«Der Frauenfussball hat sich enorm entwickelt»

Seit zehn Jahren spielen die Damenmannschaften des SVH in der Meisterschaftsliga. Der Verein ist unterdessen im Frauenfussball einer der grössten auf Stadtgebiet und hat auch eine Nationalspielerin mitgeprägt. Wie es dazu kam erzählte Barbara Gubler dem «Höngger».

Alle Damenmannschaften des SVH nach einem Trainingsabend Ende September vereint.
Winterpause für Barbara Gubler: Zum Fototermin auf dem Kunstrasenfeld des SVH liess sich nur die Trainingsmauer aufbieten.
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Barbara Gubler, SVH-Koordinatorin Juniorinnen und Frauen, erinnert sich gut an die Anfänge des Höngger Frauenfussballs: «Vor genau zehn Jahren kamen die ersten Frauen und wollten bei uns trainieren.» Damals erlebte der Frauenfussball einen regelrechten Boom – mitunter wegen der Frauen-Europameisterschaft 2005, für welche sich die Schweizerinnen zwar nicht qualifizieren konnten, aber in den Qualifikationsspielen von sich reden machten. «Man konnte sich damals glücklicherweise von diesem ‹Mannsweib-Image› distanzieren, unter dem der Frauenfussball früher litt. Seither hat sich der Frauenfussball einen Platz als ganz normale Sportart für ebenso normale Mädchen erobert», so Gubler. Spätestens wer die Spiele des Nationalteams an der diesjährigen WM in Kanada verfolgte − für welche sich die Schweizerinnen eindrucksvoll qualifiziert hatten −, konnte sich davon überzeugen: Da wurde bester Fussball gezeigt und für die umjubelte Schweiz war erst im Achtelfinal mit einem 0:1 gegen Gastgeber Kanada Schluss.
Doch damals, 2005, waren es Höngger Schulmädchen, die mit der Frage auf den Hönggerberg kamen, ob beim SVH nicht auch Frauen Fussball spielen könnten. «Zuerst sind wir damals etwas erschrocken», blickt Gubler offen zurück, «doch dann spielten wir den Ball zurück: Bringt genügend Mädchen zusammen und wir gründen die Mannschaft, war unsere Botschaft». Innert Kürze seien genügend Mädchen dabei gewesen, der SVH hielt Wort und die erste Mannschaft wurde gegründet.
Doch im Verein blieb man vorerst skeptisch, denn einige Jahre früher war ein erster Versuch mit einem Frauenteam gescheitert. Doch diesmal lief alles rund wie das zu tretende Leder. Bald sprach es sich herum, dass man beim SVH auch als Mädchen oder Frau willkommen ist und unterdessen gehört der SVH zusammen mit dem FC Bluestars und dem SC Wipkingen zu den Grossen im stadtzürcherischen Frauenfussball. Zumindest was den Breitensport betrifft: Auf jeder Altersstufe können Mädchen Fussball spielen, abgewiesen musste bislang niemand werden.
Überhaupt windet Barbara Gubler dem SVH einen grossen Kranz, wenn sie betont, wie positiv die Frauenteams von Beginn weg durch alle Chargen aufgenommen worden seien, vom Platzwart bis zum Vorstand: «Man schaute sehr für uns, wir bekamen als erstes Frauenteam die gleichen Rechte und wurden immer sehr gefördert. Heute sind alle Frauenteams völlig integriert und werden geschätzt. Die Mädchen und Jungs gehen sogar gegenseitig zu den Spielen und fiebern mit.» Von anderen Vereinen weiss man, dass sich Frauenteams im Offside wiedergefunden hatten und nach einer Weile eigene Vereine gründeten. Nicht so beim SVH, da ist man eben eine Familie, was seitens des Vereins offenbar nicht nur verbal betont wird.

Die kleinen Unterschiede

Gefragt, ob es Unterschiede gebe in der trainerischen Betreuung von Mädchen und Jungs, kommt Barbara Gubler, die selbst die erste Mannschaft trainiert, nur eines in den Sinn: «Bei Mädchen muss man toleranter sein, denn im Gegensatz zu fussballvernarrten Jungs haben Mädchen oft auch noch andere Hobbys: Die eine spielt ein Instrument, die andere ist noch in der Pfadi – das braucht manchmal Kompromisse, aber dazu biete ich gerne Hand.»
Gleich ist hingegen, dass der kritische Moment dann kommt, wenn die Jungen eine Lehre oder das Gymnasium beginnen: Dann werden die Prioritäten anders gesetzt und der Fussball rückt eher in den Hintergrund. Nur wer wirklich angefressen sei oder gar Profi-Ambitionen habe, trainiere dann weiter. «Aber es ist nicht so, dass sich dann die Spreu vom Weizen trennt, denn wir sind und bleiben ein Verein für den Breitenfussball.»

Der Frauenfussball kann sich zeigen

Vor zehn Jahren sei Frauenfussball nicht wirklich sehenswert gewesen, gibt selbst die begeisterte Fussballerin zu. Doch heute sieht man attraktive Spiele voller Leidenschaft und Spielfreude, die mit klarem Spielaufbau zügig in Richtung gegnerischem Tor vorgetragen werden. Da gibt es fast kein taktisches «hinten Zumauern», wie man dies von gewissen Männerteams leider immer noch kennt.
«Auch sonst ist ein grosser Umbruch im Gang», konstatiert Gubler, «bei den Jungen so um die 20 merkt man, dass da Frauen spielen, die schon seit frühster Kindheit trainieren: Sie sind technisch und konditionell viel weiter als einige ältere, die aktuell noch in der obersten Liga spielen.»
Natürlich reiche es nicht an den Männerfussball heran, aber das könne auch nie das Ziel sein: «Nur schon von der Physis her wird der Frauenfussball immer anders bleiben: etwas weniger hart, etwas weniger kampfbetont.»

Vom Hönggerberg in die Nationalmannschaft

An der WM war mit Barla Deplazes auch eine Stürmerin im Kader, die ihre Karriere 2005 bei Barbara Gubler und dem SVH begonnen hatte und geblieben war, bis sie 2010 zum FCZ wechselte, wo sie heute noch spielt. «Ich sah mir ein Vorbereitungsspiel in Baden an und das war ein schönes Gefühl zu wissen, dass der SVH etwas zur Karriere von Barla beigetragen hatte – sie ist mit 20 noch sehr jung und wenn sie kein Verletzungspech hat, so hat sie sicher noch eine gute Zeit vor sich.» Vielleicht folgt ihr im SVH-Nachwuchs ja bereits das eine oder andere Mädchen auf dem Fuss? «Das ist gut möglich», lacht Gubler, «wenn ich sehe, was an talentierten, spielfreudigen Juniorinnen in die oberen Mannschaften nachrückt, so hat die erste Mannschaft sicher kein Nachwuchsproblem.» Diese stieg letztes Jahr in die 3. Liga auf und hält sich dort im Mittelfeld, obwohl die Mannschaft noch sehr jung ist: «Die älteste Spielerin ist erst 23, die nächstjüngere bereits ‹nur› noch 20.» Vom Alter und der Erfahrung her, so Gubler, seien die Frauen mit rund 28 bis 30 Jahren auf dem Zenit. Man kann sich also Zeit lassen mit dem nächsten Aufstiegsziel.

Von der E-Juniorin bis zur Trainerin

In der SVH-Familie wird generell alles längerfristig angegangen. So erstaunt nicht, dass nicht wenige Spielerinnen den ganzen Weg von den E-Juniorinnen bis nach oben dem SVH treu bleiben. Das sei nicht selbstverständlich, so Gubler, denn viele Talente könnten auch gehen und in höheren Ligen spielen. Tatsächlich werben andere Vereine regelässig um die guten Spielerinnen, doch sie selbst, so Gubler, mache das nicht, auch wenn die Verlockung gross sei, wenn auf einer bestimmten Position jemand fehlt – doch im Frauenfussball sollten die Vereine zusammenarbeiten, anstatt sich die Spielerinnen abzuwerben. «Wenn eine Spielerin aber partout gehen möchte, stehe ich ihr sicher nicht im Weg.» Es wolle allerdings wohl bedacht sein und so steht die Koordinatorin auch mit den Eltern in nahem Kontakt: «Die Schule oder der Beruf soll Vorrang haben, die Fussballkarriere kommt dann schon zur richtigen Zeit.»

Von Trainerinnen und Wünschen

Bereits gekommen ist die Zeit, um Frauen als Trainerinnen mehr zu fördern. Auch in diesem Amt müsse man Vorbilder aufbauen. Jüngst ist das Barbara Gubler mit zwei Spielerinnen gelungen, welche das Trainerdiplom absolvierten und jetzt die E-Juniorinnen trainieren. Eine andere ehemalige Spielerin, die sich mehrfach am Knie verletzt hatte und die Nockenschuhe an den Nagel hängen musste, liess sich nach dem ersten Frust zur Trainerausbildung motivieren und trainiert nun mit Begeisterung eine Mannschaft. Gubler selbst, die erst durch ihre Töchter zum Fussball kam, absolvierte damals als eine der wenigen Frauen den Ausbildungsgang und hat heute als Koordinatorin alle sechs Mannschaften und deren total 13 Trainerinnen und Trainer unter sich.
Wenn sie sich etwas wünschen könnte für die Frauen des SVH, dann wären dies mehr Hallen für das Wintertraining – auch die Männer trainieren im Winter in der Halle, doch die Fussballvereine müssen sich die wenigen Hallen mit all jenen Sportvereinen teilen, welche das ganze Jahr über dort trainieren. So wird es für jede neue Mannschaft eng. Alle Juniorinnen- und Frauenteams trainieren dieses Jahr nur jede zweite Woche in der Halle – und sonst im Freien.
Auch mehr Garderoben wären schön, doch da tut sich vielleicht im Rahmen der Gesamtsanierung etwas. Bliebe als dritter Wunsch noch der dritte Platz: Grün Stadt Zürich hat zwar den Rasenplatz des Turnvereins Höngg ganzjährig gemietet, damit der SVH dort trainieren kann, doch das Feld ist für Spiele eigentlich zu klein.
Nun, es ist ja Weihnachten, da ist jeder Wunsch erlaubt – und vielleicht geht er eines Tages so in Erfüllung wie jener der fussballbegeisterten Höngger Mädchen, damals vor zehn Jahren.

Weitere Informationen unter www.svhoengg.chOder direkt bei Barbara Gubler unter bmgubler@hispeed.ch oder Telefon 079 653 33 54.

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