Die VBZ haben viel vor

Am Mittwoch, 19. Juni, stellten Stadtrat Andres Türler und VBZ-Direktor Guido Schoch den Medien die neue VBZ-Netzentwicklungsstrategie «züri-linie 2030» vor. Sie berücksichtigt die Entwicklungen der letzten Jahre sowie die jüngsten Prognosen zum Wachstum von Bevölkerung, Arbeitsplätzen und Verkehrsströmen.

Die VBZ werden auch in Zukunft vielfältig unterwegs sein.

Die neue Strategie baut auf der Prognose auf, dass die Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) − die bereits heute mit rund 880 000 Personen täglich nur rund 10 % Personen weniger befördert als die SBB auf ihrem ganzen Netz − bis 2030 mit einem Zuwachs um 30 % auf täglich 1,16 Millionen Fahrgästen zu rechnen hat. Mit längeren Fahrzeugen und – falls überhaupt möglich – einem dichteren Taktfahrplan alleine ist dies nicht zu bewerkstelligen. Bleibt nur der geplante Netzausbau. Grundlage dafür bot das Liniennetzkonzept 2025, das die VBZ vor erst sieben Jahren veröffentlichten. Doch inzwischen haben sich verschiedene Rahmenbedingungen geändert, was die VBZ veranlasste, ihre damalige Studie zu überarbeiten.

Neu drei Zentren im Zentrum statt nur eins

Heute ist das Netz der VBZ weitgehend sternförmig zum Hauptbahnhof ausgerichtet und stösst insbesondere dort an seine Grenzen. Deshalb soll das Netz 2030 neu auf die drei Zentren Innenstadt, Oerlikon und Altstetten ausgerichtet sein, die attraktiv untereinander verbunden werden. Damit soll auch eine bessere Verknüpfung mit den S-Bahnhöfen erreicht werden, welche für auswärtige wie hiesige Pendler immer wichtiger werden, denn auch sie wollen und sollen nicht immer zwingend über den Hauptbahnhof reisen. Verschiedene Streckenverlängerungen und Ausbauten sollen hier bessere Vernetzungen schaffen.

Grössere Dynamik in Zürich-Nord und Zürich-West

Zwei Vorhaben aus der Studie 2025 sind heute Realität: die Verlängerung der Tramlinie 5 bis Laubegg sowie das Tram Zürich-West. Die Planungsarbeiten zur Tramverbindung Hardbrücke und zur Verlängerung der Tramlinie 2 nach Schlieren zusammen mit der Limmattalbahn sind auf gutem Weg, halten die VBZ fest. Ebenso das Rosengartentram, auch wenn es am Planungshorizont nach hinten gerückt ist, weil Veränderungen auf dieser Achse gleichzeitig eine Lösung für den motorisierten Individualverkehr bieten müssen. Die VBZ rechnen aber mit einer Realisierung bis 2030. Das Wachstum der Bevölkerung und der Arbeitsplätze verläuft rasanter und in den verschiedenen Gebieten anders als noch 2006 angenommen. Besonders starke Verkehrsströme werden nun zwischen Zürich-Nord (Affoltern, Oerlikon) und Zürich-West (Altstetten) sowie von dort in Richtung City erwartet, hingegen dürfte die Dynamik im südlichen Stadtraum weniger hoch sein als früher angenommen. Daraus ergibt sich unter anderem, dass das Tram Affoltern bereits bis 2023 gebaut werden soll und bis 2028 eine weitere Linie, die Nordtangente, Affoltern mit Oerlikon und Stettbach verbinden soll.

Elektrisch nach und durch Höngg

Vorwärtsgehen soll es auch beim Busnetz. Hier stehen nebst Buskonzepten für die beiden Subzentren Oerlikon und Altstetten sowie verschiedene weitere Ausbauten auch die Elektrifizierung der Linien 69 und 80 an, realisiert zwischen 2016 und 2019. Beide Linien leiden bekanntlich unter alarmierenden Kapazitätsengpässen, zumindest zu den Hauptverkehrszeiten in Richtung ETH Hönggerberg. Elektrische Fahrzeuge sind gegenüber dieselbetriebenen leistungsfähiger, da sie länger sind – man denke an die Doppelgelenkbusse, welche optimal ausgenutzt 128 Plätze bieten anstatt nur 98, wie die besten dieselbetriebenen Gelenkbusse. Und sie kommen zum Beispiel an der steilen Gsteigstrasse auch vollbesetzt nicht an ihre Leistungsgrenze. Es wird mit 44 Millionen Franken Investitionskosten für beide Linien gerechnet. Zu prüfen, so heisst es im Konzept, seien auch Eilbusse der Linie 46, welche ab Meierhofplatz mit einem einzigen Halt in Wipkingen bis zum HB fahren würden.

Am Wasser, diesseits und jenseits der Limmat

Zur bereits auf politischer Ebene angeregten neuen Busverbindung Rütihof via Frankental über die Strasse Am Wasser zum Hauptbahnhof heisst es im Synthesebericht zur Strategie, dass sich damit keine schnelleren Verbindungen Richtung HB/City erzielen liessen, insbesondere nicht «mit der geplanten Tempo- 30-Zone Am Wasser». Die VBZ setzen weiterhin darauf, das Höngger Gebiet in Limmatnähe über die Tramlinie 17 – die ehemalige Linie 4 − auf der anderen Flussseite zu erschliessen. Diese soll Ende 2013 zu Hauptverkehrszeiten bis Albisgüetli verlängert werden. 2018 muss man sich gemäss Planung wieder umgewöhnen: Dann, wenn die Linie 8 über die neue Tramverbindung Hardbrücke vom Hardplatz via Escher-Wyss-Platz ins Werdhölzli verlängert werden kann. Die Linie 17 wird nach Inbetriebnahme dieser Tramverbindung nicht aufgehoben, fährt aber nur noch zu den Hauptverkehrszeiten zwischen Hardturm und Albisgüetli.

Prognosen treffen nicht immer zu

Die VBZ rechnen für die kurz- und mittelfristigen Massnahmen bis ins Jahr 2025 mit Investitionen von etwa 430 Millionen Franken. Mit dem erweiterten Angebot steigen auch die Betriebskosten, die sich aber mit den Einnahmen von jährlich etwa 60 Millionen zusätzlichen Fahrgästen decken lassen. Der Stadtrat zeigt sich überzeugt, dass die Netzentwicklungsstrategie 2030 den künftigen Bedürfnissen nach Mobilität in der Stadt Zürich gerecht wird. Er wird sie dem Zürcher Regierungsrat zur Kenntnis bringen und die Aufnahme der Ausbauprojekte in die Finanzplanung beantragen

Sinnieren über Prognosen und Realitäten

Auf die leicht provokant gestellte Frage eines Journalisten, warum gewisse im vor sieben Jahren vorgestellten Liniennetzkonzept 2025 enthaltenen Elemente nun aus der Netzentwicklungsstrategie 2030 verschwunden seien, resümierte Andres Türler, dass dies in der Natur der Zeit liege: Je mehr von der prognostizierten Zukunft zu Gegenwart und Vergangenheit geworden sei, desto mehr würden aus Prognosen Realitäten, was eben nicht immer übereinstimme. Dies, so ist heute anzunehmen, wird auch für die nun vorgestellte Strategie «züri-linie 2030» zutreffen. Doch ohne jede Strategie würde Zürich bald stillstehen. Und bei Planungshorizonten, welche schnell mal in die Jahrzehnte gehen, muss man irgendwann auf irgendeiner Grundlage ja mal starten.

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