Eine traurige Debatte

Eine Protestwelle gegen Rassismus hat die Welt erfasst. Auch in der Schweiz gehen Menschen auf die Strasse und kämpfen gegen Diskriminierung und für die Rechte von Schwarzen. Eine Debatte über ein Schokoladegebäck, mit der umstrittenen Bezeichnung «Mohrenkopf», hat hierzulande für besondere Aufregung gesorgt. Dass jedoch überhaupt so heftig darüber debattiert wird, zeigt, wie viel sich noch ändern muss.

Der gewaltsame Mord des Afroamerikaners George Floyd hat eine weltweite Protestwelle ausgelöst. Die systematische Chancenungleichheit und die Gewalt an Schwarzen ist schon viel zu lange ein Problem. Und das nicht nur in der USA. Die «Black Lives Matter»-Bewegung bringt nun ans Tageslicht, wieviel Wut und Trauer sich angestaut hat. Die Forderung ist ganz klar. Rassismus hat keinen Platz auf der Welt. Die systematische Unterdrückung der Schwarzen muss beendet werden, und es muss sich grundlegend etwas ändern.
Im Zuge dieser weltweiten Bewegung wurde auch in der Schweiz sehr viel über Rassismus diskutiert. Dabei ist unter anderem auch einmal mehr das Schokoladegebäck, das als «Mohrenkopf» bekannt ist, in die Kritik geraten.
Der Begriff ist fragwürdig und historisch eng verbunden mit einer abwertenden Bezeichnung für dunkelhäutige Menschen.
Die Debatte hat insbesondere durch die umstrittene Entscheidung der Migros, den «Dubler Mohrenkopf» aus dem Sortiment zu nehmen, viel mediale Aufmerksamkeit erhalten. Das Unternehmen Dubler weigert sich unter allen Umständen, sein beliebtes Verkaufsprodukt umzubenennen.
Besonders in rechten Kreisen, aber auch darüber hinaus wird der «Mohrenkopf» mit allen Mitteln und roten Köpfen verteidigt. Das Produkt habe schon immer so geheissen. Das habe nichts mit Rassismus zu tun. Es gäbe viel wichtigere Probleme und das «Gejammere» der Gegner des «Mohrenkopfes» sei völlig ungerechtfertigt. Eine Änderung des Namens würde gar nichts ändern und es sei eine masslose Übertreibung. Die junge SVP Zürich hat sogar eine «Mohrenkopf-Verteilaktion» gestartet, um auf diese unerhörte Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen, dass dieses arme Schweizer Traditionsprodukt sabotiert wird. Der Eifer und der unermüdliche Einsatz und Kampf in der Verteidigung dieses rassistisch konnotierten Namens finde ich bedauerlich.
Ich unterstelle nicht jeder Person, die den Schokokuss «Mohrenkopf» nennt, rassistisch veranlagt zu sein. Wenn man jedoch mit einem solchen Eifer proaktiv für die Aufrechterhaltung dieses historisch fragwürdigen Begriffes kämpft, wirft das bei mir Fragen auf.
Wieso ist es wichtig, dass dieser Name behalten wird? Hat ein «Schokokuss» einen anderen Geschmack als ein «Mohrenkopf»? Wieso kann man nicht akzeptieren, dass der Begriff verletzend wirken kann und darauf verzichten? Ist etwas richtig und gut, nur weil es schon immer so war?
Oft wird auch das Argument aufgeworfen, dass es doch viel wichtigere Probleme gibt und die Leute nicht so ein Drama wegen eines Begriffes machen sollten. Ich stimme zu hundert Prozent zu, dass die Probleme des Rassismus viel tiefer liegen als in der Bezeichnung einer Süssigkeit.
Umso trauriger deshalb, dass man sogar für diese winzige Änderung und einen minimalen Schritt in die richtige Richtung, durch die Abschaffung dieses Namens kämpfen muss. Und genau durch diese Debatte wird das tieferliegende Problem des Rassismus sichtbar. Dinge die selbstverständlich sein sollten, sind es nicht.
Viele dunkelhäutige Menschen sind täglich mit Rassismus konfrontiert. Vielleicht ist es auch nicht für alle dunkelhäutigen Menschen ein Problem, wie diese belanglose Süssware nun bezeichnet wird. Fakt ist jedoch, dass es Menschen gibt, die durch den Begriff verletzt werden. Als Person, die nicht betroffen ist von Rassismus im Alltag, hat man also absolut kein Recht zu sagen, dass der Begriff in Ordnung ist.
Die Sprache und Begriffe, die wir verwenden sind auch Teil unserer Realität. Einst wurden die Schokoküsse auch «Negerköpfe» genannt. Würden die Leute, die heute den «Mohrenkopf» verteidigen, dieselben Argumente auch auf diesen Begriff anwenden, weil man das Gebäck lange Zeit so genannt hat? Ich hoffe nicht.
Und das zeigt auch, dass sich Begriffe und Traditionen entwickeln können und nicht in Stein gemeisselt sind. Mir ist bewusst, dass der Rassismus durch die Abschaffung dieses einen Begriffes nicht verschwinden wird. Doch es würde ein Zeichen setzen, dass die Gesellschaft bereit für einen Wandel ist.
Mit dieser traurigen Debatte wurde nun bereits ein Zeichen gesetzt. Es wurde nämlich gezeigt, dass viele Leute bereit dazu sind, ihre Traditionen zu verteidigen, koste es was es wolle. Ich denke, es ist an der Zeit, dass nun die richtigen Zeichen gesetzt werden.

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