Die Gretafrage

Liebe Greta Thunberg, du bist in allen Medien und ehrlich: tief in meinem Herzen danke ich dir dafür, dass du die Klimapolitik sogar bis in die Agenda der «F*** dä Planet»-Partei gedrückt hast und uns gezeigt hast, dass auch die heutige Jugend politisch aktiv werden kann – und zwar weit mehr, als bloss unter dem Motto «Klimastreik» die Schule zu schwänzen. Aber manchmal frage ich mich schon etwas, was das alles soll?

Frank Frei

Ja, wir leben in einem Land, in dem meine Generation und die meiner Eltern zwar viel falsch gemacht, aber vieles davon auch wieder korrigiert hat. Wir haben jahrelang allen Abfall den Bach runter gelassen, heute gibt es keine Gemeinde ohne Kläranlage – während weltweit schlimmste Umweltgifte ungefiltert alle Gewässer verseuchen.
Unsere Autos verpesteten die Umwelt über Jahrzehnte, im Vergleich zu damals kann man heute direkt ab Auspuff frische Luft inhalieren. Stimmt, die Verdreifachung der Automobile seit «damals» hat die Verbesserung leider mehr als aufgehoben – verglichen aber mit der weltweiten Zunahme an zurückgelegten Kilometern am Boden und in der Luft ist das ein Klecks.
In diesem Land wird nebst jeder Heizung auch jedes Cheminée auf Abgase kontrolliert, das Verbrennen von Grüngut im eigenen Garten ist längst verboten und überall stehen Kehrichtverbrennungsanlagen mit hochwirksamen Filteranlagen – während weltweit Müll verscharrt und auf offenen Halden abgefackelt wird. Ganz zu schweigen von den Millionen an Kubikmetern Gas, die täglich auf Ölfeldern einfach so abgefackelt werden.
Die Liste liesse sich fortführen bis zu den Kuhfürzen, die wir hierzulande Zählen und uns über deren Anteil an klimaschädlichen Gasen die Köpfe klimaschädlich heissdiskutieren.
Weisst du, liebe Greta, vor diesem Hintergrund habe ich es manchmal sowas von satt, dass man mich als Einzelperson weiter zu noch besserem, umweltverträglicherem Nullemissionenkonsum erziehen will, mit dem Erfolg, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, wenn ich nur schon vor einem Fleischregal stehe oder einen Ferienkatalog studiere.
Ich bin es leid, dass sich die Verantwortlichen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft immer mit der ausgelutschten «Der-Konsument-entscheidet-Leier» aus der Verantwortung stehlen. Ja, ich entscheide, und ich tue, was ich kann – aber die totale Selbstkasteiung praktizieren, während sich der Rest der Welt im grossen Stil einen Dreck kümmert, nein, da weigere ich mich. Setzen wir doch zuerst mal durch, was schnell und im grossen Stil zählen würde, zum Beispiel ein Exportverbot von Elektroschrott, anstatt in Cheminées nach illegal verbrannten Kartonstücken zu schnüffeln.
Und trotzdem, liebe Greta, ich danke dir, dass du und dein Kartonschild so viel bewegt unter der Jugend, die ihre Welt retten soll. Bei der nächsten Grossdemo laufe ich mit, versprochen.

Es grüsst, fast klimaneutral
Frank Frei

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