Eine neue Kinderärztin für Höngg – in der Apotheke

Die Apotheke Im Brühl wagt gemeinsam mit der Höngger Kinderärztin Tanja Restin ein Experiment: Freitags bietet die Ärztin in den Räumlichkeiten der Apotheke Sprechstunden für Kinder an.

Ein Sprechzimmer gleich neben dem Regal mit den Pflastern: Die Kinderärztin Tanja Restin (links) und die Apothekerin Franziska Henzi-Landolt wagen das Experiment. (Foto: das)

Eigentlich war es reiner Zufall: Als die Kinderärztin Tanja Restin vor einiger Zeit in der Apotheke Im Brühl Besorgungen machte, hörte sie mit einem Ohr mit, wie jemand mit einem kranken Kind vorbeikam und Beratung zu dem kleinen hustenden Patienten wollte.

«Dieses Kind würde ich jetzt gerne mal abhören, dann könnte ich eine Diagnose stellen», dachte sich Restin – und eine Idee war geboren. Also schlug sie der Apothekerin Franziska Henzi-Landolt vor, doch den Versuch zu wagen, innerhalb der Apotheke kinderärztliche Sprechstunden anzubieten. Diese zeigte sich sehr offen für die Idee und gemeinsam entwickelten sie das Projekt.

In der Apotheke oder auch zu Hause

Seit Juni ist die Ärztin nun in der Regel jeden Freitag von 8 bis 12 Uhr in der Apotheke präsent und empfängt Patientinnen in ihrem Sprechzimmer. Anmelden können sich diese via Website, E-Mail oder telefonisch. Auch spontanes Vorbeikommen ist möglich. Das Behandlungszimmer in der Apotheke ist zwar sehr klein, bietet aber Raum für das Nötigste und ist offiziell von der Gesundheitsdirektion als Behandlungsräumlichkeit zugelassen.

Auch sonst läuft alles wie in einer «normalen» Arztpraxis ab: Für ihre Patientinnen führt Restin elektronische Patientendossiers. Abgerechnet werden die Konsultationen über Tarmed, das Tarifsystem der Krankenkassen. Die Leistungen erstrecken sich von den Standard-Untersuchungen und Beratungen über die Probenentnahme mit anschliessender externer Laboranalyse bis hin zu den Vorsorgeuntersuchungen.

Und wenn Ultraschall oder EKG notwendig werden, kann Restin auch auf ihre anderen Praxisräume zurückgreifen. Zudem besteht die Möglichkeit für Hausbesuche: «Wenn Familien mit mehreren Kindern vorbeikommen müssten, empfiehlt es sich, mit mir einen Termin zu vereinbaren. Bei infektiösen Krankheiten ist es besser, sich vorher telefonisch zu melden. Dann komme ich gerne zu den Familien nach Hause», erklärt Restin. Denn ein separates Wartezimmer kann die Apotheke nicht aufweisen.

Seit Jahren kein kinderärztliches Angebot mehr in Höngg

Schon seit 2016 suchen Eltern in Höngg vergeblich nach einer Kinderarztpraxis. Damals schloss die Praxis von Frau Dr. med. Wälti – und die Nachfolgerin Dr. med. Cascione-Larocca zog mit der Praxis nach Altstetten um. Seither müssen sich Eltern ärztliche Betreuung für ihren Nachwuchs ausserhalb des Quartiers organisieren.

Die Gründe für den Mangel an Arztpraxen, der nicht nur Kinder-, sondern auch Allgemeinmediziner umfasst, sind vielfältig (der «Höngger» berichtete bereits im Jahr 2016). Es liege nicht nur an den Räumlichkeiten, die oft nur zu sehr hohen Preisen zur Verfügung stünden, erklärt Restin, sondern generell auch an einer immer geringer werdenden Zahl an Kinderärztinnen, die gewillt sind, sich den Herausforderungen einer eigenen Praxis zu stellen.

Lange Arbeitszeiten, viel bürokratischer Aufwand und schlechte Entlöhnung im Vergleich zu den spezialisierten Ärzten sind nur einige der Punkte, die angehende Ärztinnen davon abhalten, sich selbstständig zu machen.

Win-win-Situation

Eine grosse Praxis zu führen ist auch für Restin momentan nicht möglich – nicht zuletzt deswegen, weil sie neben der Tätigkeit als praktizierende Ärztin auch noch an der Universität als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist. Doch mit ihrem Experiment möchten die Ärztin und die Apothekerin versuchen, die Lücke im Quartier zumindest ein wenig zu stopfen. «Wir wollen ein gutes Angebot für Höngg schaffen», erklären beide ihre Motivation.

Davon profitiere aber nicht nur die Quartierbevölkerung, sondern auch sie selbst. «Für uns als Apotheke ist das neue Angebot eine grosse Bereicherung», erklärt Henzi-Landolt. «Wir haben uns auf Kinder spezialisiert und besuchen jährlich Weiterbildungen speziell zum Thema. Da profitieren wir enorm davon, mit Restin eine kompetente Ansprechperson zu haben, die wir auch mal zu Rate ziehen können, wenn unsere Kundschaft ärztlichen Rat oder eine Untersuchung benötigt.» Umgekehrt ergehe es ihr aber genauso, ergänzt Restin.

Der Umgang mit den Medikamenten und auch das Thema «Medikamentensicherheit» seien Gebiete, in denen sie viel Know-how aus der Apotheke mitnehmen könne. Eine Win-win-Situation also.

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