Die Antwort steht in den Sternen – oder?

Ende des vergangenen Jahres hat der «Höngger» unter den Leser*innen eine Umfrage zur gendergerechten Sprache durchgeführt. Die Teilnahme war rege, die Meinungen sind geteilt.

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Hell leuchten die Sterne am Firmament. Im Text dienen sie der sprachlichen Differenzierung – und finden nicht bei allen Leser*innen Zustimmung. (Foto: pixabay)

Ein Thema, das bewegt: die gendergerechte Sprache. Der «Höngger» hat sich bereits vor mehr als vier Jahren dazu entschieden, den «Genderstern» einzuführen. Und seither eine Vielzahl an Kommentaren, Leserbriefen und Emails erhalten. Kaum ein Thema, das die Leser*innen mehr beschäftigt, zumindest was den Output an Reaktionen betrifft. Deshalb hat sich die Redaktion entschieden, doch einfach mal direkt nachzufragen. Fast 200 Antworten hat die Redaktion mittels einer Online-Umfrage erhalten.

Mehrheit befürwortet das «Gendern»

Und hier sind die Ergebnisse: Gefragt wurde zunächst, welche Schreibweise die Teilnehmer*innen beim Lesen bevorzugen. Mehrfachnennungen waren möglich, zur Auswahl standen der Doppelpunkt, das Sternchen, Schrägstrich, Doppelnennung oder weitere, von den Teilnehmenden selbst zu bezeichnende Möglichkeiten. 
Der Grossteil der Befragten befürwortet eine der verschiedenen Möglichkeiten, den unterschiedlichen Geschlechtern und Identitäten gerecht zu werden. Bei rund 64 Prozent der Antworten wurde eine der angegebenen Möglichkeiten zur Differenzierung gewählt.
Dabei ist die Doppelnennung die bei den Leser*innen beliebteste Schreibweise, gefolgt vom Schrägstrich und dem Doppelpunkt. Etwas weniger Zustimmung erhielt das Sternchen.
Der Doppelpunkt, so war in den Kommentaren zu lesen, fliesse eleganter in den Text ein und sei zudem auf der Tastatur praktisch gelegen. Was nach den Antworten der Leser*innen für Doppelpunkt oder Genderstern spricht, ist die Inklusion: «Dies zeigt, dass wir in Höngg nicht hinterm Mond leben, sondern eben den Sternenhimmel wahrnehmen und all die verschiedenen Sterne wertschätzen», so einer der Kommentare.

«Wer gendert, ist ein Opportunist»

Rund zwanzig Prozent der Antworten sprachen sich hingegen dafür aus, auf jegliche Sonderzeichen oder Doppelnennungen zu verzichten und stattdessen das generische Maskulinum zu verwenden.  Begründet wurde die Antwort in der überwiegenden Mehrheit der Fälle mit der Leserlichkeit der Texte sowie mit der grammatikalischen Korrektheit. Zahlreich und ausführlich waren die Kommentare in dieser Kategorie: Sterne und Doppelpunkte «verhunzen» oder «verschandeln» die deutsche Sprache, so einzelne Wortmeldungen. Und zur Gleichberechtigung trage die genderdifferenzierte Schreibweise nicht bei: Frauen würden bei Verwendung der männlichen Form mitgemeint. «Unnötiges Gendern führt nicht zu mehr Inklusion», so der Tenor, vielmehr solle zuerst die reale Diskriminierung behoben werden. Veränderungen würden in der realen Welt stattfinden, nicht auf der Symbolebene der Sprache, so eine weitere Begründung.
Ein Vorschlag, der stattdessen von verschiedener Seite vorgebracht wird, ist die abwechselnde Verwendung von männlicher und weiblicher Form, wie es in den grossen Tageszeitungen gehandhabt werde.

Auch in eigenen Texten wird gegendert

In Bezug auf die eigene Verwendung der verschiedenen Zeichen sahen die Verteilung der Präferenzen der Teilnehmenden ähnlich aus. Auch hier gaben über 60 Prozent an, beim Schreiben eine der Möglichkeiten zur Differenzierung zu verwenden. Allerdings fielen nur rund 8 Prozent der Antworten auf den Doppelpunkt und das Sternchen. Mit 35 Prozent war auch hier die Doppelnennung die beliebteste Schreibweise, gefolgt vom Schrägstrich. Keine Differenzierung oder andere, nicht genannte Schreibweisen wurden immerhin in rund 37 Prozent der Fälle gewählt.

Weiter «Sternenhimmel» beim Höngger

Mit der Umfrage hat sich somit der Eindruck bestätigt, den die eingehenden Leserbriefe in den vergangenen Monaten und Jahren erweckten: Das Thema berührt und polarisiert. Eine Vorgehens- und Schreibweise, die von einer absoluten Mehrheit bevorzugt wird, gibt es nicht. Und doch ist vielen Teilnehmenden wichtig, Diversität auch sprachlich ausdrücken zu können. Für die Redaktion ändert sich aktuell nichts: Der Genderstern wird auch in absehbarer Zukunft die Ausdrucksweise der Wahl bleiben.  

3 Kommentare


Albert Brunner

12. Februar 2023  —  04:13 Uhr

Die Frage im Titel ist leicht beantwortet: Nein, sie steht nicht in den Sternen, sie ist sonnenklar. Die Leser und Leserinnen des „Höngger» lehnen das Sternchen überdeutlich ab. Nur 8% können sich mit einem Doppelpunkt oder Sternchen anfreunden. Da der Doppelpunkt als weniger aufdringlich empfunden wird (selbst die Firma Apple verwendet ihn), dürfte der Anteil der Sternchen-Befürworter bei unter 3% liegen. Ein verheerendes Urteil! Und wie sieht das der „Höngger“? „Auch das Sternchen ist sehr gefragt. (…) Der Genderstern wird auch in absehbarer Zukunft die Ausdrucksweise der Wahl bleiben.“ Diese eklatante Missachtung des Umfrageresultats ist geradezu atemraubend. Nochmals: 84% möchten gar keine oder allenfalls eine sanfte Form des Genderns (am liebsten „Kunden und Kundinnen“).

Ein Lichtblick ist immerhin der Artikel auf Seite 10, links oben. Dort ist konsequent von „Telefonbetrügern“ die Rede, was unterstellt, dass nur Männer diese Art von Betrug begehen. Je nach Sichtweise müssten sich somit Männer als diskriminiert oder Frauen als nicht-inkludiert beleidigt fühlen. 😉

Markus Noetzli

15. Februar 2023  —  16:19 Uhr

Wo Albert Brunner recht hat, hat er recht. Bei genauerem Betrachten des Umfrageresultats stellt man fest, dass nur eine verschwindend kleine Minderheit das Sternchen bevorzugt. Nicht nur das, über ein Drittel der Umfrageteilnehmer wollen gar keine Differenzierung. Aber die «Höngger» Redaktion beurteilt das offensichtlich etwas anders und bleibt beim Stern und ignoriert die Meinung von einem grossen Teil der Leserschaft! Es ist doch sehr erstaunlich, dass ein Umfrageresultat dermassen missachtet wird.

Willy Kunz

18. Februar 2023  —  13:05 Uhr

Eigentlich wollte ich nur meine Zustimmung zu den voranstehenden Kommentaren kurz begründen, aber mit der Titelstory im heutigen Tages-Anzeiger (18. Februar) dürfte das Schicksal des Gendersterns hoffentlich besiegelt sein – Stadtverwaltung und «Höngger» ausgenommen.
Es gibt aber noch einen Aspekt, der kaum je erwähnt wird. Das von einigen Leuten verteufelte generische Maskulinum ist nicht nur unschlagbar kurz und praktisch, sondern auch am stärksten inkludierend. Zu unterstellen, dass sich jemand unter dem Begriff «die Einwohner von Höngg» nur Männer vorstellt, ist ein Anschlag auf die Intelligenz der Leser oder Zuhörer (samt entsprechenden «-innen»). Vielmehr sind damit eben alle in Höngg lebenden Menschen gemeint.
Umgekehrt betont aber «die Einwohner*innen», dass ausdrücklich von Männern und Frauen die Rede ist. Die scheinbar inkludierende Formulierung schliesst damit die «es» der LGBTQ+ – Gemeinde durch die Nichterwähnung explizit aus. Ob dies im Sinne der Sprachpolizei ist, wage ich zu bezweifeln.

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