Ein Verein, die Heimat zu ehren

Im letzten Jahr feierte die Trachtengruppe Höngg ihren 85. Geburtstag. Das gemeinsame Singen und Tanzen sowie das Tragen der traditionellen Trachten stärken seit jeher den Zusammenhalt.

Die Trachtengruppe Höngg feierte im letzten Jahr ihr 85. Jubiläum.

Es war im Jahre 1932, als das Initiativkomitee der Frauen des Landwirtschaftlichen Vereins Höngg «60 Frauen und Töchter» zu einer Versammlung in das alkoholfreie Restaurant zum Sonnegg einlud. Thema der Veranstaltung: Das Tragen der Bauerntracht. Es sollte die Geburtsstunde der Trachtengruppe Höngg werden. Die Dreissigerjahre, kurz nach der Weltwirtschaftskrise, waren auch für die Schweiz eine dunkle Zeit: Es gab keine Arbeit, die Unsicherheit war gross, denn man wusste nicht, wie lange der Frieden nach dem 1. Weltkrieg anhalten würde. «In Zeiten der Krise besinnt man sich schon seit jeher auf die alten Werte, die gute Heimat», erzählt Margrit Reithaar, das älteste Mitglied der Trachtengruppe Höngg. Auch das Komitee bemerkte in der Einladung, dass auf kantonalem Boden und darüber hinaus Bestrebungen im Gange seien, die «unserem Bauerntum seinen ethisch sittlichen Wert vor Augen führen, und die Heimatliebe neu wecken» wollten. «Es ging auch darum, die Arbeit der Bäuerinnen zu würdigen, schliesslich trugen sie nicht nur in Kriegszeiten viel zum Fortbestand und Prosperieren eines Hofes bei», sagt Reithaar, die zu den Anfängen zwar selber noch ein Kleinkind war, deren Mutter aber bereits 1931 am eidgenössischen Trachtenfest in Montreux teilgenommen hatte. So gründete sich am 19. Dezember 1932 im alkoholfreien Restaurant zum Sonnegg im Beisein von 23 Frauen und Töchtern die Trachtengruppe Höngg. 18 davon erklärten sofort den Beitritt und wählten Berta Matthys zur Präsidentin, sowie Hermine Wehrli und Frau Ida Bosshard-Locher zur Beihilfen in die Gruppenleitung. Geleitet wurde die Versammlung übrigens von einem Mann: Heinrich Bosshard half den Damen «über die ersten Klippen hinweg», wie im Versammlungsprotokoll schriftlich verdankt wurde.

Lichtblick in dunklen Zeiten

Während des Krieges gab es für die Frauen viel zu tun, man half sich gegenseitig auf dem Hof aus, der Zusammenhalt war gross und die gemeinsamen «Chränzli» waren wohl eine willkommene Ablenkung vom harten Leben. «Für die Frauen gab es zu jener Zeit noch nicht so viele Vereine», erinnert sich Reithaar. «In der Trachtengruppe wurde anfangs nur gesungen, erst später kam dann das Tanzen dazu. Das war eine grosse Herausforderung, denn es gab damals wenig Volkstänze». Frau Mina Sommer, geborene Beerli, recherchierte als Dirigentin und Tanzlehrerin nach überlieferten Choreografien und übte diese mit der Gruppe ein. Margrit Reithaar selber trat 1952 nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Handarbeitslehrerin oder «Büetzgotte», wie sie den Beruf manchmal nennt, der Trachtengruppe bei, «weil ich gerne singen und tanzen wollte, nicht nur das Eine oder das Andere». Mitte der 50er Jahre befand sich der Verein in einer ersten Krise, denn die Gründungsmitglieder waren älter geworden, einige waren weggezogen. Doch diese Auf und Ab’s gab es immer, «einmal traten auf einen Schlag sechs bis sieben junge Männer der Tanzgruppe bei, und gleichzeitig kamen auch einige neue Frauen dazu. Das war schön, denn so hatte man viele Paare», erinnert sich Reithaar. Ein anderes Mal bekam die Höngger Gruppe Zulauf von ehemaligen Sängerinnen und Sängern der Zürcher Singgruppe, die sich aufgelöst hatte. Die Höngger Trachtengruppe trat aber auch sonst im Quartier in Erscheinung: So schmückt sie bei jedem Wümmetfäscht den «Suuserwage» und reichte dort schon früh Brot und Käse zum Wein, weil das den Geschmack beim Degustieren neutralisierte. Aus Brot und Käse wurden bald Chäschüechli und später Chnoblibrot, das ziemlich beliebt war am Höngger Dorffest. Reithaar erinnert sich noch gut daran, was für eine «Büez» es war, die Chnoblipaste vorzubereiten.

Eine fröhliche Geschichte

Auch die Damen und Herren, die sich Ende Dezember im «Im Brühl» versammelt hatten, um auf das 85-Jahr-Jubiläum der Trachtengruppe Höngg anzustossen, erinnern sich noch gut an vergangene Zeiten. Die meisten sind schon Jahrzehnte dabei, viele von ihnen kamen über ihre Mütter zum Singen oder Tanzen. «Leider kann ich meine eigene Tochter nicht davon überzeugen, auch dem Verein beizutreten», erzählt eine Dame, die zusammen mit Margrit Reithaar und Luise Beerli an einem der weissgedeckten, langen Tische sitzt, «die heutigen Jugendlichen haben einfach andere Interessen». Nach einem feinen Mittagessen werden die Jubilare geehrt, ein Herr aus dem Vorstand kurbelt die Orgel an und zeigt später einen Film über die Geschichte des Vereins. «Es ist eine fröhliche Geschichte», resümiert Reithaar, «wenn man zusammen singen und tanzen kann, dann tut das einfach gut. Es gibt doch nichts Schöneres auf der Welt, als einen schönen Walzer zu tanzen».

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