Die Geschichte des Wasserfahrclubs Hard

Am 21. April jährte sich die Gründung des auf der Höngger Werdinsel domizilierten Wasserfahrclubs Hard zum 75. Mal. Zum Jubiläum hier ein Rückblick auf die bewegte Geschichte, eine Standortbestimmung und etwas darüber, was den Club zusammenhält.

Die Mitglieder des Freien Arbeiter Wasserfahrclubs Zürich um die Gründungszeit.
Das alte Clubhaus auf der Werdinsel, zeitweise nur noch dank Stahlseilen im Lot gehalten.
Das moderne Clubhaus bietet vielerlei Möglichkeiten.
75 Jahre und immer noch jung: Club-Foto des Jahres 2008.
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Es war eine stürmische Angelegenheit, als sich 13 Aktivmitglieder aus den Reihen des Arbeiter Wasserfahrvereins Zürich 1934 im Saal des Restaurants Schönau im Industriequartier, dem Schmelztiegel des Zürcher Proletariats, zusammenfanden, gewillt einen neuen Verein zu gründen. So jedenfalls berichten es die lange verschollenen Akten, welche neugierige Jugendmitglieder in den 80er-Jahren unter dem Bretterboden des damaligen Clubhauses geborgen haben. Manns war man gewesen und hatte zwecks Aussprache auch andere Mitglieder des Arbeiter Wasserfahrvereins Zürich eingeladen. Das Treffen der Genossen – so die damals übliche Anrede in der stark politisierten Arbeiterschaft – endete in einem furiosen Eklat. Dem Staub entstieg der Freie Arbeiter Wasserfahrclub Zürich, wie der Wasserfahrclub Hard-Zürich bis 1945 hiess. Ursache der heftigen Ressentiments waren verschiedene Auffassungen über die Verbindung von linksradikaler Agitation und Sport. Den Separatisten war das Sympathisieren mit kommunistischen Zellen sauer aufgestossen. Dabei ging es auch um die Frage nach der Natur des wahren Sozialismus, um die Frage, ob die Arbeiterschaft aus ihrer seit der Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert teils bitteren Armut und sozialen Unsicherheit durch eine internationale Diktatur des Proletariats oder durch die Einbringung von Anliegen ins bestehende politische System durch die staatsbekennenden Sozialdemokraten zu befreien sei. Eine Frage übrigens, welche die Arbeiterschaft damals europaweit entzweite. Einzelne, aber wortführende Persönlichkeiten unter den Gründungsmitgliedern vertraten die konsequente Trennung von Sport und Politik. «Wilde» wollten sie sein, freie Arbeiter eben, frei von instrumentalisierender Ideologie, sozialistischer wie bürgerlicher gleichermassen. Sie antizipierten damit für zwei Jahre eine progressive Haltung, die sich nachhaltig erst unter dem Mantel der geistigen Landesverteidigung und den von ihr entworfenen Heimatmythen während des Zweiten Weltkrieges durchsetzte. Bis dahin führten traditionelle Kräfte den Verein in den Schoss des damals von politisch linker Ideologie getränkten Sportverbandes SATUS zurück. Mitnichten zufällig erfolgte der bereits erwähnte Namenswechsel vom proletarischen Programm zur wertfreien Heraldik 1945, denn die Benennung nach der markanten Sehenswürdigkeit hätte schon früher auf der Hand gelegen, wurden doch die Weidlinge vermutlich ab 1935, gesichert ab 1938, gegenüber dem Hardturm vertäut. Einziges Versatzstück der sozialistischen Vergangenheit stellt der einseitige rote Grund der 1951 beschafften und bis heute ohne Hintergedanken in Ehren gehaltenen Clubfahne dar.

Erstes eigenes Clubhaus und Krieg

Zur Aufbewahrung des Fahrgeschirrs hatte man sich nach der Gründung des Vereins in Räume des Baugeschäftes Banfi an der Breitensteinstrasse eingemietet. Erst die 1938 wegen Eigenbedarf ausgesprochene Kündigung gab den Anstoss zum Bau eines eigenen Clubhauses. Dieses wurde 1939 an der Ecke HardturmstrasseFischersteg auf einem Grundstück der Wollfärberei Schoeller errichtet und exakt einen Monat vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges feierlich eingeweiht. Ein glückliches Timing, denn die Kriegsjahre setzten andere Akzente. Behinderungen des Trainings auf der als Festung ausgebauten Limmatlinie, Aktivdienstabsenzen und eine Schwächung der Finanzkraft hätten den Bau des Clubhauses vermutlich gehemmt. Indes initiierten die Kriegsjahre eine folgenschwere positive Neuerung. Zur Deckung ihres immensen Bedarfs an Pontonieren rief die Armee das subventionierte Jungfahrerwesen ins Leben. Es hat bis heute Bestand und stellt nach wie vor einen wichtigen Motor der Vereinsverjüngung dar.

Wandel vom klassischen Sportzum modernen Freizeitverein

Nach dem Krieg prosperierte der Verein. Es herrschte ein freundschaftliches Klima und nicht zuletzt hohe Zuwendungen von Gönnern ermöglichten den sorglosen Blick in die Zukunft. Dieses Idyll trübte sich Anfang der 60er-Jahre. Zunehmend werden unter den Mitgliedern Zankereien verzeichnet, es kam zu Austritten und – wie es scheint – zu einem Generationenwechsel in der Führungsriege. Die genauen Hintergründe und Zusammenhänge sind aus den Akten nicht ersehbar, jedoch scheinen Diebstähle, Alkoholmissbrauch und der mysteriöse Todesfall eines Jugendmitglieds eine Rolle gespielt zu haben. Schliesslich brachte die moderne Verkehrsplanung im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung die Blase zum Platzen. Das Clubhaus musste einem Pfeiler des Zubringerviaduktes der Durchmesserlinie Käferberg weichen. 1966 wurde es kurzerhand abgebaut, flussabwärts verschifft und an der Mündung des Bombachs errichtet, illegal notabene. Schicksalhaft entpuppte sich die Katastrophe als Chance. Der begangene Baurechtsbruch war so offensichtlich, dass die Einschaltung der Behörden nicht lange auf sich warten liess. Noch im selben Jahr gab die Stadt Zürich dem Verein jenes Grundstück auf der Werdinsel zur Pacht, auf dem sich das Clubleben bis heute abspielt. Die Entwurzelung aus dem Industriequartier zeitigte letztlich gesunde Folgen. Wenig engagierte und mehr trink- als trainingsfreudige Mitglieder kehrten dem Verein den Rücken zu. In der Mitgliederliste von 1979 tauchen nur noch wenige Personen auf, die dem Verein schon vor 1969 angehört hatten. Dafür ist eine beachtliche Schar Jugendmitglieder aus Höngg zu verzeichnen, welche dem Verein in den 80er-Jahren als Aktivmitglieder die Treue hielten. Verjüngung und Integration waren zugleich vollzogen.

Sich selbst gestalten

Sinnigerweise wandelte sich der Verein gerade in jenen Jahren zur autoritätsfreien Zone, als die Zürcher Jugend rebellierte und auf der Strasse autonome Lebensräume forderte. Während an der Sihl Molotow-Cocktails aus Tränengasschwaden flogen, entstand wenige Kilometer flussabwärts in aller Stille ein kleines Paradies. Die jungen Mitglieder des Wasserfahrclubs Hard durften und mussten sich in den 80er- und 90erJahren verantwortungsvoll selbst erfinden. Und das taten sie mit bemerkenswerter Energie. Kraftvollster Ausdruck dieser Bewegung ist bislang das neue Clubhaus, das in den 90er-Jahren von ein paar visionären «Spinnern» ausgeheckt und 2001 mit vielen Eigenleistungen auf der Werdinsel errichtet werden konnte. Entwurf und Lage sind so gelungen, dass sich Mitglieder regelmässig auch ausserhalb der offiziellen Vereinszeiten beim Clubhaus treffen. Bald wurden in den 80ern und 90ern in den Trainings neben dem Weidlingfahren andere Sportarten wie Fussball und Volleyball praktiziert – nicht als Leistungssport, sondern zum freizeitlichen Vergnügen. Überhaupt setzte damals der Wandel vom klassischen Sport- zum modernen Freizeitverein ein. Ebenbürtig mit den sportlichen Anlässen finden heute gesellige Events wie BBQs, Filmabende, Pokerturniere, Tagesausflüge und Weekends oder Ferienlager im Ausland statt. Zugegeben nichts, was vordergründig nicht zur Freizeitgestaltung der meisten jungen Leute gehört. Nur dass der Club eine feste Klammer um die Akteure setzt und zwischenmenschlicher Kontinuität Vorschub leistet. In Gegenwart kurzer «Beziehungshalbwertszeiten» ein gesellschaftliches Gut, das unpopulär geworden ist. Wer Sinn dafür hat, kann die Folgen und das Lamento auf diesen Verlust tagtäglich der Presse entnehmen. Das Wundersame und gesellschaftlich Relevante an Vereinen ist, dass sie das Pferd von hinten aufzäumen. Am Anfang stehen nicht Freundschaften, diese entstehen erst aus der gemeinsamen Geschichte. Und in manchen Fällen – zu dieser Vermutung gibt es guten Grund – halten sie ein Leben lang.

Eingesandter Artikel von Adrian Huber

Mehr Infos auf www.wfchard.ch

 

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