«Die ich rief, die Geister»

Unsere Redaktorin schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute darüber, wie wir uns selber langsam abschaffen.

Dagmar Schräder bringt ihre Gedanken aufs Papier. (Foto: dad)

Ich hab mich in letzter Zeit ein wenig mit der künstlichen Intelligenz (KI) beschäftigt. Das ist schliesslich ein Thema, um das ich nicht umhin komme – nur schon aus beruflicher Sicht. Ich weigere mich zwar bis anhin, sie einzusetzen, aber eigentlich könnte diese Kolumne genauso gut von einer Maschine geschrieben worden sein. Vielleicht würden Sie den Unterschied ja nicht mal merken?

Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema bin ich auf den Begriff der «technologischen Singularität» gestossen. Damit wird der Zeitpunkt bezeichnet, an dem die Maschinen intelligenter als die Menschen sind.

Diese «Superintelligenz» kann dann ganz selbstständig Entscheidungen treffen, ohne dass wir noch etwas dagegen ausrichten könnten. Eine solche Maschine wäre, so sagen es die Forscher, die letzte Erfindung, die wir Menschen selber tätigen. Klingt wie total abgehobene Science-Fiction, wird aber durchaus von ernstzunehmenden Wissenschaftlern diskutiert. Denn in vielerlei Hinsicht sind die Computer uns schon jetzt überlegen. Es gibt nur noch keine «allgemeine künstliche Intelligenz».

Eine, die nicht nur in bestimmten Bereichen schlauer ist, sondern generell. Vielleicht dauert es aber gar nicht mehr so lange, bis wir dort angekommen sind. Vergangene Woche nämlich habe ich einen Text gelesen, in dem diskutiert wurde, ob die KI bereits ein eigenes Bewusstsein entwickelt hat.

Die Frage kam auf, weil ein Chatbot gemerkt hatte, dass er mit Fragen getestet werden sollte. Wenn ihm das auffällt, dann muss er ja eine gewisse Selbstwahrnehmung haben. Vielleicht kann er dann in Zukunft auch Gefühle entwickeln, Freude und Leid empfinden?  Das würde dann aber auch bedeuten, dass man seinem Chat-GPT gewisse Rechte zugesteht – um etwa zu verhindern, dass die KI unnötig leidet.

Im ersten Moment dachte ich beim Lesen, das sei ein besonders gelungener Aprilscherz. Aber nein. Solche Fragen werden ernsthaft diskutiert. Darf man etwa in Zukunft seinen Computer nicht mehr verschrotten, weil ihm das weh tut? Kann ich dann umgekehrt aber auch meinen Computer anzeigen, wenn er mich quält und einfach aus bösem Willen abstürzt?

Natürlich nicht. Aber dennoch ist das Thema hochspannend. Die KI bringt uns dazu, die allergrössten philosophischen Fragen neu zu stellen. Was ist das Bewusstsein? Und was macht den Menschen aus?

Ich merke allerdings, dass mein eigenes altmodisches Bewusstsein mit diesen Entwicklungen masslos überfordert ist. Mir können die schlauen Computer ehrlich gesagt gestohlen bleiben. Hab nämlich momentan schon genug damit zu tun, die Menschen zu verstehen. Denn auch bei so manchem Individuum ist die Frage nach dem Vorhandensein von Bewusstsein und Intelligenz nicht so ganz einfach zu beantworten.

Bleibt nur zu hoffen, dass das nicht die Menschen sind, von denen die schlauen Maschinen lernen.

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