Der Herr der Folien

Wenn am Abend des 25. Septembers das 41. Wümmetfäscht, dieses Jahr mit Gewerbeschau, eröffnet wird, dann finden Besuchende den Weg dorthin respektive auf dem Festplatz von Attraktion zu Attraktion mitunter dank Jürg Saluz, dem Mann, dessen Beschriftungen auch schon abgehoben haben.

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Jürg Saluz überwacht in seinem Atelier den Druck einer ersten Wümmetfäscht-Werbeblache.
15. Mai 2015, die frisch von Jürg Saluz beschriftete Super Constellation im Hangar der SR-Technics.
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Aufgewachsen ist Jürg Saluz, 1956 in Chur geboren, im Zürcher Oberland, weil der Vater dort bei der Armee angestellt war. «Deshalb habe ich eine Zürischnurre», lacht Saluz, und fügt ebenso in reinstem Bündnerdialekt ein «aber i kan scho, wenni will» an. Wäre es nach dem Vater gegangen, so wäre aus dem schmächtigen Jungen ein Tiefbauzeichner oder Armeeinstruktor geworden, doch das waren nicht dessen Welten. Ihn zog es gleich nach der Schule nach Zürich, denn er wollte Dekorationsgestalter werden. «Wahrscheinlich weil ich als kleiner Junge so gerne mit meinem Nani, der Grossmutter, am Sonntag von Flims nach Chur zum Globus „Schaufensterlen“ ging. Das machte man damals noch: Man stand an Sonntagen vor geschlossenen Läden und bestaunte die Auslage im Fenster – und mich hat diese Welt immer fasziniert.» Also zog er 1972 nach Zürich und begann die Ausbildung beim damals für seine Schaufenster berühmten Warenhaus Globus – und hat die Berufswahl seither keinen einzigen Tag bereut. «Nicht schlecht, nach bald 45 Jahren, oder?», fragt er strahlend.
Doch schon früh in der Kunstgewerbeschule entdeckte er seine Liebe zur Typografie, zur Gestaltung von Schriften und Schriftbildern. So wurde er später zuerst Teilhaber einer Schriftenmalerei und machte sich vor 20 Jahren mit dem «Saluz Atelier» in Höngg selbstständig. Sein erster Grossauftrag führte ihn in die Theaterwelt: Das Musical Spacedream, im Rahmen einer Gewerbeschau in Bremgarten uraufgeführt, zügelte nach Baden in die alten ABB-Hallen und wurde zum Grosserfolg − einfach alles, was es dort zu beschriften gab, habe er beschriftet, und: «Diese Zeit war fantastisch: Das Ensemble, das funktioniert, auch wenn nie ganz klar ist wie; diese Welt ist etwas Besonderes.»

Kein Fest ohne Engagierte und Wegweiser

Auch das Wümmetfäscht findet dieses Jahr mit einer Gewerbeschau statt, und für beides setzt sich Jürg Saluz seit vielen Jahren ein: «Wir sind ein Dorf, „mir poschted im Dorf“, treffen uns dort und sind alle per Du», begründet er sein Engagement, «mir gefällt das und das ist wichtig – und so engagiert man sich auch gerne für dieses „Dorf“.» So denken und handeln noch einige in Höngg, und ohne sie gäbe es das Wümmetfäscht nicht. Gegen drei Wochen arbeitet Saluz zusammengezählt für das Wümmetfäscht. Dank den von ihm angefertigten grossen Werbeblachen, Plakaten und Richtungsweisern finden auch auswärtige Besuchende den Weg ans WüFä und dort jenen von Attraktion zu Attraktion. Ab 31. August werben wieder grosse Blachen wie jene am Fusse des Rebberges Chillesteig, bei der Europabrücke, und kleinere im Dorf selbst für das WüFä − zusammen mit Weltformatplakaten, der Schaufensterbeschriftung beim Polizeiposten und rund 15 Firmen- und Privatautos, welche auf ihren Heckfenstern Werbefolien anbringen. Sind die Besucher auf dem Festplatz, führt sie das Personenleitsystem mit Wegweisern weiter: Wo sind die Attraktionen? Wo geht es zum WC, wo ist die Sanitätsstelle? Ein Festplatz ohne Wegweiser wäre ein heilloses Durcheinander.

Technik einst und heute

Um dem vorzubeugen, greift man auf Erfahrungen der letzten Jahre zurück und beugt sich über die aktuellen Pläne. Peter Kümmin, Verantwortlicher im OK Wümmetfäscht, stellt eine Liste der nötigen Elemente zusammen und Grafiker Bernhard Gravenkamp liefert Jürg Saluz die fertigen Druckdaten. Dann macht sich der «Herr der Folien» an die Arbeit. Beim Interview zu diesem Artikel führt er den Schreibenden durch sein Atelier im Souterrain eines Wohnhauses an der Imbisbühlstrasse. Einst selbst gelernter Dekorationsgestalter staunt dieser, wie sehr sich die Technik verändert hat, seit er vor 25 Jahren den Beruf verlassen hat. Wo früher noch Schriften und Signete auf die Folie projiziert, gezeichnet und dann von Hand ausgeschnitten wurden, schneidet heute die Maschine, der sogenannte «Plotter», nach Vorlage und dies genauer als jeder Mensch. Und Grafiken oder Fotografien, einst teure Einzelanfertigungen, druckt heute der Vierfarbendigitaldrucker auf Folien, Blachen oder auch Stoff, bis zu 1,5 Meter breit und so lang wie die Materialrollen sind. Konnten früher Folien fast ausschliesslich auf ebene Flächen geklebt werden, ziehen Profis wie Saluz heute Thermofolien auch über Rundungen, zum Beispiel bei Autos. Doch das ist nur etwas für Profis: «Das ist hoch anspruchsvoll», sagt Saluz, «es reicht nicht, mit der Folie „Duzis“ zu sein, man muss sie fast lieben, sonst geht gar nichts.» Worauf sich der Schreibende an unzählige Folien seines ersten Lehrjahres erinnert, die in seinen Fingern sogar auf flache Ebenen aufgezogen mit Rümpfen und Blasen zu Abfall wurden.

Der schönste Job hob ab

Entlang einer Atelierwand stehen Rollen von Folien in allen Farben und Qualitäten. Von solchen für kurzfristige Anlässe, die nicht lange halten und dafür leicht wieder entfernbar sein müssen, bis zu Hightechfolien, wie sie zum Beispiel bei der Beschriftung von Autos oder Flugzeugen eingesetzt werden. «Aber auch die besten Folien sind nach fünf Jahren alt. Auch wegen den Farben, die heute umweltverträglich sein müssen und nicht mehr wie früher aggressive Chemikalien enthalten dürfen», erklärt Saluz.
Doch bevor die Folien verarbeitet werden, müssen die Vorlagen am Computer digital aufbereitet werden, damit Drucker oder «Plotter» exakt arbeiten können. Vier Computer laufen simultan: Auf einem werden alle Aufträge aufbereitet, einer steuert den grossen Digitaldrucker, einen den «Plotter», auf einem werden die Daten gespeichert und auf einem die üblichen Büroarbeiten erledigt.
Während Jürg Saluz zur Demonstration die Druckdaten für die erste Wümmetfäschtblache aufbereitet, fällt der Blick auf ein Modellflugzeug, das über einem Computer hängt. Saluz, ein Hobbypilot im Kleinformat? Er lacht über die Frage: «Nein, den haben mir Freunde zum Geburtstag geschenkt und wie so vieles hier» – es sieht im Saluz Atelier ähnlich aus wie in der stadtbekannten Olé-Olé-Bar – «hängte ich ihn als schöne Erinnerung eben auf.» Hier drückt er durch, der Dekorationsgestalter. Ob dieser heute, in der zweidimensionalen Welt der Schriften, nicht das Dreidimensionale vermisst? «Manchmal, aber die dritte Dimension ist heute das Objekt, das ich beschrifte», antwortet Saluz und erzählt, während im Atelier bereits der Drucker leise zu surren beginnt, von jenem Tag Mitte Mai, als er die Super Constellation, wohl das schönste Verkehrsflugzeug aller Zeiten, zu ihrem 60. Geburtstag beschriften durfte. «Ich habe das zusammen mit meinem Sohn gemacht, die ganze Crew der Superconnie schaute uns zu und freute sich, weil es so schön aussah.» Vom Hangar der SR-Technics in Kloten ging danach der Flug nach Basel, wo die Flughafenfeuerwehr für die Taufe mit der Wasserdusche bereit stand. «Ja, das war sicher ein einmaliger Job», schwärmt Saluz, «nicht viele können von sich sagen, so ein Prachtstück eines Klassikers noch etwas schöner gemacht zu haben.»
Nun, das Wümmetfäscht ist mit 41 auch ein Klassiker, oder?

Saluz Atelier
Imbisbühlstrasse 101
8049 Zürich
Telefon 044 340 15 90
info@saluzatelier.ch
www.saluzatelier.ch

 

Wümmetfäscht & Gewerbeschau
Freitag 25. bis Sonntag, 27. September
Rund um die reformierte Kirche Höngg und in der Ackersteinstrasse.

 

Foto Folgt:
15. Mai 2015, die frisch von Jürg Saluz beschriftete Super Constellation im Hangar der SR-Technics. (Foto: Jürg Saluz

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