«Einige hielten mich für verrückt, weil ich Chips verschenkte»

Wer kennt sie nicht, die berühmten Zweifel Chips in der auffälligen, orangen Verpackung? Dass die Chips ihren Ursprung aber in Höngg haben, wissen längst nicht alle. Die Redaktorin des «Hönggers» sprach mit Hansheinrich Zweifel, dem Höngger Patron der «knackigen» Firma, welche das 50-Jahr-Jubiläum ihres «Frischservice» feiert.

Hansheinrich Zweifel neben einem Frisch-Service-Wagen, wie sie heute im Einsatz sind.
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«Mein Vater Heinrich, Inhaber der Mosterei Zweifel in Höngg, hatte einen Cousin im Rümlanger Weiler Katzenrüti, welcher aus einem Teil seiner angepflanzten Kartoffeln 1950 die ersten Chips in der Schweiz herstellte», erinnert sich der 79-jährige Hansheinrich Zweifel. Damals kannte man Pommes Chips noch nicht und genoss sie, wenn überhaupt, nur in kleinem Rahmen, weshalb die Produktion in Katzenrüti nur kleine Mengen produzierte. «Ich war damals ein 17-jähriger Bursche und hatte weder mit unserer Mosterei Zweifel noch mit Pommes Chips viel am Hut. Ich besuchte das Gymnasium, las gerne Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche und hatte anderes im Kopf.» Wenig später dann doch noch auf Job-Sicherheit bedacht, studierte Hansheinrich Zweifel an der ETH Lebensmitteltechnologie und erhielt den damals üblichen Titel «Ingenieur Agronom ETH mit Ausbildung in agrotechnologischer Richtung» – was heute in etwa ein Lebensmittelingenieur wäre.

Chips geben Durst, der vom Most perfekt gelöscht wird

«Unser Start in Katzenrüti kam überraschend: Nach einem Herzschlag seines Cousins Hans Meier übernahm mein Vater von den Erben 1957 die kleine Chipsfabrik. Sein Credo war dabei ‹Chips gänd Durscht, Moscht löscht dä Durscht!›». Die neu eingerichtete Chipsabteilung der Mosterei Zweifel, welche direkt hinter der heutigen Zweifel Weinlaube stand, wurde in Hansheinrichs Hände gelegt, der mittlerweile in der väterlichen Mosterei angestellt war. «Es war naheliegend, dass ich im Betrieb meines Vaters arbeitete, denn mein Studium war so breit gefächert, dass ich überall eingesetzt werden konnte», so der heutige Chips-König.

«S gäle Wägeli»

«Das Zweifel-Areal in Höngg war für meinen Bruder Paul und mich wie ein grosser Robinson-Spielplatz, auf dem wir uns als Lausbuben austoben konnten. Dort lernte ich Auto fahren und fräste mit Zwischengas auf dem Areal herum», erinnert sich Hansheinrich Zweifel lachend. Er kurvte auch mal im Fahrverbot des Holbrigs umher, bis sein Vater eines Tages vom Förster zu hören bekam «Es gäls Wägeli isch wieder im Holz gfahre. Fröged Sie doch emal Ihre Sohn, won er gsi segi . . . » Der erwachsene Hansheinrich setzte Verkaufsstrategien für die damals nahezu unbekannten Pommes Chips ein, die nicht allen gefielen: So verschenkte er als Verkaufschauffeur grosszügig Chipspackungen, um die Filialleiterinnen in den damaligen Geschäften, davon alleine 200 Basler Konsumverein-Läden, zu überzeugen. Nach seinem Motto «Ein Biss sagt mehr als tausend Worte» kam der Erfolg rasch, denn die Verkäuferinnen mochten die Chips sowie die schlagfertige Art des Juniorchefs, und bestellten deshalb – und bald wussten sie auch, dass es nicht ‹Pfontschipps›, sondern Pommes Chips hiess. Die Telefonnummer der Bestellhotline kann er noch heute auswendig: «56 77 70», kommt es wie aus der Pistole geschossen.

«Frischservice» als schweizweite Innovation

Sein Vater vertraute Hansheinrich und dessen neuartigen Verkaufsmethoden, obwohl die Chipsabteilung vier Jahre lang rote Zahlen schrieb. Waren Ende der 50er Jahre um die zehn Busse für Zweifel Chips im Einsatz, so steigerte sich 1962 diese Zahl rasch auf 36. Was kurbelte dieses Wachstum an? «Ich führte 1962 mit 29 Jahren den ‹Frisch-Service› in der ganzen Schweiz ein: Unsere Verkäufer bekamen die Anweisung, auf ihren Touren das Haltbarkeitsdatum der Packungen zu kontrollieren und abgelaufene Ware kostenlos gegen Neuware einzutauschen. Dies war bisher in der Schweiz unüblich, und so hatten wir einen grossen Vorteil.» Zudem wurden mit gelben VW-Bussen an einigen Samstagen in auffälliger Kolonnenfahrt «Zweifel-Karawanen» gestartet. Überall, wo man die herzigen Busse mit den Fahrern in fescher, weisser Uniform sah, freute man sich – und bekam Lust auf Pommes Chips, die man sich dann im nächsten Laden oder Kiosk besorgte.

Spatzen freuten sich über abgelaufene Chips

«Ich erinnere mich daran, dass wir die abgelaufenen Chips jeweils unter der Rampe hinter dem Büro in Kessel ausleerten. Die Spatzen hatten das schnell entdeckt und viele machten mit den grossen Chips im Schnabel die reinsten Kunstflugmanöver.» Rasch wurde die Fabrik in Höngg zu klein, um die steigende Nachfrage zu bedienen. Auf dem Dach der Mosterei wurde deshalb eine neue Chipsfabrik erstellt. Auch diese platzte bald aus allen Nähten – es folgte 1970 der Umzug nach Spreitenbach. «Zudem beklagten sich einige Anwohner, weil es je nach Windrichtung nach frischen Chips roch – unser neues Domizil sollte also möglichst weit weg von Wohnquartieren sein.» Der Rest ist Geschichte: Die grosse, orangefarbene Fabrik im Spreitenbacher Industriequartier ist unübersehbar, täglich sind 150 Verkaufsberaterinnen und Verkaufsberater «on the road», um rund 22 000 Verkaufsstellen zu bedienen. Verarbeitet werden pro Jahr 24 000 Tonnen Kartoffeln, die von 400 Schweizer Bauern gepflanzt wurden.

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