Gewerbe
Der Primeur 2019 ist frisch und elegant
Es war kein einfaches Jahr für die Weintrauben. Früh war es warm, im April gab es dafür noch Schnee, der Mai war nass und kalt und im Juni wurde es plötzlich heiss. Die Weine sind dennoch schön geworden.
15. Januar 2020 — Patricia Senn
Drei junge Tambouren trommelten den Neujahrs-Apéro im Fasskeller von Zweifel 1898 am Samstag, 11. Januar, offiziell ein, bevor Walter Zweifel, Delegierter des Verwaltungsrates und Zunftmeister der Zunft Höngg, die Gäste begrüsste und auch gleich Walter H. Käser, Zunftmeister der Zunft zu den drei Königen vorstellte, der nach alter Tradition nach Höngg gereist war, um dem Primeur seinen Segen zu geben. Käser hat selber Höngger Wurzeln: Sein Grossvater war just im Keller der Zweifels Küfer gewesen. Seine Mutter lebte Tür an Tür mit der Familie Zweifel und hörte jeweils durch die Wand, wenn dem jungen Paul Zweifel Gute-Nacht-Geschichten vorgetragen wurden.
Anspruchsvolles Winzerjahr
«Es war ein herausforderndes Jahr», erzählte Önologe Urs Zweifel anschliessend. Mutter Natur liess ihre Muskeln spielen. Das Jahr begann erneut zu warm, im April machte der Schnee die Winzer nervös, doch der Frost richtete keine Schäden an bei den frühzeitig ausgetriebenen Reben. Der Mai präsentierte sich kalt und nass, der falsche und echte Mehltau machten es nötig, Pflanzenschutz zu spritzen. Im Juni und Juli wurde es immer wieder rekordmässig heiss und die Reben explodierten. Der August brachte Gewitter und Niederschlag, im Wümmetmonat September blieb es zwar trocken, aber leider nur bis zum 23. September. Just am Tag, an dem die Weinlese geplant gewesen wäre, fing es zu regnen an. Die spätere Wümmet gab den Trauben aber die Möglichkeit, noch mehr Geschmack zu entwickeln. Das Resultat sind schöne Weine, keine Alkoholbomben wie 2018. Der Primeur 2019 ist ein ungefilterter Rosé und zeigt sich von seiner eleganten und fruchtigen Seite. Neben Trauben von Remigen, Weinigen und Otelfingen enthält er zehn Prozent Weissweintrauben der neuen Traubensorte Muscaris, einer fruchtigen Traube mit Muskatnote und ein wenig Restsüsse.
Im Autopilot mit Tempo 30 durch die Stadt
Kein Neujahrs-Apéro ohne Drei-Königs-Geschichte, vorgetragen von Walter Zweifel. In der sechsten Episode des wirtschaftlichen und politischen Jahresrückblicks durfte, neben dem Nachfolger von Sepp Blatter, die Stadtpräsidentin, respektive Königin Corine Mauch und ihr Stadtrat nicht fehlen. Diese hätten den Autopilot eingeschalten, so Zweifel, und düsten im Blindflug mit Tempo 30 durch eine Stadt ohne Parkplätze, dafür mit Alleebäumen. Doch die Alleebäume vor der Firma Zweifel 1898, die müssten einer Bushaltestelle geopfert werden, die um zwanzig Meter verschoben wird. Seit einem Jahr Zunftmeister und träfe Reden gewohnt, schlug Zweifel vor, doch gleich generell Tempo 30 einzuführen und nur die Ausnahmen auszuschildern. Nicht die dümmste Idee angesichts des aktuellen Schilderwald in Höngg. Auch für die Ensemble-Türme hätte Zweifel eine Lösung: Auf allen Seiten bepflanzen, im Süden mit Reben, im Westen mit Moos und Farn, im Norden mit Hanf und im Osten mit Wachholder. Aus letzterem mache er dann den Greta-Gin. Dieser hatte seinen Namen übrigens schon lange vor der Klimaprotestbewegung.
Zunftmeister «grillt» Zunftmeister
Schliesslich war es an der Zeit, dass Zunftmeister Walter H. Käser den Primeur segnete. Doch er es sich nicht nehmen, den Gastgeber zuvor ein bisschen durch die Mangel zu drehen. «Mir kommen die Tränen», eröffnete Käser ironisch seine Rede. Er habe das Gefühl, die Situation im Quartier belaste den Höngger Zunftmeister so sehr, dass er es sich von der Seele reden müsse. Doch irgendwie sei tatsächlich der Wurm drin im Quartier, es verkomme zu einer Schlafgemeinde ohne Pfiff, selbst das Zunftlokal Desperado habe drei Tage vor dem Rechenmahl «zum letzten Mal <Olé> gerufen», frotzelte Käser. Immerhin habe es Zweifel aber als einer der 300 reichsten Schweizer in die Zeitschrift «Bilanz» geschafft, wenn auch nur auf die letzte Seite. Zweifel entgegnete, dass man mit seinem Namen immer an letzter Stelle käme. Auch sei er nicht als Person in den Top 300, sondern als Vertreter der Familie Zweifel, welcher auch die Zweifel Pomy-Chips gehöre, «und viele kleine Chips und Trauben geben halt auch einen grossen Misthaufen», meinte er. Das Familienvermögen sei weitgehend in die Produktionsanlagen in Spreitenbach und Höngg investiert. Worauf sich Käser zur Bemerkung hinreissen liess, ob er vielleicht mit dem Hut herumgehen solle, um eine Kollekte zu sammeln. Es war ein richtiger «Roast», spitz und sarkastisch, aber dennoch freundschaftlich. Leider segnete Zunftmeister Käser den Primeur dieses Jahr zum letzten Mal. Als Dankeschön überreichte Zweifel ihm «von Walti zu Walti» den MW 51 Assemblage aus Pinot Noir, Malbec, Merlot und Zweigelt, den er gemeinsam mit seinem Geburtszwilling Marc Landolt zu ihren runden Geburtstagen produziert.
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