Ein neues Zuhause für Stromkabel und Bobinen

Im September wurde das neue Zentrallager der Elektrizitätswerke (ewz) an der Pfingstweidstrasse in Betrieb genommen. Der Öffentlichkeit bot sich am 23. November die Gelegenheit, die Räumlichkeiten zu besichtigen und einen Einblick in die Logistik des Stromversorgungsunternehmen zu erhalten.

Das Zentrallager von aussen. (Foto:zvg)

Um die Stromversorgung einer Stadt zu sichern, sind nicht nur ausreichend Kraftwerke vonnöten, die den Strom produzieren, sondern auch ein funktionierendes Netz an Leitungen, die diesen zu den Endabnehmer*innen transportieren. Fast 5000 Kilometer Stromkabel sind in der Stadt Zürich im Boden verlegt, 3200 für die Stromversorgung, 1600 für die öffentliche Beleuchtung.
Und dieses lange Netz an Leitungen muss erstellt und gewartet werden.
Das dazu notwendige Material wird im neuen Zentrallager der ewz in Herdern aufbewahrt, das im September dieses Jahres den Betrieb aufgenommen hat. Am 23. November konnte sich die Öffentlichkeit im Rahmen einer Führung ein Bild von den neuen Lagerräumlichkeiten machen.

Zentrale Infrastruktur

Eröffnet wurde die Führung von Stadtrat Michael Baumer, Vorsteher der Industriellen Betriebe. Die Wärme- und Stromversorgung sowie die Mobilität seien die treibenden Kräfte bei der Erreichung des Netto-Null-Ziels der Stadt Zürich, erklärte Baumer. Auch Benedikt Loepfe, der Direktor der ewz, betonte, dass das Netz die Schlagader des Energiesystems darstelle. Vor dem geplanten Umbau sei viel darüber diskutiert worden, ob eine Werkhalle in der Stadt Zürich überhaupt noch Platz habe. Man sei jedoch zum Schluss gekommen, dass das Lager Platz haben müsse, weil es die notwendige Infrastruktur erstelle, um das Leben in der Stadt zu ermöglichen.
Der Um- bzw. Neubau habe den Betrieb allerdings vor einige Herausforderungen gestellt, gestand Martin Emmenegger, Leiter des Geschäftsbereichs Netze. Mehrere Ziele seien mit dem Neubau verfolgt worden: So sollte der Lagerumschlag gesteigert und Raum für eine Prüf- und Eichstelle für die Stromzähler geschaffen werden, die in den Haushalten den Stromverbrauch registrieren. Primär ging es bei der Planung des neuen Lagers aber darum, Platz einzusparen.

Intelligentes Chaos

Denn mit dem Neubau wurde das Lager nicht nur modernisiert, die Fläche wurde von den ursprünglichen über 10 000 Quadratmetern auch auf rund 4500 Quadratmeter halbiert. Das bedeutete für die Planung, dass nicht nur im grossen Stil eingespart und rationalisiert werden musste, sondern dass ein Weg gefunden werden musste, das Material, rund 5000 verschiedene Artikel, möglichst intelligent und effizient zu lagern. Diese Vorgabe wurde mit der Neuorganisation der Lagerlogistik erreicht, wovon sich die Besucher*innen vor Ort selbst überzeugen konnten. Ein Computersystem hat die Organisation des Stauraums übernommen und ordnet und sortiert das Material selbstständig und in einem «chaotischen» Verfahren. Dabei verfährt der Computer so, dass Material dort gelagert wird, wo gerade am meisten Platz ist – und nicht sortiert nach Verwendungszweck oder Gebrauch. Logistikmitarbeiter*innen sind nun darauf angewiesen, dass das System ihnen mitteilt, wo sich etwas befindet, wenn sie auf der Suche nach bestimmten Gegenständen sind. Diese Vorgehensweise spart sehr viel Platz – und Arbeit. Die grossen Kabelrollen, Bobinen genannt, sind in einem überdimensionalen Liftsystem, einem sogenannten Paternoster, gelagert. Auch Kleinteile wie Schrauben und Nägel werden in einem Paternoster aufbewahrt. Wird Material benötigt, bringt der Lift den Mitarbeiter*innen das Gewünschte.

Ein Bau wie eine Brücke

Architektonisch weist das vom Architekturbüro Meili, Peter & Partner Architekten realisierte Lager einige Besonderheiten auf. Die Lagerhalle erstreckt sich über zwei Stockwerke. Für das obere Stockwerk sei die Traglast extrem hoch, erklärte Michael Maier, der verantwortliche Projektleiter, den Gästen. Es sei daher notwendig gewesen, ein extrem leistungsfähiges Tragwerk aus Stahlbetonträgern zu erstellen, das den Anforderungen einer Brücke entsprechen müsse. Zudem sei das Gebäude erdbebensicher.
Auch der Einbau der Eichstelle in das Lagergebäude sei nicht ganz ohne gewesen, so Meier weiter. Denn diese habe ganz andere Anforderungen als ein Lagergebäude. Erschütterungen müssten hier möglichst vermieden werden, ebenso Temperaturunterschiede. Deswegen wurde für die Eichstelle sozusagen ein «Haus im Haus» erbaut.
Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit des Bauens führte Meier mehrere Punkte ins Feld. Ins Auge fällt dabei insbesondere die prägnante Holzfassade des Gebäudes, die einen überraschenden Kontrast zum Innenleben bietet und zur Hauptsache aus heimischem Douglasienholz gefertigt ist. Das Dach wurde intensiv begrünt und weist eine 20 bis 25 Zentimeter dicke Humusschicht auf.
Mit der Fertigstellung des Lagers sind die Bauarbeiten in der Herdern noch nicht abgeschlossen: In den kommenden Monaten wird das benachbarte Hauptgebäude zurückgebaut, saniert und aufgestockt. Dann werden hier rund 600 Angestellte ihren Arbeitsplatz haben. Insgesamt werden für die Erneuerung der Gebäude in der Herdern Kosten von rund 167 Millionen Franken anfallen.

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