten, stellt man fest, dass das Haus rechtsgewunden ist. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Der «Schneckenkönig» hat ein linksgewundenes Haus, ist aber ebenso selten wie ein Lottosechser. Ob rechts- oder linksgewunden, der Liedanfang «es git keis brävers Tierli» passt gar nicht zum Paarungsspiel. Erst beginnt es zwar zärtlich, mit gegenseitigem Betasten der Fühler am Kopf. Danach richten sich die beiden aneinander auf, Fuss an Fuss. Doch dann wird’s ruppig: Zur Stimmungshebung schiessen sie sich gegenseitig kleine Kalkpfeile in die Sohlen. Wer dabei Männchen und wer Weibchen ist, ist unklar, denn beide können sowohl Eier wie auch Spermien herstellen. Spritzt nun die eine Schnecke ein Samenpaket in die Geschlechtsöffnung der anderen, so beginnt diese, Eizellen zu produzieren. Nach ein paar Tagen legt sie etwa 50 Eier in ein selbstgegrabenes Erdloch. Rund vier Wochen später schlüpfen die Jungen. Sie sind erst nach etwa 3 Jahren geschlechtsreif, können aber in den bis zu 17 folgenden Lebensjahren gar manchen Liebespfeil abschiessen und sich vermehren. Leider ist die weit verbreitete Meinung falsch, Weinbergschnecken würden die Gelege anderer Schneckenarten fressen. Sie ernähren sich von welken Pflanzenteilen und raspeln mit der von Tausenden kleinster Zähnchen besetzten Zunge Algenbewüchse ab. So sind sie halt doch «bravi Tierli» und dürfen im Garten durchaus geschätzt werden.
0 Kommentare