Quartierleben
Ein Leben für die Kunst
Sein Leben war die Bildhauerei, seine Haltung unbeirrbar: Cesare Ferronato schuf beeindruckende Werke. Aber er war auch ein Familienmensch. Anfang Februar verstarb der Künstler im Alter von 98 Jahren. Sein Atelier in Höngg wird weiterbestehen.
18. März 2025 — Daniel Diriwächter
Das Reich von Cesare Ferronato war eine Scheune: Seit 1962 diente dieses Gebäude als sein Atelier, als Stätte der Kreation und Inspiration. An der Riedhofstrasse 361 gelegen, ist es von der Strasse aus unscheinbar, doch wer es betritt, spürt die Magie eines Ortes, an dem Jahrzehnte lang Kunst entstand. Doch Cesare Ferronato selbst ist dort nicht mehr anzutreffen. Er verstarb am 4. Februar im Alter von 98 Jahren an einer Lungenembolie.
Zwei seiner drei Kinder, Claudia und Marco Ferronato, empfangen die «Höngger Zeitung» in diesem Atelier. Sie erinnern sich an ihren Vater und dessen Anfänge: Geboren in Interlaken als jüngster Sohn italienischer Migranten, wuchs Cesare in bescheidenen Verhältnissen auf. «Unsere Grosseltern hatten nicht viel Geld, aber sie waren gebildete Menschen», sagt Claudia.
Mit 13 Monaten, die Familie liess sich in Zürich an der Langstrasse nieder, erkrankte Cesare an Kinderlähmung – eine Prüfung, die eine lebenslange Gehbehinderung nach sich zog. Dabei hatte er grosse Pläne, er wollte Chirurg, Architekt oder Goldschmied werden. «Mein Vater hätte gerne studiert, aber die Behinderung und die finanzielle Lage liessen es nicht zu», erklärt sein Sohn Marco. Doch der Künstler in ihm war nicht aufzuhalten.

Der Bildhauer
Früh erlernte Cesare Ferronato das Handwerk seines Vaters: das Gipsen, Zementgiessen und Restaurieren. Und er erkannte, dass der Stein sein Material war, auch wenn er zusätzlich mit Bronze arbeitete sowie Zeichnungen schuf. Als junger Mann unternahm er Studienreisen, besuchte grosse Meister ihres Fachs wie Giacomo Manzù, Marino Marini oder Antoine Poncet. Doch letztlich war er Autodidakt. «Er wollte sich beweisen und unabhängig sein», sagt Marco.
Die ersten Werke orientierten sich am klassischen Stil, doch mit der Zeit entwickelte er seine eigene Handschrift. Er wollte Skulpturen schaffen, die ausdrucksstark sind. Kein Stein war vor ihm sicher, erzählen die Geschwister: Granit oder Lavastein, monumental oder Miniatur – Cesare Ferronato fand überall Inspiration und Leidenschaft.
«Er verdichtete die Formen», erklärt sein Sohn. Das lässt sich etwa an den Werken «Weiblicher Akt (1963)» oder den Katzenskulpturen erkennen. Auch Porträts modellierte er unkonventionell – so erfasste er das Wesen eines Menschen und schuf keine Kopie.
Zwei Bücher erschienen über den Künstler: «Cesare Ferronato – Bildhauer und Zeichner» und «Anatomie des Steins – Gespräche mit Hannes Schüpbach» sowie der Dokumentarfilm «Steinbildhauer und Zeichner» von Ulrich Schelling. Sein kompromissloses Schaffen verhinderte, dass er sich vertraglich an Galerien band: «Er wollte keine Produktion, sondern Kunst», sagt Marco.
Das Vorwort von Willi E. Christen im erstgenannten Buch bestätigt das: «Er ist kein Mann der grossen Worte, kein Magnet für rauschende Vernissagen … schon eher ein Geheimtipp unter Kunstfreunden und ein sicherer Wert.»
Die Familie
Im Jahr 1958 heiratete er Jacqueline Renfer, die seine Arbeit begleitete und ermöglichte. «Unsere Mutter hielt ihm den Rücken frei, sorgte für Stabilität und verdiente als Aushilfslehrerin das Geld», erinnert sich Marco. Sie unterrichtete Zeichnen, Stenografie und Maschinenschreiben, zog von Schule zu Schule, wechselte oft sogar täglich die Klassen.
Später widmete sie sich der Keramik und wurde zur Spezialistin der japanischen Raku-Technik. «Wenn wir von meinem Vater sprechen, müssen wir früher oder später von der Mutter reden», sagt Marco. «Ihre Ideen flossen in seine Kunst ein.» Die Gespräche zwischen den beiden seien intensiv gewesen, es wurde reflektiert, hinterfragt und bisweilen hitzig diskutiert.
Die fünfköpfige Familie lebte beim Römerhof im Kreis 7, doch zog es sie alle oft ins Höngger Atelier, das Cesare Ferronato bei der Stadt Zürich mietete. Damals, so erzählen die Geschwister, war es noch umgeben von Feldern. «Das Atelier wurde unser Lebensmittelpunkt und zum Begegnungsort, die Menschen gingen ein und aus», sagt Claudia.
Die Kinder schliefen dort manchmal, so wie der Vater, auf Matratzen. «Wir liebten dieses Leben und konnten es uns nicht anders vorstellen», so Claudia. Sohn Marco trat schliesslich in die Fussstapfen seines Vaters und wurde ebenfalls Bildhauer. Claudia fand ihren eigenen Weg als Ergotherapeutin, wobei auch sie darin die künstlerische Freiheit spürt. Die Schwester Francesca ist als Sattlerin kreativ.
Ein Vermächtnis, das bleibt
Jacqueline Ferronato starb 2022 nach kurzer Krankheit. Nun folgte ihr Cesare, ebenfalls nach kurzer Leidenszeit. Beide im hohen Alter. Dafür seien die Geschwister dankbar. «Wir Kinder haben uns um unsere Eltern gekümmert. Ein Heim wäre nie eine Option gewesen», sagt Claudia.
Das Atelier in Höngg wird bestehen bleiben. Marco hat den Mietvertrag bereits vor einigen Monaten übernommen und setzt das künstlerische Erbe fort. Wie sein Vater wird er Kurse anbieten, sei es in der Bildhauerei oder auch in Bronzeplastiken. Auch Auftragsarbeiten sind bei ihm möglich. Sein Vater habe gesagt: «Jetzt weiss ich, dass es weitergeht.»
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