Kirchen
«Die Biergarten-Strategie sagt mir mehr zu»
Marcel von Holzen, römisch-katholischer Pfarrer von Höngg, wird ab Mai die Pfarrei Guthirt in Wipkingen übernehmen. Im Interview blickt der Geistliche auf die letzten Jahre zurück, und er erklärt, warum es sich um keinen Abschied handelt.
28. März 2022 — Daniel Diriwächter
Auf die römisch-katholische Pfarreigemeinde Heilig Geist, die rund 5800 Mitglieder zählt, kommt eine Veränderung zu: Ab Mai wird dort Matthias Braun von der Pfarrei Guthirt als Pfarreibeauftragter verantwortlich sein. Der jetzige Pfarrer Marcel von Holzen wird wiederum in Wipkingen eingesetzt. Er behält als Administrator in Höngg weiterhin einige Dienste. Durch diesen «Tausch» sollen beide Pfarreien künftig enger zusammenarbeiten.
Herr von Holzen, Sie sagten beim Amtsbeginn in Höngg Ende 2016, Sie wollen mit Schwung die Schwellen überwinden. Ist Ihnen das gelungen?
Marcel von Holzen: Mit besagtem Schwung habe ich an meinen Stellenwechsel gedacht. Damals wurde ich vom Generalvikar gebeten, die Pfarrei Heilig Geist in Höngg nach dem Weggang von Pfarreileiter Andreas Beerli zu übernehmen. Ich selbst arbeitete zuvor in der Pfarrei Erlöser im Seefeld und dort gefiel es mir sehr. Aber ich musste mir eingestehen, dass meine Berufung diese Bequemlichkeit überwinden muss. Eine Versetzung muss man sportlich nehmen. Das wollte ich damit zum Ausdruck bringen.
Womit mussten Sie sich zunächst anfreunden?
Als gelernter Hochbauzeichner war es der Kirchenbau selbst. Das Gebäude aus den 1970er-Jahren verkörperte für mich einen ganz anderen Typ von Kirche als den, den ich persönlich vorziehe. Gewiss, es handelt sich nur um ein Gebäude, aber auch diesbezüglich ist es nicht unwichtig, sich mit dem Bauwerk und seiner Botschaft identifizieren zu können.
In der Zeit Ihres Wirkens wurde das Pfarrhaus saniert, die Fenster des Künstlers Horst Thürheimer installiert und das Photovoltaikdach konnte eingeweiht werden. Geschah das auf Ihre Initiative hin?
Nein, diese Vorhaben waren bereits geplant. Als Pfarrer hatte ich jedoch automatisch einen Sitz in der Baukommission. Die zeitgemässe und umweltfreundliche Sanierung des Pfarrhauses war dringend nötig. Dieser Prozess prägte meine Jahre in Höngg. Das Anbringen der neuen Kirchenfenster war ein weiteres, sehr schönes und zeitintensives Projekt.
Gab es auch Pläne für die Aufgaben der Pfarrei?
Es galt, einen Entwicklungsprozess zu begleiten, um das Pfarreileben, wie auch die Kontakte zwischen Heilig Geist und Quartier anzukurbeln. Ein Vorhaben, das von meinem Vorgänger Andreas Beerli, der Pfarreibeauftragter war, aufgegleist wurde. Ich blieb dem gegenüber ein Stück weit skeptisch, denn solche Prozesse enden oft als Schubladenprodukte. Mir ist es wichtiger, den Glauben zu leben, die Gemeinsamkeiten zu pflegen und mit geselligen Anlässen die Gemeinde zu erfreuen. Diese «Biergarten-Strategie» sagt mir eher zu. Aber selbstverständlich habe ich diesen Prozess mitgetragen.
Ist diese «Strategie» ein Grund für den Wechsel nach Wipkingen?
Sagen wir es so: Die Arbeit in Höngg wurde zweigeteilter. Ich wurde –
gerade durch meine unzähligen externen Verpflichtungen als Dekan –
immer mehr zum Aussenminister, während die Arbeit innerhalb der Pfarrei in die Hände anderer Personen fiel. Als die Pfarrstelle Guthirt durch den Weggang von Pfarrer Häfliger frei wurde, ergab sich die Chance, die Plätze zu tauschen und gewisse Rollen neu zu mischen und auszurichten. In Wipkingen werde ich meine Stärken optimal einsetzen und beide Gemeinden miteinander vernetzen können, denn bald bin ich Pfarreiadministrator in Höngg. Beispielsweise wollen wir die Gottesdienste koordinieren und den Firmweg gemeinsam gehen.
Welche besonderen Momente in Höngg bleiben Ihnen in Erinnerung?
Ich denke an die Gemeinschaftserlebnisse im Team. Aber auch an die Helferabende oder an andere Begebenheiten, die in mir ein familiäres Gefühl auslösten. Auch die vielen Anlässe im Quartier, wie zum Beispiel das Wümmetfäscht waren besonders und werde ich auch künftig gerne besuchen.
Während der Pandemie hat Ihre Pfarrei mit Online-Diensten überzeugt: War das eine Chance hinsichtlich der digitalen Zukunft?
Die Situation verlangte nach Möglichkeiten, die wir heute noch nutzen können. Beispielsweise hielt ich eine Selfie-Predigt auf einem Waldspaziergang, die man auf Youtube schauen konnte. Wir schafften uns neue Kameras an und konnten einen Streamingdienst anbieten. Auch unser elektronischer Rundbrief stiess auf reges Interesse. Jetzt, da wieder Normalität eingekehrt ist, lautet die Frage, was benötigen wir und haben wir die zeitlichen Ressourcen?
Aktuell beschäftigt uns der Krieg in der Ukraine. Wie erleben Sie als Pfarrer die Sorgen der Menschen?
Der Schock über den Krieg ist deutlich zu spüren. Gerade bei älteren Menschen, die teilweise noch Kriegserfahrungen haben. Es sind Erinnerungen, die wieder lebendig werden. Das Bedürfnis nach Gesprächen wurde grösser. Jede Pfarrei versucht aktuell auf ihre Art und Weise, ein Zeichen zu setzen. So hat etwa Herz Jesu in Oerlikon ein Friedensfeuer entfacht und die Pfarrei Guthirt unterstützt Angebote für Geflüchtete.
Ihre Arbeit wird auch von «Katholisch Stadt Zürich 2030» geprägt. Ein Projekt, das neue kirchliche Wege für die Zukunft finden soll. Sie sind dort federführend und koordinieren die Arbeitsgruppen, die neue Konzepte erarbeiten sollen.
Diese Aufgabe wurde mir als Dekan vom Stadtverband zugetragen. Ich sehe das Anliegen, ich sehe die Notwendigkeit, aber ich sehe auch die riesige Pluralität unserer Seelsorgenden. Es wird wenig bringen, wenn wir unzählige Modelle mit Lösungsansätzen entwickeln, die dann nichts bringen. Daher ist es so wichtig, dass Menschen aus allen Ebenen der Pfarreien mitdenken und mitbestimmen, wie wir diesen Prozess erfolgreich vorantreiben können.
Zur Person: Marcel von Holzen
Marcel von Holzen, 50, ist in der Stadt Zürich aufgewachsen, seine Wurzeln liegen in der Innerschweiz und im Tessin. Nach der Lehre als Hochbauzeichner entschied er sich für ein Theologiestudium. Mit 27 Jahren wurde er zum römisch-katholischen Priester geweiht. Diese Berufung brachte ihn in die Pfarrei St. Martin in Birmensdorf und später in die Pfarrei Erlöser im Zürcher Seefeld. Seit Ende 2016 ist er Pfarrer in Höngg sowie Pfarradministrator in Wipkingen. Bis November ist er zudem Dekan der Stadt Zürich. Weiter ist er Verantwortlicher für das Projekt «Katholisch Stadt Zürich 2030».
Könnte dieser Prozess unser Bild der Katholischen Kirche verändern?
Es ist wichtig, reale Beispiele für eine Veränderung zu haben. Ein solches versuche ich durch meinen Wechsel nach Wipkingen zu liefern. Die engere Zusammenarbeit zwischen beiden Pfarreien wird neue Möglichkeiten bieten.
Zu guter Letzt: Worauf freuen Sie sich in Wipkingen?
Neben der Aufgabe als Pfarrer und den Menschen, die mich erwarten, ist es zunächst die kleine Wohnung bei der Kirche, die ich beziehen darf. Ich werde also wieder in einer Pfarrei wohnen, was jetzt nicht der Fall ist, da die Höngger Pfarrwohnung vorerst einer Familie aus einer anderen Krisenregion dieser Welt zur Verfügung steht. Ich freue mich sehr darauf, im Quartier Wipkingen anwesend zu sein, denn es bietet ein lebendiges Treiben. Und natürlich freue ich mich auf den Kirchenturm mit seinen Glocken.
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