Die Freude überwiegt

Am 17. Februar wurden der grösste Teil der Schutzmassnahmen im Kampf gegen die Covid-Pandemie aufgehoben. Zurück zur Normalität – was auch immer das ist? Und ist das ein Grund zur Freude oder kommt die Lockerung viel zu früh?

Nach den Studierenden können nun auch die Mitarbeiter*innen der ETH an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. (Foto: pas)

Am 18. Februar war auf swissinfo.ch, dem Online-Dienst für News und Informationen, ein geschichtsträchtiger Moment in einem kurzen Beitrag festgehalten: «Nach fast zwei Jahren laufender Beobachtung haben wir angesichts der Aufhebung der meisten Massnahmen beschlossen, unser Corona-Update über die Situation in der Schweiz vorerst nicht mehr weiterzuführen». Das Ende der Pandemie, schwarz auf weiss, in neun Sprachen übersetzt. Zwei Tage zuvor hatte der Bundesrat es offiziell verkündet: Per 17. Februar entfielen die Zertifikatspflicht und Homeoffice-Empfehlung. Auch die Maskenpflicht in Restaurants, Kinos, Läden, öffentlichen Räumen sowie am Arbeitsplatz wurde aufgehoben. In den öffentlichen Verkehrsmitteln und in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen bleibt sie bis Ende März bestehen. Die Reaktionen sind unterschiedlich: Während die einen endlich aufatmen, kommen die Lockerungen für andere zu früh.

Vorsichtige Lockerungen bei der ETH

Die grösste Institution in Höngg, die ETH Zürich, lockert die Coronamassnahmen im Einklang mit den Entscheiden des Bundesrats: Sie erlaubt die Rückkehr an den Arbeitsplatz, Wegfall von Zertifikatskontrollen sowie eine reduzierte Maskenpflicht. «Die ETH bleibt beim Lockern der Regeln jedoch bewusst vorsichtiger, um gehäufte Krankheitsfälle zu vermeiden und vulnerable Personen besser zu schützen», sagt der Medienverantwortliche Florian Meyer. Deshalb gelte in den Innenräumen der ETH nach wie vor eine allgemeine Maskentragpflicht – allerdings mit wichtigen Ausnahmen, die eine Rückkehr auf den Campus erleichtern sollen. So könne die Maske am Arbeitsplatz und Studienarbeitsplatz abgenommen werden, wenn ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu den Sitznachbar*innen eingehalten wird. «Diese Regeln gelten bis auf Weiteres, voraussichtlich so lange, bis der Bundesrat auch die Maskentragpflicht im öffentlichen Verkehr aufhebt», so Meyer. Diese Vorgehensweise scheint bei Studierenden und Mitarbeitenden gut anzukommen: Eine Umfrage auf Instagram habe ergeben, dass über 69 Prozent der Befragten diese vorsichtigeren Regeln der ETH Zürich befürworten.


Trotz der Umstände das Angebot vergrössert

«Zum Glück konnten wir den Turnbetrieb für alle Gruppen aufrechterhalten», sagt Caroline Hauer, Technische Kommission Damen- und Frauenriege Turnverein Höngg (TVH), auf Anfrage. Durch die Ausnahmeregelung beständiger Gruppen bis 30 Personen konnte bis Ende November 2021 ohne Zertifikatspflicht geturnt werden. Danach wurden die Einschränkungen wieder strenger. «Trotz den Umständen haben wir im zweiten Halbjahr 2021 vier neue Gruppen eröffnet», sagt Hauer stolz. Gerade bereitet sich die Fit & Fun Gruppe für die Teilnahme am Schaffhauser Kantonalturnfest im Juni vor und die Jugend trainiert für den Jugendsporttag in Egg im Mai. «Es ist so schön, beim Turnen das Lachen der Kinder und Jugendlichen nicht nur zu hören, sondern auch wieder zu sehen», sagt Hauer. Wobei der TVH mit seinem eigenen Turnplatz auf dem Hönggerberg noch zu den privilegierteren Vereinen gehöre. «Dort konnten wir uns – ausgestattet mit Kappe, Schal und Handschuhen – immer bewegen», lacht Hauer.
Das Fitnessstudio im Frankental, «Let’s go fitness» begrüsst die Lockerungen ebenfalls. «Nach den ganzen Massnahmen und Einschränkungen freuen wir uns sehr, wieder zur Normalität zurückzufinden», erklärt Marco Müller, Club Manager bei «Let’s go fitness». Man merke, dass die Kundschaft sich nun wieder vermehrt ins Training getraue. 

Offene Türen im GZ

Bis zum 17. Februar mussten Besucher*innen des GZs klingeln und vor dem Eintreten ihr Zertifikat vorweisen. Wie die Leiterin Silvana Kohler erklärt, begrüsse es ihr Team nun sehr, die Türen wieder für alle öffnen zu können. «Nach dem Bundesratsentscheid erhielten wir noch am selben Tag mehrere Anrufe, ob der Indoor-Spielplatz jetzt wieder ohne Zertifikat besucht werden könne», erzählt sie. Auch das Kursangebot könne nun wieder ausgeweitet werden, so Kohler weiter. «Die Häuser füllen sich von neuem mit mehr Leben und das ist wunderbar», freut sie sich, «und wer sich mit Maske im Moment noch sicherer fühlt, ist genauso willkommen wie ohne.»

Marcel Stutz und Serena Cagnazzo freuen sich, ihre Gäste in Marcello’s Bistro wieder ohne Maske begrüssen zu dürfen. (Foto: sch)
Marcel Stutz und Serena Cagnazzo freuen sich, ihre Gäste in Marcello’s Bistro wieder ohne Maske begrüssen zu dürfen. (Foto: sch)

Kaffee trinken ohne Zertifikat

Marcel Stutz, Inhaber von Marcello’s Bistro blickt auf eine nicht ganz einfache Zeit zurück. Nicht alle hätten Verständnis für Zertifikats- und Maskenpflicht gehabt, erklärt er in einer E-Mail an den «Höngger»: «Leider gab es ein paar Gäste, welche die Schutzmassnahmen nicht ernst nahmen und uns das Leben schwer machten. Da wir 90 Prozent Stammgäste haben und diese uns die ganze Zeit unterstützten, konnten wir den Schaden in Grenzen halten. Dadurch musste ich keine Kündigung gegenüber den Mitarbeitenden aussprechen.» Nun blickt Stutz positiv in die nahe Zukunft: «Wir sind alle sehr froh über das Ende der Schutzmassnahmen. Vor allem haben wir dadurch weniger Aufwand und können uns wieder voll und ganz auf unsere Gäste konzentrieren.»


«Eine Umfrage auf Instagram habe ergeben, dass über 69 Prozent der Befragten diese vorsichtigeren Regeln der ETH Zürich befürworten.»

Sind Lockerungen verfrüht?

Für die öffentlichen Schulen fiel der Entscheid des Bundesrats in die Schulferien. Ab dem 28. Februar ist hier ebenfalls die Maskenpflicht aufgehoben. Zwar empfiehlt der Bund, noch bis Ende März Reihentests durchzuführen und würde diese bezahlen, doch in den meisten Schulen wurde diese Massnahme eingestellt. «Dass die Maskenpflicht wegfällt, ist verständlich – wieso sollten Kinder eine Maske tragen, wenn es Erwachsene nicht müssen? Dann wäre es jedoch sinnvoll, weiter zu testen», sagt eine Primarlehrerin, die nicht mit Namen genannt werden möchte. «Im Januar hiess es, wir seien durch die Maskenpflicht genug geschützt. Und wodurch werden wir jetzt geschützt? Meines Erachtens kommt die Aufhebung der Massnahmen verfrüht», meint sie.

Für Gesundheitseinrichtungen noch keine grossen Änderungen

Für die Bewohner*innen und Mitarbeitenden des Wohnzentrums Frankental (WZF) ändert sich noch nicht viel. Als Gesundheitseinrichtung gilt für sie die Masken- und Zertifikatspflicht immer noch. Bislang kamen alle glimpflich davon: «Die an Covid erkrankten Bewohner und Bewohnerinnen waren zum Glück geboostert und hatten nur leichte Symptome», sagt Ueli Zolliker, Leiter des Wohnzentrums. Zu schaffen machten ihnen aber die quarantänebedingten Personalausfälle. Doch die gesunden Mitarbeitenden hätten sich flexibel und sehr einsatzfreudig gezeigt, so dass die Ausfälle kompensiert werden konnten.

Optimistisch in den Frühling

Über weite Teile ist also ein gewisses Aufatmen zu spüren. Optimistisch stimmen zudem die vom Bundesamt für Gesundheit publizierten Fallzahlen, welche weiterhin sinkende Tendenzen zeigen. Voraussichtlich wird der Bundesrat per 1. April die «besondere Lage» beenden und damit die letzten nationalen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie aufheben. Der Frühling und die steigenden Temperaturen werden mit Sicherheit ebenfalls dazu beitragen, dass das Virus zumindest für den Moment seinen Schrecken etwas verliert. Bleibt zu hoffen, dass dies auch im Herbst und Winter so bleibt.

0 Kommentare


Themen entdecken