«Die Berge geben Kraft»

100 Jahre alt ist Rosalia Schönbächler Ende April geworden. Ihr Rezept: Bescheidenheit und Wandern in den Bergen. Ein Besuch bei ihr zu Hause in Höngg.

«Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben», sagt Rosalia Schönbächler. (Foto: dasch)

Rosalia Schönbächler ist quasi eine Neuzuzügerin in Höngg: Sie lebt erst seit rund zwei Jahren hier im Quartier. Im stolzen Alter von 98 Jahren ist sie in die Hauserstiftung eingezogen. Eigentlich wollte sie noch länger zu Hause wohnen bleiben, doch die Rückenbeschwerden wurden zu gross.

Und weil der jüngste Sohn Mitglied in der Höngger Zunft ist und die grosse Alterssiedlung an ihrem vorherigen Wohnort, in Oberstrass, gerade renoviert wird, organisierte er für sie ein Zimmer in der Altersresidenz. Der neue Wohnort und das Quartier behagen der Hundertjährigen: «Hier gefällt es mir sehr gut», erklärt sie im Gespräch mit dem «Höngger».

Kindheit auf luzernischem Bauernbetrieb

Geboren ist sie am 29. April 1923 im Kanton Luzern, bei Hitzkirch. Die Eltern hatten einen Bauernbetrieb, auf dem sie mit ihren vier Geschwistern aufwuchs. Die Kindheit war einfach, aber schön: «Wir haben sehr viel Zeit draussen in der Natur verbracht», erinnert sich Schönbächler zurück.

«Verwöhnt wurden wir nicht, aber wir hatten ein gutes Leben.» Als sie zwanzig war, starb der Vater, die Mutter war nun alleine mit drei minderjährigen Kindern. Unfallversicherungen und Krankenkassen waren damals noch nicht obligatorisch, die Familie war nicht versichert. Die Mutter musste selber schauen, wie sie mit ihren Kindern über die Runden kam.

Mit der «Madame» nach Zürich ins Glück

Um ihr eigenes Geld zu verdienen, begann Schönbächler deshalb, bei einer «Madame» in Luzern als Haushaltshilfe zu arbeiten. Diese hatte sich in Zürich ein Haus gekauft, an der Dolderstrasse, und bat Schönbächler, mit ihr mitzukommen. «Ich wollte eigentlich überhaupt nicht nach Zürich, bin dann aber doch mitgegangen – nicht zuletzt, weil die Dame mir versprach, die Gotte meiner Kinder zu werden», erinnert sich Schönbächler.

Also zogen sie im Jahr 1943 gemeinsam nach Zürich. Die Dame hatte ihren Mann verloren und war ganz alleine, Schönbächler half ihr nicht nur im Haushalt, sondern begleitete sie auch ins Theater und überall hin, wo sie wollte. «Der Umzug nach Zürich war schliesslich mein Glück», so Schönbächler weiter, «denn hier lernte ich meinen Mann kennen.» Dieser war Kommissar bei der Stadtpolizei, mit ihm gründete sie eine Familie, aus der drei gemeinsame Kinder und mittlerweile 6 Enkelinnen sowie drei Urenkelinnen hervorgingen.

Lieber Berge als Meer

Das Ehepaar teilte eine gemeinsame Leidenschaft: die Berge. «Mein Mann war ein grosser Alpinist, ich glaube, er hat alle 4000er bestiegen», schwärmt Schönbächler. Er war auf vielen Tourenwanderungen unterwegs – damals allerdings noch unter ganz anderen Bedingungen als heute: «Auf die Wanderungen hat man damals noch keine Helme mitgenommen, Stirnlampen gab es auch noch nicht. Mein Mann hat seine Touren und unsere Ferien oft nach dem Vollmond gerichtet, damit er auch nachts genug Licht zum Wandern hatte», erinnert sie sich schmunzelnd.

Sie selber sei auch gerne mitgegangen auf die Hüttenwanderungen – nur auf die hochalpinen Touren, da habe sie ihren Mann alleine gehen lassen. Jemand habe ja schliesslich auch bei den drei gemeinsamen Kindern bleiben müssen.

Bis ins Alter hätten sie viel Zeit zusammen in den Bergen, vor allem in Zermatt, verbracht. Und bis heute hat das Gebirge für sie seine Faszination nicht verloren: «Die Berge geben mir Kraft», sagt sie. «Natürlich ist das Meer auch schön, aber nur so am Strand liegen, das wäre nicht so mein Ding.»

Ihr Mann verstarb leider 2014, im Alter von 92 Jahren. Er war bis zum Schluss zu Hause, Rosalia pflegte ihn mit Unterstützung der Spitex. Sie selber ist noch ausserordentlich fit, nur das Gehör macht ihr zu schaffen. «Im letzten Jahr habe ich mich mit Corona infiziert, seither höre ich leider noch schlechter», berichtet sie.

Aber spazieren gehen, das kann sie immer noch. «Ich gehe gerne in der Allee an der Hohenklingenstrasse spazieren, da kann ich von einem Bänkli zum nächsten laufen», freut sie sich. Und bei gutem Wetter reicht die Sicht sogar bis zu ihren geliebten Bergen.

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