Die Langsamkeit zelebrieren

Am 24. Mai erhielt das Alters- und Pflegezentrum Riedhof Besuch von einem ganz besonderen Trio: Mit ihrer Seifenblasen-Performance entführten die drei ­Künstler*innen Lisa Bögli, Andreas Schwarzer und Andeli Zumbühl ihr Publikum in eine zauberhaft schillernde Welt – behutsam und besinnlich.

So zauberhaft können Regenschirme sein: Lisa Bögli und Andeli Zumbühl bringen schillernden Glanz ins Riedhof. (Fotos: zvg)
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Es ist einer der ersten freundlicheren Nachmittage in diesem Frühling, trocken, aber eher kühl. Und das ist für einmal nicht nur ein nettes Detail am Rande oder eine Floskel, um den Artikel mehr oder weniger gekonnt beginnen zu können, sondern ein wichtiger Bestandteil des Anlasses, der an diesem Mittwoch im Riedhof «Leben und Wohnen im Alter» stattfindet.

Denn erstens findet dieser draussen statt und zweitens sind die Hauptprotagonisten, die heute die Gemüter und Herzen der Bewohner*innen des Pflegezentrums erfreuen sollen, äusserst sensibel und empfindlich gegenüber Witterungseinflüssen: Es handelt sich um Seifenblasen. Die Performance «Seidenfein und schillernd charmant» gastiert an diesem Nachmittag im Riedhof.

Es liegt was in der Luft, ein ganz besondrer Duft

So liegt bereits ein wohlriechender Duft nach Seife in der Luft, als sich kurz vor 15 Uhr Bewohnerinnen und Personal auf der grossen Terrasse des Hauses versammeln. Manche haben sich Decken mitgebracht, weil sie den Temperaturen noch nicht so ganz trauen, andere, die weniger mobil sind, sind in ihren Zimmern geblieben und verfolgen das Geschehen vom Fenster aus.

So etwas wie eine einfache Bühne ist aufgebaut, Behälter mit Seifenwasser stehen bereit. Eine Seifenblasenmaschine in einem alten Koffer spuckt unzählige Blasen aus. Aus den Lautsprechern klingt Musik, volkstümliche Klänge, modern arrangiert. Die drei Künstlerinnen beginnen ihre Darbietung, bewegen sich in farbenfrohen Seidenkostümen, Seidentüchern und Hula-Hoop-Reifen tanzend in einer poetischen Choreografie.

Dazu produzieren sie riesengrosse und winzig kleine oder mit Rauch gefüllte Seifenblasen oder pusten behutsam kleine Bläschen in grössere hinein. Überall schweben die schillernden Seifengebilde, erfüllen die Luft, steigen langsam auf und zerplatzen auf ihrem Weg zum Horizont. Manche der Seifenblasen finden den Weg die Hausfassade entlang zu den Fenstern derjenigen, die aus ihren Zimmern schauen und nun ihre Hände ausstrecken und versuchen, die Blasen einzufangen.

Für einen anderen Umgang mit der Krankheit

Eine halbe Stunde lang nehmen die drei Künstlerinnen Lisa Bögli, Andreas Schwarzer und Andeli Zumbühl die Zuschauerinnen mit auf ihre zeitlose Reise in die zauberhafte Welt der Seifenblasen. Das Ziel ihrer Performance, so erklärt es Bögli in ihren Begrüssungsworten, ist es, die «Langsamkeit zu zelebrieren und eine Möglichkeit zu bieten, sich der Entschleunigung hinzugeben». Speziell für Menschen mit Demenz und ihr Umfeld ist das Stück entwickelt, eine sinnliche Choreografie, der man auch folgen kann, wenn man Inhalte nicht mehr so schnell aufnehmen und verarbeiten kann.

Den Künstlerinnen geht es dabei nicht nur darum, Menschen mit Demenz auf Augenhöhe zu begegnen, sondern auch darum, den «gesunden» Zuschauerinnen zu helfen, ihre Einstellung gegenüber der Krankheit vielleicht ein wenig zu ändern: «Wir alle haben grosse Angst vor dieser Krankheit und davor, selbst davon betroffen zu sein. Wir möchten aber auch zeigen, dass an Demenz Erkrankte oft einen freien Geist haben, und Meister*innen darin sind, sich im Moment aufzuhalten. Vielleicht können wir ja davon auch etwas für uns mitnehmen?»

Clown für ältere Menschen

Ursprünglich hat Bögli eine Bewegungsschauspielausbildung absolviert. Seit 2015 arbeitet sie als Clown in Alters- und Pflegeheimen mit dem Fokus auf Demenz und Sterbebegleitung. «Ich fühle mich älteren Menschen sehr nahe, ich glaube, in mir steckt eine alte Seele. Ich mag die alte Zeit, die Antike, die Flohmärkte, Brockenstuben und alten Geschichten», schmunzelt sie.

Während der Pandemie suchte sie nach einer Möglichkeit, den Menschen nahe zu sein – trotz Abstandsregeln und notwendiger Distanz. «Ein Clown mit Maske, das funktioniert für mich nicht», erklärt die vierfache Mutter.
So kam sie auf die Idee, die Seifenblasen, die sie bereits in ihren anderen Darbietungen als Feuerkünstlerin verwendete, auch in den Besuchen auf den Pflegestationen zu verwenden: «Mit den Seifenblasen konnte ich den Menschen auch auf Abstand nahe sein», erklärt Bögli.

Und daraus entwickelte sich schliesslich ein ganz neues Projekt: «Ich freue mich sehr, dass ich im zweiten Corona-Sommer gemeinsam mit meinem Bühnenpartner Andreas Schwarzer und der Seidenkünstlerin und Tänzerin Andrea Zumbühl das Projekt «Seidenfein und schillernd charmant» zum Leben erwecken konnte», so Bögli. Mit der Performance machen sich die drei nun auf sommerliche Tournee durch Alters- und Pfle­geeinrichtungen.

Eingeladen sind dabei bewusst nicht nur die Bewohnerinnen der Pflegeinstitutionen, sondern auch die Mitarbeitenden, denn auch ihnen möchten die Künstlerinnen etwas mit auf den Weg geben: «Uns ist es sehr wichtig, die Resilienz der Pflegenden zu stärken, ihnen Anerkennung für ihre Arbeit zu schenken und auch ihnen näher zu bringen, dass Langsamkeit sogar in hektischen Situationen und dieser schnelllebigen Zeit in Ordnung sein kann.»

Aus diesem Grund sind auch im Anschluss an die Vorführung alle eingeladen, sich selbst einmal an den Seifenblasen zu probieren. Deren einfachem Zauber kann sich kaum jemand entziehen, egal ob Heimleiter, Pflegefachfrau oder Angehöriger. Und die fröhlichen und ausgelassenen Gesichter sprechen Bände: Es tut gut, sich einmal wieder wie ein Kind fühlen zu dürfen und einfach nur das Hier und Jetzt geniessen zu können.

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