Eine Hymne für alle

Die Sinfonietta Höngg berührt mit einer musikalischen Hommage an Grossbritannien.

Blumen für Emanuel Rütsche von «seinem» Orchester als Anerkennung für die grossartige Leistung und den gemeinsamen Erfolg.

«Beethoven goes Britain», so lautete die Ankündigung für das Konzert der Sinfonietta Höngg am 26. Juni im reformierten Kirchgemeindehaus. Bei über 30 Grad im gut gefüllten Saal wirkt das Inselreich jenseits des Ärmelkanals sehr verlockend: Regen, Nebel, kühle Köpfe kommen in den Sinn.

Aber schon in der zweiten Zeile des Programmheftes erfährt man, dass die vertraute klassische Oberfläche von Beethovens 1. Sinfonie trügt: von Revolution ist die Rede, von «falschen» Akzenten und extremer Dynamik, und man ist sich für einen Moment unsicher, ob von der Musik die Rede ist oder von den politischen Umbrüchen in dem Land im Motto des Abends. Zu beidem passt die rebellische Heiterkeit am Beginn des erstens Satzes, die das Orchester konzentriert vorträgt, unter der Leitung des gewohnt souveränen und charismatischen Emanuel Rütsche.

Nach dem langsamen zweiten Satz, in dem sich eine Vorahnung von Melancholie ankündigt, wirkt der schwungvolle dritte Satz mit seinen intensiven Lautstärkewechseln befreiend, ehe das Finale mit mitreissenden Blechbläsern Beethovens mutiges Experiment zu einem stimmigen Abschluss bringt. Als die «Sentimental Sarabande» aus Brittens Simple Symphony zu klingen beginnt, mit ihren emotionalen Flächen, kommt die vorher nur angedeutete Melancholie zur vollen Entfaltung, und das kunstvolle, aus dem Barock in die Spätromantik hinübergerettete musikalische Leiden an der Welt harmoniert wunderbar mit dem allgemeinen Leiden an der Hitze: Eine intensive Erfahrung, in der die geheime Hoffnung auf Kälte zuerst dramatisch übersteigert wird, bis sie sich in plötzlicher Sanftheit auflöst, langsam und ruhig.

Das alte keltische Erbe, das in Williams› English Folk Song Suite nachhallt, bringt ein breites Spektrum verschiedener Facetten der menschlichen Seele zum Ausdruck, wie ein belebender Wind, direkt vom aufgewühlten Meer. Dass man es hier mit einem ursprünglich für Militärkapellen gesetzten Werk zu tun hat, wird spätestens bei den Trommeln allen klar. Die orientalisch, beinahe fernöstlich anmutenden Harmonien im zweiten Satz erinnern sehr ruhig und gefühlvoll daran, was damals, als Williams diese Musik schrieb, alles zu Britannien gehörte, ehe im dritten Satz hoffnungsfrohe, heldenhafte Motive neben leiseren Marschelementen beinahe ironisch wirken.

Und dann ist man bei Elgar, dessen Musik, wie die Pauken beim Crescendo im Allegretto, das Kunststück fertigbringt, plötzlich zu wirken als wäre sie immer schon da. Nach dem ausgesprochen sanften Adagio beginnt nun das Stück, über das schon genug gesagt wurde, das aber noch lange nicht oft genug gehört wurde, schon gar nicht in so einer freudvollen Interpretation wie der der Sinfonietta Höngg: Pomp and Circumstance, die inoffizielle Hymne für England. Und für alle Menschen, die sie gerade hören.

Eingesandt von Heinz Helle

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