Die Polizei mein Feind oder doch Freund?

Es gibt Jugendliche, die haben ein etwas ambivalentes Verhältnis zur Polizei. Gerade diejenigen, die oft im öffentlichen Raum verkehren, treffen vor allem im Sommer hin und wieder auf patrouillierende Polizisten. Dabei wird diese Polizeipräsenz als Provokation wahrgenommen. Die Jugendarbeit des GZ Höngg/Rütihof gab den Schülerinnen und Schülern der 2. Sekundarklasse AB von Christian Weber die Möglichkeit, ihrem Missmut Luft zu machen, indem sie ihre Fragen und Vermutungen direkt der Polizei stellen. Martin Niederer, stellvertretender Leiter und Polizist beim Jugenddienst der Stadtpolizei Zürich stand den Schülerinnen und Schüler Rede und Antwort.

Martin Niederer vom Jugenddienst der Stadtpolizei im Schulunterricht der 3. Sekundarklasse von Christian Weber.

Was bedeutet eigentlich legal und illegal? Und was heisst das in der Konsequenz?

Martin Niederer: Damit das Zusammenleben unter Menschen funktioniert braucht es Regeln. Das gleiche gilt auch in der Schule, wenn jeder dann zur Schule kommen würde, wann er oder sie will, dann würde das hier in der Schule auch nicht funktionieren. Genau das gleiche gilt für alle anderen Bereiche. Im Strassenverkehr haben wir Regeln und auch wenn es um die Gesundheit geht, weil die Menschen sonst nicht so gut zu ihrer eigenen Gesundheit schauen würden. Jedenfalls ist es so, dass wir einen Gesetzgeber haben. Der Gesetzgeber ist das Volk bzw. das Parlament. Dieses hat die Regeln definiert. Beim Staat heissen die Regeln halt Gesetze und Verordnungen. In diesen steht, was verboten ist und welche Strafe man erhält, wenn man die Straftat trotzdem begeht. Alles was nicht darin steht, ist dementsprechend erlaubt. Erlaubt heisst legal, also vom Gesetz zugelassen. Illegal heisst das, was vom Gesetz nicht toleriert wird und mit einer Sanktion bestraft wird.

Wieso ist Graffiti sprayen illegal?

Bei Graffitis redet man von Sachbeschädigung. Wenn irgendjemand etwas an euer Haus oder Wohnung sprayen würde, wärt ihr unter Umständen auch nicht glücklich damit. Deshalb reden wir hier von einer Sachbeschädigung. Dabei geht es darum, dass die Wand dann nicht mehr so aussieht, wie sie vorher aussah. Ein Graffiti kann auch dazu führen, dass die Wand oder das Haus plötzlich weniger wert hat. Die Sache soll so bleiben können, wie sie ist und nicht einfach von irgendwelchen Personen verändert werden, ohne dass die Person, der es gehört, jemanden einen Auftrag erteilt hat. Jetzt ist es aber so, dass Sprayen ein Antragsdelikt ist. Das heisst, die geschädigte Person kann selber entscheiden, ob sie im Falle von Graffitis will, dass der Täter bestraft wird oder nicht.

Welche Straftaten unterscheidet man voneinander?

Man unterscheidet Antragsdelikte von Offizialdelikten. Beim Antragsdelikt muss der Geschädigte bei der Anzeige bei der Polizei einen Strafantrag stellen, damit die Straftat verfolgt wird und der Täter dafür bestraft wird. Sachbeschädigungen zum Beispiel sind Antragsdelikte. Eine Ohrfeige zum Beispiel ist eine Tätlichkeit und auch ein Antragsdelikt, auch das braucht einen Strafantrag, das wird nicht von Gesetzes wegen verfolgt. Eine leichte Körperverletzung, zum Beispiel ein «blaues Auge», ist ein Antragsdelikt. Dann gibt es aber auch Offizialdelikte. Offizialdelikte sind alle Straftaten, bei denen es keinen Antrag braucht, damit die Polizei die Sache verfolgt. Sobald die Polizei von einem Offizialdelikt erfährt, muss sie der Sache nachgehen – weil es so im Gesetz steht. Wenn wir im Falle eines Offizialdelikts nicht handeln, dann machen wir uns strafbar. Ein Beispiel dafür ist, wenn eine Person eine andere Person mit einem Messer verletzt, dann ist das keine einfache Körperverletzung, sondern eine Körperverletzung, die mit einem gefährlichen Gegenstand ausgeführt wurde. In einem solchen Fall muss die Polizei handeln. In diesem Fall ist es für die Polizei auch unbedeutend, ob du diese Person magst, die Person dein Kumpel ist, oder nicht. Es ist auch egal, ob diese Körperverletzung aus Versehen passiert ist. Die Polizei muss so oder so handeln, da gibt es keinen Ermessenspielraum.

Wie ist es bei Mobbing, muss die Polizei da intervenieren?

Bei Mobbing ist es etwas kompliziert. In der Schweiz gibt es keinen Straftatbestand «Mobbing». In Österreich zum Beispiel gibt’s diesen Straftatbestand. Mobbing setzt sich zusammen aus ganz vielen möglichen Straftatbeständen. Da sind zum Beispiel ehrverletzende Äusserungen oder Belästigungen und Beschimpfungen. Im Chat oder auch persönlich. Es könnten aber auch Nötigungen im Mobbing enthalten sein. Nötigung ist ein Offizialdelikt. Je nachdem wie das Mobbing passiert, muss es die Polizei sowieso verfolgen. Ein Beispiel für eine Nötigung wäre: «Wenn du mir dein Pausenbrot nicht gibst, dann lass ich dich nicht ins Schulhaus rein». Wenn derjenige, welcher die Nötigung ausgesprochen hat, genau weiss, dass die Person, die er nötigt bereits eine Verwarnung vom Lehrer hat, weil die Person immer zu spät kommt, dann wird die genötigte Person das Brötchen rausgeben, weil sie sonst vielleicht eine Strafe erhält. Das zum Beispiel ist bereits eine Nötigung. Eine Nötigung, weil die Person einen Nachteil hat, wenn sie der Drohung nicht nachkommt. In diesem Fall muss die Polizei handeln, weil es ein Offizialdelikt ist. Bei Mobbing kann es aber auch zu Gewaltübergriffen kommen, und da sind wir wieder bei Tätlichkeiten oder vielleicht auch Körperverletzungen. Wenn jemand herumgestossen wird, dann ist das strafrechtlich gesehen eine Tätlichkeit, und das ist wie gesagt ein Antragsdelikt. Wenn man aber geschlagen oder mit einem Messer bedroht und verletzt wird, dann sprechen wir je nach Schwere der Verletzungen wieder von einem Offizialdelikt. Darum sage ich, bei Mobbing ist das etwas kompliziert.

Wie viel Spielraum hat der Jugenddienst in Hinblick auf die Strafe?

Die Polizei bestraft nicht. Das ist nicht die Aufgabe der Polizei. Die Polizei hat den Auftrag, den Sachverhalt zu klären. Somit stellt sich immer die Frage: Was ist wirklich passiert? Und dann geht es darum, den Sachverhalt der entsprechenden Behörde weiterzuleiten. Bei Jugendlichen ist das die Jugendanwaltschaft. Über die Strafe entscheidet schliesslich der Jugendanwalt beziehungsweise die Jugendanwältin, und in extrem Fällen entscheidet das Jugendgericht. Bei Jugendlichen ist alles etwas speziell, es ist nicht wie bei Erwachsenen. Den Erwachsenen wird dann zum Beispiel fürs Kiffen eine Ordnungsbusse ausgehändigt oder für zu schnelles Fahren oder fürs falsch Parkieren eine Ordnungsbusse. Dort kann der Polizist direkt eine Busse aushändigen. Bei Jugendlichen geht das nicht, da gibt es immer gleich eine Anzeige an die Jugendanwaltschaft und diese entscheidet dann, welche Strafe die Jugendlichen erhalten. Ein Spielraum besteht nur dann, wenn man sich fragen kann, ob es sich um ein Antragsdelikt oder um ein Offizialdelikt handelt. Wenn es sich um ein Antragdelikt handelt, dann ist die Polizei stets bemüht, die Parteien darauf hinzuweisen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, die Situation zu lösen, denn es muss ja nicht immer einen Antrag und damit eine Anzeige geben. Vielleicht kann man ja miteinander reden, vielleicht können auch mal die Eltern miteinander reden, oder vielleicht braucht es auch mal die Jugendarbeit als Unterstützung. Da hat die Polizei einen gewissen Spielraum. Wenn wir aber von einem Offizialdelikt sprechen, wie zum Beispiel bei einer Übertretung mit Cannabiskonsum, -handel, oder -besitz, dann muss ich handeln, als Polizist. Wenn ich das nicht mache, dann mache ich mich strafbar. Wenn ein Polizist eine Anzeige bekommt, dann ist er meistens mit einem Fuss im Gefängnis, weil das dann nicht eine kleine Sache ist, dann ist das nämlich eine Begünstigung meinerseits. Dann begünstige ich euch dabei, dass ihr keine Strafe bekommt. Und das ist eigentlich nicht in meiner Kompetenz, dass liegt in der Kompetenz des Jugendanwalts, das zu entscheiden. Ich schreibe nur die Anzeige.

Jetzt haben Sie was zu Übertretungen, Offizialdelikten und Antragsdelikten gesagt. Es ist schwierig all dem zu folgen, können Sie nochmals kurz erklären, welcher Zusammenhang zwischen all diesen Begriffen besteht?

Also es ist so, grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Antragsdelikten und Offizialdelikten. Das bezeichnet, ob die Polizei von sich aus handeln oder aber zuerst vom Geschädigten einen Antrag zur Behandlung des Falles erhalten muss. Dann unterscheiden wir in Bezug auf die Schwere der Tat zwischen Übertretungen, Vergehen und Verbrechen. Also bei Übertretungen ist es so, dass Gesetze übertreten werden, das klingt ja bereits so als hätte man eine Grenze überschritten. Bei Übertretungen geht es um Handlungen wie zu schnelles Fahren, oder wenn man nachts mit einem Fahrrad ohne Licht herumfährt, bei Rot über den Fussgängerstreifen geht oder eben am Kiffen ist. Das sind alles Übertretungen. Das sind grundsätzlich verbotene Sachen, die aber im Vergleich zu anderen Straftaten eher kleiner sind. Wenn ich aber zum Beispiel eine Waffe mitnehme, etwa ein Butterflymesser oder mit Cannabis Handel betreibe, dann reden wir bereits von einem Vergehen. Das wäre die nächste, schon etwas gravierendere Stufe. Schliesslich gibt es noch Verbrechen, dazu gehören zum Beispiel Mord, Raub oder Einbruchdiebstahl. Das Strafmass unterscheidet sich mit der Qualifizierung der Straftat, als Übertretung, Vergehen oder Verbrechen. Bei einer Übertretung gibt es meistens eine Busse oder bei Jugendlichen auch mal eine Verwarnung bzw. einen Verweis.Bei einem Vergehen, reden wir bereits schon über eine mögliche Haftstrafe. Bei einem Vergehen muss abgeklärt werden, ob es sich um ein Offizialdelikt oder um ein Antragsdelikt handelt. Bei einem Verbrechen wird meist eine längere Gefängnisstrafe ausgesprochen. Die Übertretungen werden von einem anderen Gericht ausgesprochen als die Vergehen und Verbrechen. Jedoch ist es bei Jugendlichen immer so, dass der Fall der Jugendanwaltschaft übermittelt wird. Es ist egal, was Jugendliche verbrechen, der Fall wird immer von einer Jugendanwaltschaft behandelt und beurteilt. Verbrechen sind immer Offizialdelikte. Die müssen wir von der Polizei per se verfolgen. Im Strafgesetzbuch steht jeweils, ob ein Delikt nur auf Antrag verfolgt wird. Ausserdem ist die mögliche Maximalstrafe erwähnt. Wenn der Zusatz «wird auf Antrag verfolgt» nicht vermerkt ist, dann ist es automatisch ein Offizialdelikt. Und sobald es ein Offizialdelikt ist, muss die Polizei handeln.

Jetzt haben Sie aber gesagt, Cannabiskonsum sei eine Übertretung und trotzdem gilt es als Offizialdelikt für Jugendliche. Können Sie das nochmals kurz erklären?

Auch für Erwachsene gilt das als Offizialdelikt. Das ist etwas kompliziert. Die Schwierigkeit liegt darin, dass wir Unterschiede machen, je nach Alter. Also, es ist folgendermassen: In der Cannabis-Pflanze hat es einen berauschenden Wirkstoff, das THC. Wenn der THC-Gehalt kleiner ist als 1%, dann ist dieses Cannabis legal, sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene. Problematisch daran ist, dass fast alles, was es überhaupt auf dem Markt gibt, einen THC-Gehalt hat, der massiv höher ist als diese 1%. Bei dem Hanf, der unter 1% THC-Gehalt hat, reden wir von Industriehanf. Alles darüber ist verboten. Für Jugendliche ist es so, dass ihr nur eine einzige Sache mit Cannabis machen dürft: Ihr dürft Cannabis anschauen. Ich sage an dieser Stelle nicht, wie der Alltag aussieht. Mir ist durchaus bewusst, dass einige von euch mehr damit machen, als die Pflanze lediglich anzuschauen. Der Punkt ist jedoch der, dass ihr gar nichts machen dürft mit Cannabis, das einen THC-Gehalt von über 1% hat, weil eure Gesundheit so hoch gewichtet und bewertet ist. Ihr dürft also auch keine Pflanze zu Hause haben, die einen THC-Gehalt von über 1% hat. In diesem Moment würdet ihr nämlich in Besitz von Cannabis sein, und auch das ist verboten. Verkaufen dürft ihr auch nicht. Konsumieren dürft ihr auch nicht. Anschauen, das dürft ihr.

Aber Ärzte arbeiten auch mit Cannabis, wie ist denn das so?

Der Arzt verschreibt Cannabis nur auf Rezept. Ausserdem brauchen Ärzte für jeden Einzelfall eine Bewilligung. Zudem wird medizinisches Cannabis meist in Tablettenform verabreicht. Rauchen wird in den wenigstens Fällen als «medizinische Indikation» angeschaut. Ich kenne nur einen Fall, in dem das Rauchen von Cannabis vom Arzt verschrieben worden ist.

Wenn ich mit meinem Bruder unterwegs bin und er Cannabis dabei hat, das einen THC-Gehalt von unter 1% hat und er das dann raucht und ich daneben sitze und die Polizei genau in diesem Moment vorbeikommt. Mache ich mich in diesem Fall auch strafbar?

Niemand von euch macht sich dann strafbar. Weil es ist unter 1%. Das darf er dabei haben. Das dürftest auch du. Aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass er Cannabis dabei hat, das einen THC-Gehalt von unter 1% hat. Wenn jemand sagt, dass es unter 1% THC-Gehalt hat, kann dies dazu führen, dass die Polizei die Ware mitnimmt und untersuchen lässt. Das kostet mehrere 100 Franken. Und wenn es tatsächlich unter 1% THC- Gehalt hat, dann zahlt der Staat die Kosten der Auswertung – hat es mehr, dann gibt’s eine saftige Rechnung. Weil ihr einerseits beim Konsumieren von Cannabis erwischt wurdet und andererseits schuldig seid wegen des zu hohen THC-Gehalts. Deshalb zahlt diese Person dann auch die Kosten der Untersuchung.

Aber man kann dieses Cannabis, welches unter 1% THC-Gehalt überall kaufen?

Ja, im Moment kann man Cannabis kaufen, das einen THC-Gehalt von unter 1% hat. Wir wissen aktuell nicht, ob das nur ein Hype ist – weil die Wirkung hat man damit nicht. Unter einem Prozent machst du eigentlich nichts anderes, als Tabak zu rauchen, du hast damit im Prinzip keine berauschende Wirkung. Man kann dann auch nicht ganz viel rauchen und dann hat man eine Wirkung, das funktioniert nicht. Der THC-Gehalt muss schon genug hoch sein, um eine bestimmte Wirkung entfalten zu können. Und unter 1 % funktioniert das einfach nicht. Das ist dann lediglich ein Placebo-Effekt.

Was sagt dann das Bundesgesetz zu Betäubungsmittel?

Das Bundesgesetz ist extrem rigoros. Es bestraft selbst, wer Anstalten dazu trifft, Betäubungsmittel zu kaufen. Wir hatten einmal folgenden Fall: Eine Person ist zum Bankomaten gegangen, um Geld abzuheben, um damit Cannabis zu kaufen. Auf dem Weg zum Händler wurde die Person kontrolliert. Die Person hat dann die Aussage gemacht, dass sie unterwegs war, um etwas zu kaufen, aber sie hatte das Betäubungsmittel in diesem Moment nicht bei sich. Das hat damals bereits gereicht, um eine Anzeige zu erstatten. Durch das Abheben des Geldes zum Zweck des Erwerbs von Cannabis hatte er Anstalten zum Kauf von Cannabis gemacht. Er hatte nicht gewusst, dass das bereits reicht, um eine Anzeige zu kriegen. Im Moment, in dem er diese Aussage getätigt hat, muss die Polizei handeln.

Aber irgendwie macht das ja alles keinen Sinn. Wenn man kein Cannabis besitzen darf, dann kann man es ja auch nicht anschauen und Sie haben gesagt, dass man Cannabis nur anschauen darf.

Doch. Stellt euch vor, eine erwachsene Person hat in ihrem Garten irgendwo eine solche Pflanze. Sie wächst einfach. Dann darfst du sie anschauen. Aber wenn du sie besitzt, dann machst du dich strafbar. Dabei ist die Menge völlig irrelevant. Bei Minderjährigen gibt es keine Freigrenze von zehn Gramm. Bei Erwachsenen über 18 Jahren gibt es diese. Dabei geht es um eine Freigrenze für den Besitz für den Eigenkonsum. Aber Achtung. Hier geht es nur um den Besitz. Wenn die erwachsene Person, den Joint einfach mit sich trägt, dann ist das okay. Aber wenn ich die Person beim Rauchen erwische, dann macht sich auch die Erwachsene Person strafbar. Das Gesetz ist etwas kompliziert. Aber ihr müsst wissen, dass diese Gesetze nicht von Polizisten gemacht wurden. Wir müssen die Gesetze nur umsetzen. Das Parlament hat dieses Gesetz verabschiedet. Also nochmals: Über 18-Jährige können Cannabis kaufen und machen sich dadurch nicht strafbar. Der Verkäufer macht sich strafbar. Es gibt eine Freigrenze von zehn Gramm. Eine erwachsene Person darf bis zehn Gramm dabeihaben, ohne bestraft zu werden. Jedoch ist der Konsum im öffentlichen Raum, also draussen, verboten und damit auch strafbar.

Wenn Sie auf eine Gruppe stossen und dann eine Tüte mit Cannabis am Boden sehen und niemand zugibt, dass die Tüte jemandem gehört. Was machen Sie dann?

Erstmal stellen wir alles sicher, was wir finden. Wenn wir die Tüte jemandem Zuweisen können, dann gibt es eine Anzeige. Wenn man es nicht zuweisen kann, wenn man nicht herausfindet, wer es war und ich es nicht beweisen kann, dann bleibt es zunächst mal sichergestellt. Gewisse Dinge kann ich euch aber nicht sagen, weil sie die Polizeitaktik betreffen. Wir geben natürlich nicht preis, wie wir diese Ermittlung führen. Ich verstehe, dass das der interessante Part wäre. Aber was ich euch mitteilen möchte ist, dass es Möglichkeiten gibt, eine Tüte einer Person zuzuweisen. Nicht in jedem Fall, aber es gibt Möglichkeiten. Wenn ich es zuweisen kann, ist es strafbar, wenn ich es nicht zuweisen kann, dann wird die Tüte einfach als Fund von der Polizei vernichtet.

Wie ist es, wenn ich 18 bin und ich zu Hause Cannabis rauche und der Nachbar Sie anruft, um mal bei mir anzuklopfen und zu schauen, ob alles mit rechten Dingen vor sich geht?

Nun eigentlich ist das kein Grund, um sich einen Durchsuchungsbefehl vom Staatsanwalt geben zu lassen. Ausser es besteht der dringende Verdacht, dass in diesem Haushalt mit Cannabis gehandelt wird. Wenn ich als Polizist in eine Wohnung eindringe, in welche ich eigentlich nicht reindarf und ich keinen Hausdurchsuchungsbefehl von einem Untersuchungsrichter habe, dann begehe auch ich einen Hausfriedensbruch und mache mich strafbar. Ein Hausfriedensbruch ist ein Antragsdelikt und ein Vergehen, der Wohnungsmieter kann eine Anzeige gegen mich erstatten.

Ich verstehe immer noch nicht, weshalb Alkohol legal ist, obwohl es so schädlich ist und das noch für einen viel günstigeren Preis?

Da hast du recht. Das unterschreibe ich absolut. Aber ich bin auch nur einer von Millionen von Schweizern, der mitbestimmen kann, ob ich will, dass der Konsum von Cannabis bestraft wird, oder ob ich will, dass Cannabis legalisiert wird. Das ist der Punkt, schliesslich läuft das alles über die Politik, und am Schluss kann das Volk darüber entscheiden, ob es diese Legalisierung will oder nicht. Das ist die Gesellschaft, die das entscheidet. Es gab solche Initiativen. Aber die Bevölkerung wollte Cannabis nicht legalisieren. Und jetzt kommt die Polizei. Die Polizei hat lediglich die Aufgabe, diese Gesetze umzusetzen. Die Polizei ist eigentlich von der Gesellschaft angestellt, um die Gesetze durchzusetzen. Vielleicht gab es sogar Polizisten, die eigentlich für die Legalisierung von Cannabis Ja gestimmt haben. Trotzdem: Die Aufgabe der Polizei ist es, diese Gesetze einzuhalten und sie umzusetzen.

Wenn Sie an einer Gruppe von Jugendlichen vorbeilaufen und Sie sehen, dass alle bekifft sind und rote Augen haben, aber Sie finden nicht direkt Cannabis bei ihnen. Was machen Sie dann? Nehmen Sie die Jugendlichen direkt mit? Man kann Cannabis ja erst nach zwölf Stunden im Blut nachweisen!

In dieser Situation geht es nicht darum, nachzuweisen, ob jemand gekifft hat oder nicht. Das Problem ist vielmehr, dass ihr euch in einem solchen Zustand befindet, euch im öffentlichen Raum bewegt und ihr nicht 18 Jahre alt seid. Wenn du dann auf mich berauscht wirkst, aber ich das in diesem Moment nicht beweisen kann, dann ist das allerdings das kleinste Problem, das du hast. Die Polizei wird dich in einer solchen Situation mitnehmen, deine Eltern anrufen und sie über deinen Zustand informieren und dies egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Deine Eltern werden aufgefordert, dich abzuholen. Und das ist eigentlich genau der Punkt, der dir nicht wirklich Spass macht. Es geht ja darum, dass wir euren Eltern gegenüber aufzeigen wollen, dass irgendwas nicht gut ist und sie sich mit euch befassen sollten.

Was ist, wenn wir von der Polizei wegrennen?

Also wenn ich mich als Polizist erkennbar mache, dann widersetzt du dich einer Aufforderung eines Staatsorgans. Weil der Staat mir bei einem Verdachtsmoment gegen dich den Auftrag gegeben hat, dich zu kontrollieren. Das heisst, wenn ich dich dazu auffordere stehen zu bleiben, dann hast du dem Folge zu leisten.

Und wenn ich meine Kopfhörer aufhabe?

Moment, Moment, da können wir extrem lange diskutieren und wir kämen nicht weiter.

Sie haben gesagt, dass Sie keine Hausdurchsuchung machen können ohne Hausdurchsuchungsbefehl. Wie ist es, wenn Polizisten nach unserer ID fragen und uns durchsuchen. Sie haben ja dann kein Einverständnis unsererseits.

Das braucht die Polizei auch nicht.

Um ein Haus durchsuchen zu können, brauchen Sie einen Durchsuchungsbefehl. Mein Körper ist ja auch «mein Haus» sozusagen, wieso muss ich mich trotzdem von der Polizei kontrollieren lassen?

Ich finde diese Frage ziemlich gut. Wenn wir ab sofort deine Regel für alles, was die Polizei macht, verwenden, dann wird es für uns schwierig. Niemand lässt sich mehr kontrollieren. Wenn jemand eine Waffe dabei hat und sich diese Person nicht mehr kontrollieren lässt, dann haben wir ein grosses Problem. Dann sagen alle Menschen, dass sie sich nicht kontrollieren lassen und ich zuerst von der Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbefehl holen soll. In diesem Moment wird der Staat handlungsunfähig. Also läuft jeder mit einer Waffe rum, jeder hat Rauschmittel dabei und die Gesetze werden nicht mehr umsetzbar. Damit die Polizei aber die Gesetze umsetzen kann, gibt es ein Polizeigesetz. In diesem Polizeigesetz steht, dass ich jederzeit jede Person durchsuchen darf, sobald ich irgendeinen Verdacht habe, dass etwas nicht stimmt.

Dann kann ja jeder sagen, dass er die Polizei ist und mich untersuchen?

Hatte die Person eine Uniform an?

Ja.

Gut. Dann ist es so, dass eine Polizeiuniform genügend Legitimation ist. Denn in der Schweiz ist es so, dass nur die Polizei in Besitz von Polizeiuniformen ist. Es sind keine Polizeiuniformen im Umlauf, die nicht der Polizei gehören. Da habt ihr zu viel TV geschaut, das gibt es in der Schweiz nicht. Wenn es ein ziviler Polizist ist, dann muss er sich – wenn es die Umstände zulassen, ausweisen.

Mache ich mich strafbar, wenn ein Polizeiauto vorbeifahrt und ich dem Auto «Bulle» nachrufe?

Der Punkt ist der: Auch als Polizist bin ich ein Mensch. Hinter der Uniform steckt ein Mensch. Und als Mensch habe ich genau die gleichen Rechte wie du auch. Wenn mich das Wort «Bulle» beleidigt, dann kann ich eine Anzeige machen, wegen Ehrverletzung. Genau gleich, wie du das auch machen könntest. Was es zu wissen gilt ist, dass Polizisten das Recht hätten, eine Anzeige zu machen. Zwar hat man als Polizist ein ziemlich dickes Fell und erträgt ziemlich viel. Ich persönlich ertrage auch Beschimpfungen über meine Mutter. Da drehe ich nicht gleich durch. Das lässt mich ziemlich locker.

Wenn ich ACAB sage zum Beispiel, mache ich mich dann strafbar? Ich meine, dass könnte auch heissen «all cops are beautiful».

Das ist im Prinzip auch das, was ich als Antwort auf ACAB bringe. Nein, letztlich geht’s ja darum, dass ACAB nichts ist, das man sagt, vielmehr steht das an Wänden. Und dann reden wir wieder von Sachbeschädigungen. Sachbeschädigungen sind wie vorhin bereits erwähnt Antragsdelikte. Es geht oft nicht, dass ich mich in meiner Ehre verletzt fühle, sondern vielmehr, dass du eine Wand beschädigt hast. Und wenn du mir das in einer Situation sagst, dann ist es jedem Polizisten selber überlassen, ob er sich betupft fühlt, oder ob ihn das kalt lässt.

Zählen Kleber, die man an die Wand macht, auch als Sachbeschädigung?

Das kommt auf den Kleber an. Es gibt im Moment zum Beispiel viele FCZ-Kleber, die werden überall hingeklebt und dann geht es darum, dass man extrem viel Aufwand damit hat, diese Kleber wieder zu entfernen. Für euch wichtig zu wissen ist: Bei Staatseigentum kommt es nahezu immer zu einem Strafantrag. Wenn man an ein Staatsgebäude sprayt oder dieses beklebt, dann wird das grundsätzlich angezeigt, egal wie klein oder wie gross die Sachbeschädigung ist.

Ich habe ein Mofa und ich fahre damit rum. Ich weiss, wenn ich Cannabis geraucht hätte, dann könnte mir der Fahrausweis entzogen werden. Wenn ich aber passiv beim Kiffen dabei war, aber eigentlich nicht gekifft habe, wenn das dann in einem Bluttest erscheint und ich dann demzufolge ein bisschen THC im Blut habe, wie wäre das?

So einen Fall hatten wir. Da hatte die Jugendanwaltschaft entschieden, dass von diesem Jugendlichen Blut genommen werden muss. Dabei ist rausgekommen, dass dieser Jugendliche tatsächlich THC im Blut hatte. Alleine die Auswertung des Blutes kostete rund 1500 Franken. Also das lohnt sich wirklich nicht. Für das Geld könnte man sich ein neues Mofa kaufen. Das ist eben das doofe daran. Mitgehangen, mitgefangen. Weil du einen Beitrag dazu geleistet hast, dass es überhaupt zu Ermittlungsleistungen seitens der Polizei gekommen ist, wirst du möglicherweise neben der zu erwartenden Strafe auch noch die Kosten für die Blutuntersuchung bezahlen müssen.

Mein Nachbar ist Polizist. Vor einiger Zeit war ich an der Bushaltestelle und er auf dem Balkon und ich habe eine Flasche zerbrochen. Er war in der Trainerhose und hat dann aber extra seine Polizeiuniform angezogen, ist runtergekommen und hat mich verwarnt.

Polizisten haben in ihrem Einzugsgebiet immer die Befugnis einzugreifen. Nun, wenn der Polizist sich als Polizist erkenntlich zeigt, dann muss man dem Folge leisten. Von Amtes wegen haben Polizisten den Auftrag, für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Sind Sie für die Legalisierung von Cannabis oder nicht?

Das ist eine persönliche Frage. Ich bin heute als Polizist hier und beantworte diese Frage deshalb nicht.

Wenn ich jetzt Polizistin bin und ich dann als Polizistin kiffe, mache ich mich in diesem Fall auch strafbar?

Wenn du das zu Hause machst, dann wird das kein Problem sein, weil es niemand mitbekommt. Aber wenn du betäubt zur Arbeit kommst und dein Chef das merkt, dass du als Polizistin in deiner Freizeit Cannabis rauchst, dann wirst du über kurz oder lang deinen Polizeiausweis abgeben müssen.

Sie sagen, man wird über kurz oder lang als Polizist entlassen, wenn man kifft, aber wie ist es, wenn das niemand weiss oder erfährt?

Ich habe das Gefühl, dass deine Frage darauf hinzielt, wie man etwas – von dem ich eigentlich weiss, dass es verboten ist – machen kann, ohne bestraft zu werden. Ihr müsst euch mal überlegen, weshalb man denn so was überhaupt machen will und dann ist es eine Frage, ob es diese Handlung wert ist. Also ist es mir wert meinen Job zu riskieren, nur damit ich hin und wieder an einem Joint ziehen kann. Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Denn vielleicht finde ich nicht so schnell wieder einen Job, vielleicht finde ich auch nie mehr einen Job, in dem ich so gut bezahlt bin oder vielleicht finde ich auch nie wieder einen Job, der so viel Spass macht. Das müsste die Überlegung sein. Es geht nicht darum, wie man den Staat überlisten kann, so das ich mit meiner Handlung durchkomme. Ihr müsst dafür sorgen, dass ihr eine vernünftige Art und Weise findet, mit gewissen Regeln umzugehen. Auch Polizisten halten sich nicht an alle Regeln, wenn es dir darum geht. Ja es ist so, das Ding ist halt einfach, wenn man mich dabei erwischt, dann muss ich mit den Konsequenzen leben können.

Die Stimmung und Diskussion in der Klasse
Kaum hatten die Jugendarbeitenden das Schulzimmer der 3. Sekundarklasse von Herrn Weber betreten, stürzten sich die Jugendlichen auf die zwei Jugendarbeitenden. Dem Polizisten gegenüber waren sie zunächst noch etwas reserviert. Freudiges Händeschütteln umrahmten die ersten Minuten der Unterrichtstunde. Das Klassenzimmer roch nach Jugendlichen. Sie waren aufgeheitert, sie freuten sich sichtlich auf das Streitgespräch mit der Stadtpolizei. So wurde aus dem namenlosen Polizisten plötzlich «Herr Niederer». Dem stellvertretenden Leiter des Jugenddienstes der Stadtpolizei Zürich, Martin Niederer, gelang es, die Jugendlichen mit seiner Gelassenheit und seiner Wortwahl auf Augenhöhe zu begegnen. Auch wenn er den Jugendlichen nicht alle Fragen abschliessend beantworten konnte, erhielten die Jugendlichen Klarheit über die Aufgaben und Kompetenzen der Polizei. Aus Sicht der Jugendarbeit des GZ Höngg/Rütihof war das Zusammenbringen von Polizei und Jugendlichen ein grosser Erfolg, nicht zuletzt auch deshalb, weil, als es zur Pause läutete, sich die Jugendlichen beim Stadtpolizisten versammelten und weitere Fragen stellten. Sie fragten kurzerhand, ob er nicht noch weitere 20 Minuten bleiben könnte, um die Folgefragen zu klären. Er lächelte, nickte und willigte ein, die Diskussion ging weiter.

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