Endlich wieder essen gehen

Ende April entschied der Bundesrat etwas überraschend, dass die Restaurants bereits ab dem 11. Mai wieder Gäste empfangen dürfen. Die meisten Wirte sind froh, ihre Betriebe wieder öffnen zu dürfen, ob die Bevölkerung schon bereit dafür ist, wird sich zeigen.

Das CaBaRe konnte während des Lockdowns Take-away anbieten und hat viel Solidarität von den Rütihöfler*innen erfahren.
Biagio Martella freut sich, endlich wieder Gastgeber sein zu können.
Im Restaurant Grünwald ist man jetzt noch mehr auf gutes Wetter angewiesen.
Über Mittag bleiben die üblichen Gäste aus den umliegenden Geschäften nicht nur im Il Pantheon aus.
Mit dezenten Plexiglasscheiben und grosszügiger Aufteilung wäre der Hönggerhof bereit für viele Gäste.
Kann Dank einer schlichten Konstruktion seine zehn Plätze behalten: Naser Sohraby vom «Höngger Oriental» bleibt zuversichtlich.
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Die Verbände Gastrosuisse, HotellerieSuisse und die Swiss Catering Association haben in Zusammenarbeit mit verschiedenen Bundesämtern ein Schutzkonzept für das Gastgewerbe unter Covid-19 ausgearbeitet. Im siebenseitigen Dokument sind alle Auflagen und Massnahmen detailliert aufgelistet. Unter anderem ist vorgegeben, dass alle Gäste sitzen müssen und zwischen den Gästegruppen zwei Meter Abstand eingehalten werden muss. An einem Tisch sind maximal vier Personen, bei Familien mit Kindern mehr erlaubt. Das Tragen von Masken wird zwar empfohlen, ist aber nicht Pflicht. Ebenso ist die Angabe der Personendaten für die Gäste freiwillig. «Wir sind voller Vorfreude auf unsere Wiedereröffnung», schreibt Andreas Wichert, Geschäftsführer des Restaurants «Die Waid» auf Anfrage. Aus ökonomischer Sicht sei die enorm reduzierte Raumauslastung von etwa 50 Prozent natürlich ein erheblicher Faktor. «Ein sonniger Mai und Juni würde uns mit der grossen Panorama-Terrasse in diesem Punkt sicherlich ein wenig in die Karten spielen», so Wichert. Ihnen sei es aber vor allem wichtig, den Betrieb wieder hochfahren und ihren Mitarbeiter*innen wieder einen Arbeitsplatz bieten zu können.

Gäste werden sich an neue Umstände gewöhnen

Das gesetzlich verlangte Schutzkonzept verändert den Alltag der Gastronomiebetriebe und führt zu spürbaren Einschränkungen für Gäste und Gastgeber. Aber auch diese «neue Normalität» werde sie nicht von künftigen Restaurantbesuchen abhalten. Zu stark sei die Erinnerung an vergnügliche Restaurantbesuche in der vor-coronalen Zeit. Darauf hofft mindestens Bruno Dohner, Initiant und Berater der Osteria da Biagio. Nach einem ersten eher ruhigen Mittagsservice am 11. Mai besuchte Dohner «seinen» Wirt, Biagio Martella, im Restaurant, um zu hören, wie die Wiedereröffnung gelungen ist. Um möglichst wenig Gäste abweisen zu müssen, prüft Martella für den Abend die Einführung von zwei «Seatings». Die Gäste können für 18 oder um 20 Uhr reservieren und jeweils zwei Stunden bleiben. Die weissen Tischdecken wurden durch Papiersets ersetzt, von 120 Sitzplätzen im Restaurant und Säli werden nur 55 bedient, bei schönem Wetter kommen auf der Terrasse zwanzig von ursprünglich 40 Plätzen dazu. Mit Trennwänden könnte diese Zahl erhöht werden, aber so ganz überzeugt ist der Wirt von dieser Lösung noch nicht. Weniger Gäste bedeutet auch weniger Personal. «Unsere Mitarbeiter*innen kompensieren dies teilweise mit Ferienbezug», sagt Martella, der das Restaurant gemeinsam mit seiner Frau führt. Die Herzblut-Gastgeber*innen konnten es kaum erwarten, die Osteria endlich wieder zu öffnen. Der Take-away-Dienst, den das da Biagio während des Lockdowns eingeführt hatte, hat immerhin 25 Prozent des üblichen Umsatzes eingespielt, «ein Segen, denn damit konnten wir alle Sozialleistungen bezahlen», sagt Martella. Der Hausbesitzer René Frigerio hat während der Betriebsschliessung auf den Mietzins verzichtet und damit die Wirtsleute finanziell stark entlastet. Es sei eine Art Neueröffnung mit einem komplett unterschiedlichen System, meint der Gastronom, der in der Vergangenheit schon andere Herausforderungen gemeistert hat. Er bleibt zuversichtlich, dass alles wieder gut kommt, in ein paar Monaten.

Mehr Aufwand, weniger Ertrag

Der Waldkiosk des Restaurants Grünwald hat eine erste verregnete Woche erlebt, am 15. Mai eröffnete auch die Terrasse pünktlich zur Rückkehr der Sonne mit angepassten Öffnungszeiten. Schon am Montagnachmittag war die Terrasse gut besetzt, obwohl auch hier die Tische ausgedünnt wurden. Auf dem Boden zeigen gelbe Markierungen an, wie viel Platz um einen Tisch frei gelassen werden muss und mit wie viel Abstand am Kiosk angestanden wird. Bei wunderbaren Frühlingstemperaturen hatten sich viele Wanderer eingefunden und genossen den Besuch im Grünwald sichtlich. Doch das Verständnis der Gäste, speziell bei der Regelung, dass maximal vier Personen pro Tisch erlaubt sind oder bei der Beachtung der Wegführung, bleibt oft aus. «Die Mitarbeiter konnten für die Umsetzung des Branchenkonzepts nicht reduziert werden», sagt Geschäftsführer Nicolas F. Blangey. «Im Gegenteil, wir benötigen mehr Angestellte als normal». Gleichzeitig seien Sitzplätze und Umsatz reduziert, rentabel sei das nicht, aber eine Dienstleistung am Gast. «Wir hoffen auf eine schnelle Besserung der Lage für alle, die Situation wird täglich dramatischer in der Branche. Das Resultat wird voraussichtlich ab dem dritten Quartal 2020 ersichtlich sein», meint Blangey. Mit den aktuellen Vorgaben könnten nur wenige Restaurants sinnvoll arbeiten. Er akzeptiere die Entscheidung der früheren Eröffnung der Restaurants, die von Experten getroffen worden sei. «Allerdings stellte uns dies vor organisatorische Probleme, wir, wie alle anderen, planten mit dem 8. Juni. Die Kehrtwende kam sehr überraschend». Nun hofft das Grünwald auf gutes Wetter, denn der Innenraum des Restaurants bleibt vorläufig geschlossen.

Der Austausch bleibt auf der Strecke

Im Il Pantheon im Frankental bleibt der grosse Ansturm über Mittag aus, viele Geschäftsleute arbeiten noch im Homeoffice. Abends sind die verbleibenden 44 Plätze jedoch schon gut besetzt, die Stammgäste sind dem Restaurant treu geblieben. Zur Umsetzung der Hygienemassnahmen werden neu Tischsets aus Papier verwendet, auf denen auch gleich die reguläre Menükarte abgedruckt ist, das Tagesmenü steht auf einem separaten A4-Blatt. «Es ist aber ehrlich gesagt nicht mehr dasselbe», sagt eine Servicemitarbeiterin. Die Angestellten sind angehalten, nicht länger als nötig bei den Gästen zu verweilen. Das sei sehr schade, denn beim Besuch im Gasthaus gehe es ja nicht nur um die Nahrungsaufnahme, mindestens ebenso wichtig sei die Geselligkeit. Der Austausch fehle sowohl Gästen als auch Angestellten.
Naser Sohraby vom «Höngger Oriental» an der Limmattalstrasse ist zufrieden. Mit einer grossen Plexiglasscheibe, die von der Decke hängt und beim Betreten des Lokals dennoch leicht übersehen werden kann, hat er die beiden Vierertische voneinander getrennt, sodass weiterhin zehn Plätze in dem kleinen Raum Platz finden. Im Januar lief sein Geschäft gerade richtig gut an, als es aufgrund der Corona-Massnahmen ausgebremst wurde. Doch Sohrabys Stammgäste haben ihn nicht vergessen. Vom ersten Tag der Wiedereröffnung am 11. Mai machten sie wieder Essensbestellungen oder assen vor Ort. Auch bei ihm ist der Abend zurzeit besser besucht als der Mittag. Nun hofft der Wirt, dass es langsam wieder aufwärtsgeht.
Im Rütiho bot das CaBaRe auch während des Lockdowns Menüs zum Mitnehmen an und der kleine Laden hatte geöffnet. «Wir haben während dieser ganzen Zeit bis heute sehr viel Unterstützung von der hiesigen Bevölkerung erfahren dürfen», sagt Dagmar Schräder, die ihren Mann Aminul Islam im Restaurant und Laden unterstützt. «Im Innenraum haben wir nun die Anzahl der Sitzplätze reduziert und die nötigen Massnahmen ergriffen, um die Sicherheit der Gäste gewährleisten zu können. Glücklicherweise konnten wir die Umstellung mit relativ einfachen Mitteln bewerkstelligen und freuen uns nun, unsere Kund*innen auch im Restaurant zu den gewohnten Öffnungszeiten wieder begrüssen zu dürfen», sagt Schräder.

Ungewissheit bereitet grosse Sorgen

Für Antonella und Sabrina im Hönggerhof waren die ersten zwei Wochen seit der Lockerung harzig. Die meisten Stammgäste über Mittag blieben aus, da viele noch von zu Hause arbeiten. «Die Reaktionen der Kund*innen, die den Weg zu uns finden, sind völlig unterschiedlich: Manche finden die Massnahmen übertrieben, andere haben wirklich Angst vor Corona», erzählt Antonella, die ihre Tochter zurzeit vor allem administrativ unterstützt. Von manchen habe sie auch gehört, dass sie es sich schlicht nicht mehr leisten könnten, auswärts essen zu gehen, «das gibt es auch bei uns». Die Situation nimmt sie spürbar mit. Als Italienerin beobachtet sie auch die Lage in ihrem Heimatland und macht sich Sorgen, dass es wieder schlimmer wird, auch in der Schweiz. «Diese Ungewissheit macht uns sehr zu schaffen, niemand kann sagen, wie sich die Sache entwickeln wird», sagt sie. Als Gastgeberin ist es frustrierend und traurig, wenn man den ganzen Tag vorbereitet und am Abend dennoch nur zwei, drei Tische besetzt sind. Die Schutzmassnahmen im Hönggerhof konnten mit Plexiglaswänden dezent umgesetzt werden, da der Raum bereits vorher grosszügig eingerichtet war, mussten nur drei Tische entfernt werden. Bis September können die Angestellten noch Kurzarbeit beziehen, doch die Wirtin hofft, dass es nicht so weit kommen wird, denn das würde bedeuten, dass auch das Geschäft nicht zum Laufen gekommen ist. «Geduld, es braucht einfach viel Geduld, bis sich die Gäste wieder zu uns trauen», meint Antonella.

Die Zeit wird es zeigen

Die Gasthäuser haben also wieder geöffnet und die Wirt*innen freuen sich, Gäste empfangen zu dürfen. Hinter vorgehaltener Hand hört man dennoch manchmal, dass die Umsetzung der Schutzmassnahmen sehr aufwendig sei und man auch überlegt habe, lieber zu warten bis man den Betrieb wieder ganz normal hätte öffnen können. Weniger Umsatz, weniger Personal und dennoch viel Arbeit, das geht für viele unter dem Strich nicht auf. Man darf durchaus kritisch fragen, ob es sinnvoll war, die Restaurants öffnen zu lassen, ohne dass gleichzeitig die Aufforderung, zu Hause zu bleiben und wenn möglich auch von dort zu arbeiten, aufgehoben wurde. Die Arbeitnehmer*innen, die üblicherweise über Mittag in einem Restaurant essen gingen, bleiben so weiterhin aus.
Wahrscheinlich wird mit der Zeit eine gewisse Corona-Normalität einkehren. So wie man sich daran gewöhnt hat, sich zur Begrüssung nicht mehr zu umarmen, kann man sich auch an die neuen Regeln in den Restaurants gewöhnen. Dennoch: Dasselbe ist es nicht. Und: Zahlen sind Zahlen. Dass die Erträge zurückgehen, wird sich kaum verhindern lassen. Der Verband Gastrosuisse äussert bereits Bedenken, dass viele Lokale bereits im Juni wieder schliessen müssen, weil die Öffnung sehr unrentabel sei, wie am Wochenende einer Medienmitteilung zu entnehmen war. Immerhin wird nun über eine Verlängerung des Anspruches auf Kurzarbeit diskutiert, um Entlassungen zu verhindern.

Auch die Restaurants Am Brühlbach, Schützenhaus, das Rapido, das Turbinenhaus und die Weinbeiz von Zweifel 1898 haben geöffnet. Genauere Informationen zu Öffnungszeiten und Angebot finden sich auf ihren jeweiligen Webseiten.

 

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