Die Kür des Naturschutzes – der Trockenmauerbau

Im Oktober lud der Natur- und Vogelschutzverein zu einer «Offenen Baustelle». Die freiwilligen Helfer*innen erhielten die aussergewöhnliche Gelegenheit, das Trockenmauerbauen kennenzulernen und selbst Hand anzulegen.

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Schon an der Riedhofstrasse ist das regelmässige Tack-Tick-Tick-Tack zu hören, das Geräusch, das entsteht, wenn mit Eisen auf Stein gehämmert wird. Der Natur- und Vogelschutzverein (NVV) hat seine Mitglieder während einer Woche zur «Offenen Baustelle» auf einem ehemals verbuschten Stück Land am Riedhoferrain eingeladen. Unter fachkundiger Anleitung erhalten Interessierte eine Einführung in das Handwerk und können an der Sanierung einer alten Trockenmauer mithelfen. «Das Land, auf dem vor einiger Zeit eine Blumenwiese angesät wurde, gehört der Stadt Zürich», erzählt Benjamin Kämpfen, Co-Präsident des NVV. Hier stand bereits eine alte Mauer, bestehend aus Steinen ganz unterschiedlicher Herkunft, vom Boll- bis zum roten Ackerstein war alles vertreten. Da ihr Zustand marode war, erarbeitete der NVV ein Projekt zur Teilrestaurierung der alten und dem Aufbau einer neuen Mauer. «Den grössten Teil der Kosten trägt Grün Stadt Zürich, und der Fonds Landschaft Schweiz hat ebenfalls einen Betrag gesprochen», so Kämpfen. Diese finanzielle Unterstützung ist essenziell, denn so eine Trockenmauer ist, anders als man vielleicht denken könnte, eine teure Angelegenheit. 100 Tonnen Sandstein vom Zürichsee, Transport und Arbeitskraft, die ganze Vor- und Nachbereitung sind nicht billig zu haben.

Ein altes Handwerk wiederentdeckt

Die Wichtigkeit von Trockenmauern für die Tierwelt ist in den vergangenen Jahrzehnten wieder vermehrt ins Bewusstsein gedrungen. «Es ist heute weitum bekannt, dass die Nischen darin wichtigen Lebensraum für Eidechsen, aber auch für viele andere Lebewesen wie Insekten und sogar Vögel bilden», sagt Kämpfen. Begonnen hat das Projekt vor eineinhalb Jahren mit der Aushebung eines riesigen Bambusgebüschs auf dem Areal. Im vergangenen Jahr realisierte der NVV während eines viertägigen Kurses von BirdLife Zürich bereits einen ersten Teil der Restauration und schliesslich vollendeten die Freiwilligen und Mitglieder im Oktober die obere der beiden Trockenmauern. «Dafür, dass viele Laien mitgearbeitet haben, haben wir wirklich viel erreicht», so Kämpfen. Die Grundprinzipien des Handwerks seien zwar einfach zu verstehen, doch um wirklich effizient arbeiten zu können, benötige man viele Jahre Erfahrung. «Die Profis nehmen einen Stein in die Hand und sehen gleich, wo er reinpasst, das ist beeindruckend», sagt der Co-Präsident des NVV anerkennend.

Ein Gesamtwerk entsteht

So ein Profi ist Felix Riegger, der das ganze Projekt betreut und an diesem Tag die Teilnehmer*innen des Kurses «Naturnaher Gartenbau» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil beim Bau der zweiten Trockenmauer anleitet. Auf den ersten Blick sei nicht zu erkennen, wie viel Material hier verbaut werde, sagt Riegger. Was beim fertigen Bauwerk nämlich nicht sichtbar ist, ist, wie weit die Mauer in die Erde hineinragt. «Der grösste Teil verschwindet als Hintermauerung unter der Erde. Die sogenannten Bindesteine, die nicht einfach hineingeworfen, sondern ebenfalls sorgfältig platziert werden, sorgen für Stabilität und fangen den Hangdruck ab», erklärt der Experte. So entsteht ein Gesamtwerk, das mit feinem Kies oder Erde abgeschlossen wird, die bepflanzt werden kann und eine gewisse Sicherheit für die Nutzer*innen gewährleistet. So halten die Mauern ganz ohne Kitt und Zement jahrzehntelang. Seit rund 20 Jahren wird das verlorene Wissen des Trockenmauerns wieder aufgebaut, mittlerweile hat sich in Europa eine kleine Szene etabliert. Fast genauso lange ist Riegger schon dabei. Das Interesse am Thema, auch in der breiten Bevölkerung, erklärt er sich einerseits aus dem gestiegenen Bewusstsein für Ökologie und Umwelt, andererseits aus dem gesteigerten Bedürfnis der Menschen, wieder etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen. Mit der Leistung seiner Schüler*innen ist Riegger sehr zufrieden. «Für diese Arbeit muss man nicht zwingend kräftig sein», meint der Experte. Anfangs wäre vor allem die Arbeit an der frischen Luft das, was die meisten anstrenge. Als Vereins- oder Teamanlass sei Trockenmauern sehr beliebt. Das bestätigt auch Kämpfen lachend: «Am liebsten möchten die Leute Mauern bauen oder einen Baum pflanzen». Das sei jedoch eher die Kür. Die Realität der Naturschutzarbeit bestehe viel öfter aus weniger dankbaren Aufgaben wie Aufräumen oder Büsche schneiden. In Zukunft wird es nicht so bald wieder eine Gelegenheit geben, in Höngg eine Trockenmauer zu realisieren. «Das liegt daran, dass diese Art von Mauern in unserer Region nicht häufig ist, sie ist eher im Tessin oder im Wallis Teil des Landschaftsbildes», erklärt Kämpfen.

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