Dagmar schreibt
Ente gut, alles gut?
Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute über die Eskapaden eines Wasservogels.
13. September 2025 — Dagmar Schräder
Vor einigen Tagen, ich war gerade gemütlich am Kaffeetrinken mit einer Freundin, klingelte mein Telefon. Eine freundliche Stimme stellte sich mir als Mitarbeiterin des lokalen Schwimmbads vor. «Wir haben hier einen etwas speziellen Badegast», sagte sie.
Es war einer der wohl letzten noch so richtig warmen Tage in diesem Sommer und das «Hölzli» war sicher voll mit Badegästen – was sollte daran speziell sein? Und wieso rief man mich an, um mir das mitzuteilen? Trotzdem neugierig fragte ich nach: «Ach ja, was für einer denn?» – «Hier watschelt schon den ganzen Tag eine weisse Ente durch die Badi, kennst du die vielleicht?» Gut, das machte mehr Sinn.
Ungewöhnliche Badegäste in Form von Wasservögeln kann man gerne mit mir in Verbindung bringen. Denn meine kleine Hühnerfarm, zu der ja auch ein paar Enten gehören, liegt direkt oberhalb der Badi. Und meine Enten sehen zwar gar nicht so aus, als ob sie flugfähig wären, aber tatsächlich sind sie ganz geschickt darin, sich in die Lüfte zu erheben. Ich liess mir also ein Foto von der illegalen Besucherin der Badeanstalt schicken und konnte sie eindeutig als meine Ente Linda identifizieren. «Keine Sorge, die fliegt wieder zurück zu meinem Hof», versprach ich.
Ich widmete mich wieder meiner Freundin und dachte mir nichts weiter dabei. Linda hatte sich schon mehrmals die Freiheit rausgenommen, auf fremden Wiesen zu grasen, warum sollte sie nicht einmal einen neuen Teich ausprobieren? Doch es wurde Abend und Linda dachte nicht daran, nach Hause zu fliegen. Das war jetzt doch ein bisschen blöd. Denn nachts alleine in der Badi, das würde sie zur leichten Beute für den Fuchs machen.
Sie wollte wohl persönlich abgeholt werden. Ich packte Haferflocken als Lockmittel ein, überredete meine Tochter, mich zu begleiten und brauste los. Es dunkelte bereits, die letzten Gäste schickten sich gerade an, nach Hause zu gehen. Nicht so Linda. Sie hatte es sich zuoberst auf dem Gerüst der Kinderschaukel bequem gemacht.
«Linda komm, wir gehen nach Hause.» Keine Reaktion. Ich packte die Haferflocken aus und verstreute sie grosszügig rund um die Schaukel. Linda linste zwar interessiert, doch das Angebot war offensichtlich nicht attraktiv genug. Wir probierten es noch eine ganze Weile, doch es half nichts.
Also fasste sich meine Tochter ein Herz, kletterte auf die Schaukel und packte Lindas Fuss mit einem beherzten Griff. Diese quakte entrüstet, hatte aber keine Chance zu entkommen. Jetzt nur schnell nach Hause mit dem Vieh.
Mit der Ente unter dem Arm betrat ich den Hühnerhof – und konnte meinen Augen kaum glauben. Mir bot sich ein Bild des Grauens. Federn überall, ein totes Huhn auf der Wiese und die nicht mehr identifizierbaren Überreste eines weiteren direkt am Waldrand. Der Fuchs war hier gewesen! Trotz Elektrozaun und überaus wachsamer Gänse hatte er sich in mein Gehege getraut und brutal zugeschlagen. Der Anblick war schwer zu ertragen. Auch wenn es zur Natur gehört.
Nun wurde mir auch klar, was Linda zu ihren Eskapaden bewogen hatte. Es war keine Badelust gewesen, sondern purer Überlebenswille. Dass sie nicht mehr nach Hause wollte, war auch nicht frech, sondern eher ein Zeichen von Intelligenz. In meine Wut und Trauer mischte sich ein kleines bisschen Erleichterung. Ente gut, alles gut also – zumindest für sie.
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