Ein Blick auf vergangene Zeiten

Wie sah Zürich 3000 vor Christus aus? Welche Gebäude standen in der Stadt um 1800? Mittels digitaler 3D-Modelle kann man sich ein konkretes Bild von Zürichs Vergangenheit machen. Auch in Höngg gibt es einiges zu entdecken.

Ein bisschen gewachsen: der Meierhofplatz um 1800 und in der aktuellen Simulation. (Screenshot «Zürich 4D)

Das Amt für Städtebau ist innerhalb des Hochbaudepartements die Abteilung, die nicht nur für die Erstellung von Bauordnung und Zonenplänen, die Überprüfung von Baugesuchen und die Denkmalpflege zuständig ist, sondern auch für die Archäologie und die Dokumentation der Entwicklung der Stadt. So ist etwa im Baugeschichtlichen Archiv die Stadtgeschichte auf über 150’000 Fotografien abgelegt.

Dokumentiert wird jedoch auch im virtuellen Raum: Mit dem digitalen Zwilling hat die GIS-Abteilung des Amtes gemeinsam mit Geomatik und Vermessung ein 3D-Modell der gesamten Stadt mit allen ihren Gebäuden entwickelt, das mittels der webbasierten Applikation «Zürich 4D» der Öffentlichkeit zugänglich ist. So können Nutzer*innen nicht nur durch die aktuelle Stadt spazieren, auch die kurzfristige sowie mittelfristige Zukunft mit den geplanten und bereits bewilligten Bauprojekten sind in dem Modell zu sehen.

Um die Dimension Zeit erweitert

Zusätzlich verleiht das Amt im Rahmen eines wissenschaftstechnischen Pilotprojekts gemeinsam mit der Stadtarchäologie bis 2025 dem Modell nun auch noch eine historische Dimension. Mit insgesamt sechs verschiedenen Modellen, die jeweils eine andere Epoche abbilden, soll es so möglich sein, eine virtuelle Reise in die Vergangenheit zu unternehmen. Die ersten beiden historischen Modelle, die Zürich im Neolithikum, also um das Jahr 3000 vor Christus, sowie um 1800 abbilden, wurden im März letzten Jahres veröffentlicht.

Diese beiden Zeitpunkte wurden aus bestimmten Gründen gewählt: die Zeit um 1800, weil sie anhand von Plänen, Karten und weiteren historischen Quellen eine umfangreiche Datengrundlage bot und es ermöglichte, ziemlich präzise Informationen zu verarbeiten.

In Bezug auf die Zeit der Pfahlbauten führten kürzlich durchgeführte Grabungen und wissenschaftliche Auswertungen im Zusammenhang mit der Erweiterung des Kunsthauses oder beim Bau des Parkhauses Opéra zu neuen Erkenntnissen. Weiter stammen die Daten zum Neolithikum, «vornehmlich aus dem Archiv der Stadtarchäologie und der Unterwasserarchäologie Zürich und gehen zurück auf eine Vielzahl von Untersuchungen, die diese beiden Fachstellen durchgeführt und dokumentiert haben», erklären die Verantwortlichen für die Erstellung des historischen Zwillings, der Leiter der Stadtarchäologie, Stephan Wyss, sowie Christian Hürzeler, Stv. Leiter des GIS-Kompetenzzentrums, auf Anfrage.

5000 Jahre Geschichte per Knopfdruck abrufen

Bis Frühjahr 2024 sind zwei weitere Modelle geplant, die Zürich als römische Stadt (um 200 vor Christus) sowie im Spätmittelalter (um 1500) zeigen sollen. 2024/25 soll das Projekt schliesslich mit den Zeiten um 1200 sowie 1900 komplettiert werden. Nach der Fertigstellung wird so ein archäologisch-historischer Überblick über fast 5000 Jahre Siedlungsgeschichte entstanden sein – ein Stück Pionierarbeit: «Eine diachrone Präsentation der Stadtgeschichte ab den Ursprüngen bis zur Gegenwart – wie sie für Zürich vorliegt – ist einzigartig», erklären Wyss und Hürzeler. Sie existiere bis anhin für keine weitere Stadt. Schulwesen, Tourismusbranche und Game-Entwickler könnten nun von den Modellen ebenso profitieren wie interessierte Privatpersonen.

Leeres Höngg zu Zeiten der Pfahlbauten

Denn nutzen können die Informationen alle, die Zugang zu einem Computer haben: Die Anwendung ist einfach auf Computer oder Smartphone aufrufbar, läuft auf allen aktuellen Browsern und ist kostenlos nutzbar. Zur Simulation gelangt man über die Website der Stadt. Auch für Höngg lassen sich per Knopfdruck interessante Erkenntnisse gewinnen. Im Neolithikum sucht man hier zwar noch vergebens nach Zeichen menschlichen Lebens: Das Quartier besteht laut Simulation eigentlich nur aus Bäumen und Wiesen. Die einzigen Siedlungsformen zu dieser Zeit finden sich am linken Seeufer auf Höhe des Opernhauses, kleine Pfahlbausiedlungen im Wasser.

Anders präsentiert sich das Bild jedoch um 1800: Höngg ist jetzt belebt, rund um den Meierhofplatz hat sich eine kleine Siedlung etabliert, die Kirche befindet sich bereits im Dorf. Und ein Grossteil des Waldes, der hier noch im Neolithikum wuchs, ist bereits gerodet. Der Meierhofplatz ist mit dem Rütihof, der tatsächlich aus nicht viel mehr als ein paar Gehöften besteht, bereits durch einen Weg verbunden. An der Limmat dagegen ist zu dieser Zeit noch kaum Siedlungsstruktur zu finden.

Zuweilen ist Geduld gefragt

Besonders erhellend sind die Modelle, wenn zwei verschiedene Zeitpunkte direkt miteinander verglichen werden: Über das Teilen des Bildschirms können etwa 1800 und die Neuzeit gegenübergestellt werden. Veränderungen im Quartier lassen sich so auf einen Blick erkennen. So lässt sich jede Adresse zu jeder Zeit suchen. Gibt man die Adresse ein, zoomt die Applikation zum gewünschten Ort. Wer die einzelnen Häuser dann anklickt, erhält stichwortartige Informationen dazu. Informationen darüber, ob das Gebäude heute noch steht und in welchem Jahr es erbaut wurde, lassen sich zwar nicht im historischen Modell abrufen, dafür aber im aktuellen Zeitschnitt.

Ein bisschen Geduld ist allerdings gefragt: Aufgrund der grossen Datenmengebauen sich die Zeitschnitte zuweilen nur sehr langsam auf. Kleiner Tipp: Die Schnelligkeit lässt sich erhöhen, wenn in der Applikation beim Button mit der Sonne die Qualität auf «Performanz» geändert wird.

Zürich 4D

Betrachten Sie die Stadt Zürich und ihre über 50’000 Gebäude oder verfolgen Sie die bauliche Entwicklung in Raum und Zeit. In der interaktiven Webkarte Zürich 4D lassen sich Hochbauprojekte, Gestaltungspläne oder abgeschlossene Architekturwettbewerbe visualisieren. Alle Daten werden regelmässig aktualisiert. (Quelle: Stadt Zürich Hochbaudepartement)

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