Kinder & Jugend
Ein Jahr Tagesschule
Vor einem Jahr hat das Schulhaus Lachenzelg den Wandel zur Tagesschule vollzogen. Was hat sich seither für die Schule, die Lehrerschaft und die Jugendlichen verändert? Der «Höngger» hat bei der Schulleitung nachgefragt.
28. Oktober 2024 — Dagmar Schräder
Im September 2022 haben sich die Stadtzürcher Stimmberechtigten für die Einführung der Tagesschule ausgesprochen. Im Verlauf der nächsten sieben Jahre wird an allen Zürcher Volksschulen das Tagesschul-Modell eingeführt. In Höngg ist die Schule Lachenzelg neben der Schule am Wasser, welche die Ganztagsbetreuung bereits während der Pilotphase eingeführt hatte, die erste Schule, die das Modell umsetzt.
Seit den Sommerferien 2023 wird hier nun für die knapp 450 Schülerinnen eine ganztägige Betreuung angeboten. Das bedeutet einen straffen Tagesablauf: Der Unterricht beginnt um 7.30 Uhr, fünf Lektionen später folgt eine 60-minütige Mittagszeit, während derer in der sogenannten Oase ein frisch zubereitetes Mittagessen angeboten wird. Anschliessend ist Lernzeit angesagt: Hier wird während dreissig Minuten im Klassenzimmer unter Aufsicht gearbeitet. Daneben werden diverse freiwillige Mittagsangebote durchgeführt – von Fitness über Musik bis zur Robotik.
Um 13.35 Uhr beginnt die Nachmittagsschule, die nochmals zwei oder drei Lektionen umfasst. Mittwochs ist der Nachmittag frei. Die Teilnahme am Modell ist für die Familien freiwillig; die Eltern können ihre Kinder jeweils zu Beginn des Semesters von der Tagesschule abmelden. Die Kosten betragen sechs Franken pro Mahlzeit, für einkommensschwache Familien kann der Preis reduziert werden.
Mehr als 300 Jugendliche nutzen das Angebot
Bereits im Schuljahr 2021/2022 habe man im Lachenzelg mit den Vorbereitungen für die Neuerung begonnen, erklärt der Schulleiter Valentin Vella. Zum Glück sei der Wandel relativ einfach vonstattengegangen: «Wir hatten den Vorteil, dass wir mit der Oase bereits seit rund zwanzig Jahren ein Mittagsangebot haben. Die Tagesschul-DNA war also schon vorhanden.»
Die Erwartung sei gewesen, dass bis zu 350 Jugendliche das Angebot nutzen würden. Dies habe sich bewahrheitet: Rund Zweidrittel bis Dreiviertel der Jugendlichen würden ihr Mittagessen in der Schule einnehmen. Die restlichen verzichteten aus den verschiedensten Gründen auf das Angebot. So wünschten manche Eltern, dass die Kinder zum Essen nach Hause kämen. Für andere bedeute es auch zu viel Stress, den ganzen Tag in der Schule zu verbringen – oder das Essen schmecke ihnen schlicht nicht. Viele kämen jedoch nach dem Essen zur Lernzeit wieder in die Schule zurück.
Bisher, so Vella, funktioniere die Tagesschule ohne grosse Probleme. Auch eine interne Befragung habe ein vorwiegend positives Feedback ergeben. Eine kleine Änderung habe die Schule aber bereits vollzogen: «Es hat sich herauskristallisiert, dass die Mittagszeit insbesondere für die Lehrpersonen als zu kurz empfunden wurde», erklärt der Schulleiter. «Nach fünf Lektionen und einem kurzen Mittagessen direkt mit der Lernzeit weiterzumachen, ist anspruchsvoll. Daher haben wir eine fünfminütige Pause eingeführt. Das klingt lächerlich, macht aber viel aus.»
Keine Hausaufgaben und handyfreie Zone
Und die Zeit, die sie über Mittag im Vergleich zu früher verlieren, gewinnen Schülerinnen und Lehrpersonen dafür am Nachmittag: Seit der Einführung der Tagesschule ist eine Viertelstunde früher Schulschluss. Das gebe den Lehrpersonen etwas mehr Zeit für Telefonate oder Unterrichtsvorbereitungen. Und auch den Jugendlichen komme das entgegen – zumal neu auch die Hausaufgaben passé sind: Dank der Lernzeit fällt diese Pflicht weg.
Der eng getaktete Mittag habe zudem weitere Vorteile, «denn wenn die Schülerinnen zu viel Zeit haben, wird diese meist am Handy verbracht», schildert Vella seine Erfahrungen. Deshalb habe sich die Schule zu einer zusätzlichen Neuerung entschieden: «Seit den Sommerferien gilt die Regel, dass die Jugendlichen ihre Handys morgens in einer Art Safe einschliessen.» Dies sei von den Jugendlichen und Eltern positiv aufgenommen worden. Und für den Schulbetrieb sei der Effekt spürbar: «Das Handy in der Hosentasche hat immer für viel Unruhe gesorgt», so Vella.
Von «stressig» bis «top»
Wie aber denken die Schülerinnen über die Tagesschule? M. aus der dritten Klasse der Sekundarschule steht dem Ganzen kritisch gegenüber. Sie gehe mittags lieber nach Hause, erklärt sie, da das Essen dort besser sei. Die Lernzeit besuche sie zwar, aber nur, weil sich Eltern und Lehrer das so wünschten. Die kurze Pause empfindet sie als stressig, sie würde lieber mittags noch ein wenig schlafen.
Positiver sehen das Yannik und Tim. Yannik hat im Sommer die Sekundarschule abgeschlossen. Ihm hat das neue System sehr zugesagt, insbesondere wegen der Lernzeit. Damit musste er zu Hause fast nichts mehr für die Schule tun. Sein Bruder Tim besucht die zweite Klasse, er findet die Oase «top», schätzt das abwechslungsreiche Essen, die grossen Portionen und das nette Personal. Nur der zeitige Schulbeginn stört ihn: «Immer früh aufstehen, das ist schon stressig», meint er. Ein Argument, für das der Schulleiter Verständnis hat: «Wir würden auch gerne später starten. Doch diese Entscheidung liegt nicht in unserer Kompetenz. Um den Lehrplan erfüllen zu können, ist der frühe Unterricht unabdingbar.»
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