«Das Kantonale» war zu Gast auf dem Hönggerberg

Von Freitag, 15. Juni bis Sonntag, 1. Juli, war an elf Tagen verteilt auf drei Wochenenden unüberhörbar etwas los auf dem Hönggerberg: Der hiesige Schiessplatz war Teil des 26. Zürcher Kantonalschützenfestes, das von 7160 Schütz*innen aus der ganzen Schweiz besucht wurde.

Volle Konzentration: In der 300-Meter-Anlage war fast durchgehend jeder Platz besetzt.
Aufmerksam wird beobachtet, was die anderen für Ergebnisse erzielen.
Die Warner überwachen jede Schussabgabe und werten das Ergebnis aus.
Mittagspause unter Sonnenschirmen und Vereinsstandarten.
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Es ist 13.30 Uhr an einem der elf Tagen, da auf dem Schiessplatz Hönggerberg an drei Wochenenden das 26. Zürcher Kantonalschützenfest, kurz «das Kantonale», über die Bühne ging. Es ist gerade ruhig, denn was sich morgens Punkt acht Uhr nach dem ersten «Schuss frei»-Kommando weit über die eigentliche Schiessanlage hinaus bemerkbar machte, hält nun, pünktlich zwischen 12 und 14 Uhr, Mittagsruhe: Die Leidenschaft der Schütz*innen.
Auch die zwei Zivilschützer, welche oben an der Strasse die ankommenden Autos zu den richtigen Parkplätzen weisen, sitzen im Schatten. Einer von ihnen lacht auf den Stockzähnen darüber, dass er, als Pazifist im Zivil- statt Militärdienst, nun hier seine Tage abdienen muss. Und dann sei er auch noch schräg angegangen worden von einem Passanten, der sich über den Lärm ärgerte – doch der sei eine Ausnahme gewesen, betont er.
Das Wetter meint es gut mit den Schütz*innen und allen Helfer*innen vor Ort. An keinem einzigen Tag regnete es und so sitzen auch heute alle über Mittag an den langen Festbänken vor dem Schützenhaus zusammen unter Sonnenschirmen. Das Servicepersonal des Restaurants Schützenstube hat alle Hände voll zu tun. Die letzten Essen sind bestellt, heute gab es Würste, an einem anderen Tag heissen Fleischkäse mit Kartoffelsalat, das sei das Lieblingsmenü der Schützen, heisst es hier. Die letzte Runde bevor es dann wieder weiter geht ist bestellt und nun hat auch das Personal Zeit für eine kurze Stehpause.

Alle Landesteile sind vertreten

Derweil wehen die Standarten der Vereine über den Festbänken und manche Gruppe ist im einheitlichen Tenü erschienen. Man kommt beim besten Willen nicht umhin, einen besonderen Typ Mensch auszumachen, einen, den man in Stadtzürcher Gefilden selten in dieser Zahl an einem Ort sieht. Tatsächlich sind Schützenvereine aus der ganzen Schweiz angereist. Alle Landessprachen sind zu hören und werden in Höngg so gut wie möglich in ihrer Muttersprache empfangen. «Ah, die Ticinesi», klingt es da, als sich eine Gruppe aus dem Mendrisiotto meldet. Wie alle anderen auch haben sie sich online angemeldet und ein Zeitfenster reservieren lassen. Die Festverantwortlichen versuchen, die Wünsche zu erfüllen und greifen nur im Notfall auf die als zweite Priorität angegebenen Schiessanlagen zurück.
Eher selten ist es, dass jemand alleine an ein Kantonales reist. Meistens reisen ganze Vereine an, denn so ein Kantonales ist auch eine gute Gelegenheit für einen gemeinsamen Ausflug. Die grössere Gelegenheit bieten alle fünf Jahre nur noch die Eidgenössischen, nächstes Mal 2020 in Luzern. Kantonale hingegen gibt es jährlich deren vier bis fünf. Die Kantone richten sie unterschiedlich oft aus, im Schnitt so alle sechs bis acht Jahre. Organisierende Gastgeber sind jeweils Schützenvereine oder -stände, die sich zusammenschliessen, um diesen Grossanlass durchzuführen. Diesmal, im Limmattal, waren es fünf Austragungsorte, einer davon eben der Schiessplatz Hönggerberg.
Für nicht wenige Schütz*innen ist es ein Ziel, jedes Kantonale mindestens einmal geschossen zu haben und Auszeichnungen mit nach Hause zu nehmen. Zu welchem Schiessstand sie reisen, wird nach individuellen Kriterien entschieden: «Höngg ist bekannt für die gute 300-Meter-Anlage; sie geht eben aus und es herrscht kaum je störender Wind», sagt Roland Spitzbarth, Präsident der Schiessplatz-Genossenschaft Höngg. Geschossen wird auch mit Pistolen auf 50 und 25 Meter sowie mit Kleinkalibergewehren auf 50 Meter, die olympische Distanz. Bei diesem Kantonalen war Höngg der einzige Stand, auf dem diese überhaupt geschossen werden kann.

Neumünster dominierte über 50 Meter

Am Ende des Tages nehmen treffsichere Schütz*innen eine Auszeichnung mit nach Hause, einen Stich, einen Kranz und viel anderes, das in verschiedensten Disziplinen und Wettkampfarten erreicht werden kann, bis hin zum Gewinner der Festsiegerkonkurrenz. Es ist eine Wissenschaft für sich, die im fast 200-seitigen Festprogramm ihren Raum einnimmt.
Vital Tardent, eigentlich ein 50-Meter-Schütze und Mitglied der Schützengesellschaft Neumünster, einer der Mitgliedervereine der Schiessplatz-Genossenschaft Höngg, hatte im Gabentempel das farbige Sturmgewehr ins Herz geschlossen, das dem 300-Meter-Festsieger gehören würde – kurzentschlossen trat Tardent in dieser Disziplin an und erreichte mit 199 von 200 möglichen Punkten den zweiten Rang.
Über die 50-Meter-Distanz dominierten die Junior*innen von Neumünster förmlich: Die Gewehrschütz*innen belegten die Ränge eins (Oliver Hunziker), zwei (Lauri Frieden), vier (Chantal Meier) und sechs (Leandros Tzarouchis).

200 Helfer*innen machen es möglich

Roland Spitzbarth ist zufrieden: «Es lief super, wir waren praktisch immer ausgebucht, das Potential dieses Standes kam voll zum Tragen». Auch wenn von jedem einzelnen Platz aus geschossen wurde sei der Schiessbetrieb ohne Nervosität ruhig abgelaufen. Damit das so rund und unfallfrei läuft, brauchte es alleine auf dem Hönggerberg total 200 Helfer*innen, 80 bis 100 von ihnen standen täglich auf dem Platz und sie alle mussten gut geschult sein. Das beginnt bei der Munitionsabgabe, geht über den Waffenmeister, der schon draussen vor der Türe zur Sicherheit in jede Kammer der Grosskalibergewehre schaut – damit auch ja keine Kugel drinnen sei – und zieht sich weiter bis zu den Warner*innen, welche an den Pulten hinter den Schütz*innen die Schussfreigabe erteilen und später die Resultate notieren beziehungsweise ausdrucken.
Im Stand selbst, so zeigt sich bei einem mit Ohrenschutz ausgestatteten Rundgang, herrscht – abgesehen vom Mündungsknall – Ruhe und Konzentration. Während sich die Schütz*innen auf den Matten entspannen und fokussieren, schauen im Hintergrund alle gespannt auf die elektronischen Anzeigetafeln, oder warten, einen Stock tiefer bei den Pistolenschütz*innen, bis die Zugscheiben wieder zum Haus gezogen werden und man sieht, wo die Projektile einschlugen. Gute Resultate werden von Umstehenden mit einem leisen Raunen honoriert.
So wurden in Höngg an den drei Wochenenden alleine auf die 300-Meter-Distanz 122’094 Schuss abgegeben. Das ist gemäss Spitzbarth ungefähr das Anderthalbfache eines normalen Jahresbedarfs an Munition auf dem Hönggerberg.
7160 Schütz*innen hatten am Kantonalen teilgenommen, Spitzbarth schätzt, dass davon gegen 3000 auf dem Hönggerberg schossen, «Ja, rund 300 pro Tag kommen hin», überdenkt Spitzbarth seine Beobachtungen. Der Wirt sei jedenfalls sehr glücklich, lacht er, denn der habe ihm nicht geglaubt, dass das Kantonale so viele Leute anziehe.

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