Dem Strom der violetten Badekappen entgegen

Am 23. August fand die diesjährige Seeüberquerung statt. Mit dabei waren viele freiwillige Rettungsschwimmer*innen aus Höngg. Darum zog es auch den «Höngger» zum See – allerdings nicht ins, sondern aufs Wasser.

Die Pontoniere bringen das Gepäck von einem Ufer zum anderen. Im Hintergrund wird geschwommen. (Foto: das)
Achtung, fertig, los! (Foto Stadtzürcher Seeüberquerung)
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Im Strandbad Tiefenbrunnen herrscht an diesem Mittwochnachmittag Hochbetrieb. Neben dem ganz alltäglichen Badebetrieb findet heute ein sportlicher Grossanlass statt: die Seeüberquerung. Das Areal um die grosse Rutschbahn und den Nichtschwimmerbereich ist abgesperrt, Verpflegungsstände sind aufgestellt, Rettungskräfte sind vor Ort: Hier werden die 8224 Schwimmer*innen, die am gegenüberliegenden Seeufer ins Wasser steigen, nach der erfolgreichen Bewältigung der 1,5 Kilometer langen Strecke in Empfang genommen.

Einmal über den See für den «Höngger»

Auch der «Höngger» darf dem Anlass beiwohnen – allerdings nicht selber schwimmend, sondern viel bequemer: an Bord eines Motorboots. Jeanette Kuster, stellver­tretende Verantwortliche für die Kommunikation der Seeüberquerung, nimmt die Journalistin am Medientreffpunkt in Empfang und begibt sich mit ihr zum Steg.

Via Funk wird ein Boot organisiert. Der Kapitän, ein Freiwilliger, der sich mit seinem privaten Boot als Helfer zur Verfügung gestellt hat, winkt freundlich und bittet die zwei Frauen einzusteigen. Über die Reling schwingt sich die Journalistin an Bord, die Überfahrt kann beginnen.

Es ist bereits etwas späterer Nachmittag, die ersten Startgruppen sind schon im Ziel angekommen. Überall auf der mit Bojen und Ballons gekennzeichneten Strecke sind die violetten Badekappen der Schwimmerinnen auszumachen. Das Boot nähert sich ihnen. Einige crawlen, die meisten nehmen es aber eher gemütlich. Ausser Puste ist niemand. Doch zur Sicherheit sind entlang der Schwimmstrecke alle 50 bis 70 Meter Rettungsschwimmerinnen der Schweize­rischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) postiert.

Die Freiwilligen, von denen rund die Hälfte aus der SLRG Sektion Höngg Höngg stammt, achten genau auf die Zeichen der Teilnehmenden. «Mit gestrecktem Arm aufs Wasser klopfen ist das Signal dafür, dass man nicht mehr kann und aufgenommen werden möchte», so Kuster. «Im Notfall springt die Bootsbesatzung natürlich auch ins Wasser, um jemanden zu retten.» Dies komme zum Glück selten vor, doch die Aufnahme von Personen, die sich überschätzt haben, sei keine Seltenheit. Die allermeisten aber absolvieren die Distanz problemlos.

«Im Durchschnitt brauchen die Teilnehmenden rund eine Dreiviertelstunde für die Strecke, erklärt Kuster. «Die schnellsten sind in weniger als einer halben Stunde im Ziel», ergänzt sie. Doch die Geschwindigkeit spielt bei der Seeüberquerung keine Rolle, die Zeit wird nicht gemessen.

Ein organisatorischer Kraftakt

Es geht hier nicht um Wettbewerb, sondern um das Erlebnis. Dieses ist auf der Zürcher Sportagenda bereits seit 1985 eine fixe Grösse. Voraussetzung für die Durchführung ist eine Seetemperatur von mindestens 21 Grad und eine stabile Wetterlage. Teilnahmeberechtigt sind alle, die sich die weite Strecke zutrauen und mindestens 16 Jahre alt sind, Jugendliche ab zwölf Jahren dürfen in Begleitung einer erwachsenen Person teilnehmen.

Unterstützt wird der Verein Stadtzürcher Seeberquerung bei der Durchführung von einer hohen Anzahl Freiwilliger: Rund 380 Personen aus den unterschiedlichsten Vereinen sind an diesem Nachmittag im Einsatz. Dazu gehören etwa die Pontoniere, die für den Gepäcktransport zuständig sind. Unser Boot kreuzt einen ihrer Weidlinge, vollbeladen mit Rucksäcken und Taschen. «Immer 200 Gepäckstücke werden gemeinsam in einem Boot über den See transportiert. Diese werden nun ausgeladen und an einem gekennzeichneten Ort deponiert», erklärt Kuster die Logistik.

Geschwindigkeitskontrollen auf dem See

Nun nimmt der Kapitän Fahrt auf, der nächste Gruppenstart im Mythenquai steht kurz bevor, der soll nicht verpasst werden. Doch er wird bald ausgebremst: Von rechts nähert sich ein kleines Motorboot der Wasserschutzpolizei. Die Crew grüsst freundlich und macht darauf aufmerksam, dass hier eine Höchstgeschwindigkeit von zehn Stundenkilometern herrsche. Augenblicklich wird das Tempo gedrosselt.
Der Startschuss lässt sich nicht mehr mitverfolgen, doch es gibt auch so genug zu sehen. Zum Beispiel die Schiffschleuse: Einige 100 Meter vom Start entfernt befindet sich die gekennzeichnete Stelle, an der die Schiffe die Seeüberquerung kreuzen können. Nähern sich die Schiffe, blockieren Pedalos auf Kommando der Wasserschutzpolizei den Durchgang für die Schwimmer*innen für einige Minuten.

Oder das Aufwärmen an Land: Im Mythenquai macht sich nun noch die allerletzte Gruppe von rund 1000 Teilnehmenden für den Start bereit. Und damit sie nicht einfach so unvorbereitet ins Wasser hüpfen, wird ihnen vor dem Start ein professionelles Warm-up durch Fitnesscoaches geboten.

Der Kapitän dreht ab, es ist Zeit, zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Hier herrscht nach wie vor reges Treiben. Die ankommenden Personen werden herzlich in Empfang genommen.

Für alle gibt es zunächst einen Becher Bouillon, um sich nach der langen Zeit im Wasser wieder aufzuwärmen, danach wird ein Teller Risotto gereicht. Das Gepäck wartet bereits am Sammelpunkt – die Organisation klappt reibungslos. Und anschliessend mischen sich die violetten Badekappen fast unbemerkt unter die übrigen Badegäste.

Die ganz Unermüdlichen versuchen sich noch auf dem Sprungturm, die Genügsameren nehmen ein Sonnenbad und geniessen die verdiente Entspannung nach der körperlichen Leistung.

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