Das eigene Leben auf Video festhalten

Manche möchten ihr Leben für die Nachwelt bewahren: Sie schreiben ein Buch oder sie lassen ihre Lebensgeschichte filmisch dokumentieren. Der Höngger Fredy Schwyter geht letzteren Anfragen mit Leidenschaft nach.

Fredy Schwyter interessiert sich für Lebensgeschichten und hält diese auf Video fest. (Foto: dad)

Haben Sie schon einmal daran gedacht, Ihre Lebensgeschichte für kommende Generationen festzuhalten? Für die Familie oder einfach so? Vielleicht wurden Sie sogar schon darauf angesprochen. Und das ganz unabhängig davon, ob Sie einen Nummer-1-Hit in den Charts hatten, einen Nobelpreis oder Wimbledon gewonnen haben. Fakt ist: Jedes Leben verdient es, gewürdigt zu werden. Denn alle haben ihre Geschichten, die für die Nachwelt von Bedeutung sein können.

Schon seit einiger Zeit gibt es Angebote für Menschen, deren Biografie auch ihr Vermächtnis ist. Ghostwriter verfassen in deren Auftrag persönliche Biografien, die dann wahlweise im Selbstverlag erscheinen. Auch Plattformen wie «Meet-My-Life» in Zürich bieten diesen Service an: Sie wollen, so steht es auf der Website, «möglichst viele der sonst nur mündlich überlieferten Lebensgeschichten verschriftlichen».

Doch die Form der Schrift ist nicht mehr die einzige Möglichkeit. Im Zeitalter von Sozialen Medien, in denen Videos oft mehr Gewicht haben als das geschriebene Wort, eröffnet sich ein neuer Weg: das Interview vor der Kamera. Einer, der sich auf solche filmischen Biografien spezialisiert hat, ist der Höngger Fredy Schwyter.

«Ich habe realisiert, dass viele Menschen daran interessiert sind, ihre Geschichte den Nachkommen zugänglich zu machen», sagt er. In seinem jüngsten Film porträtiert er Katharina Spörri-Egli, eine Frau, die sich in den 1960er- und 1970er-Jahren in einer von Männern dominierten Welt durchsetzen konnte: Sie war die erste Zürcherin, die erfolgreich eine Gärtnerlehre absolvierte. Ein Stück Stadtgeschichte, das ohne dieses Porträt etwas weniger Beachtung finden würde. Das Video ist heute frei zugänglich und auf der Website «Unsere Geschichte» des Historikers Heinz Looser zu sehen.

Viele Facetten

«Um zu verstehen, warum ich heute diese Video-Biografien mache, muss man nur mein eigenes Leben betrachten», erklärt Schwyter im Interview. Sein Leben ist ebenso vielschichtig wie die Porträts, die er erstellt. Ursprünglich Flugzeugmechaniker, arbeitete er später als Hochschuldozent. Auch Sport, Psychologie, Musik und Tanz spielen seit je eine grosse Rolle in seinem Alltag. Gitarre, Tauchflaschen, Trompete, Tango – alles gehört zu seinem persönlichen Repertoire. «Freunde, Abenteuerlust, aber auch die Freude an gegenseitiger Unterstützung prägten meinen Lebensweg ebenso», sagt er.

Und Schwyter, der Pensionär, ist auch heute noch schwer beschäftigt. Nicht nur wegen seiner Videoarbeit, auch mit seinen Hobbys, und seiner Engagements in diversen Vereinen. So ist er Mitglied bei den Höngger gospelsingers.ch, aber auch bei den Zürcher Film- und Videoamateuren oder im Limmatclub Zürich – um nur einige zu nennen.

Der Entscheid, sich vermehrt kreativen Projekten zuzuwenden, fiel nach seiner Pensionierung. In London absolvierte er den Master in Filmproduktion. Seither drehte er mit seiner Produktionsfirma «más allá film» bereits diverse Videos, etwa über Projekte der Stadtentwicklung Zürich oder für den Architekturblog Asaz und «zuerivitruv». Technisch arbeitet er mit einer professionellen Ausrüstung, aber auch mit dem Smartphone. «Es muss nicht immer die grosse Kamera sein», sagt er. Wichtig sei die emotionale Nähe zum Menschen.

Und diese Erfahrung gibt er auch weiter: Studierende der Hochschule Chur haben bei ihm Videopraktika absolviert und gelernt, wie entscheidend die menschliche Komponente in solchen Projekten ist.

Erinnerungen bewahren

Persönliche Erlebnisse haben ihn dabei geprägt: So begleitete er filmisch über sechs Jahre hinweg das Leben seiner Ex-Schwiegermutter, die damals in Australien lebte. «Es war mir ein Anliegen, ihre Persönlichkeit festzuhalten, da sie eine spannende Frau war.» Er erinnert sich: «Meine Schwiegermutter war begeistert von dem finalen Video.» Die Arbeit an diesen Biografien ist für ihn bereichernd. Das Filmen sei Erleben pur, denn das Leben bestehe aus Beziehungen. «Ich will erfassen, was einen Menschen ausmacht und wofür er steht.»

Mit Wehmut erinnert sich Schwyter an einen weltgewandten Freund, der seine Geschichte ebenfalls auf Video festhalten wollte. Geplant war ein aufwendiges Projekt, doch die Umsetzung scheiterte am Widerstand der Ehefrau. Kurz darauf erlitt besagter Freund einen Schlaganfall, er konnte nicht mehr sprechen und starb später. «Seine Geschichte, in seinen Worten, existiert nicht mehr», sagt Schwyter nachdenklich. Solche Erlebnisse bestärken ihn in seiner Arbeit. Dabei webt er auch Fotos und Dokumente in das Video ein, je nach Bedarf.

Das Konzept reicht von Familienbiografien über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bis hin zu Firmenporträts. Das Ergebnis ist immer individuell – von einfachen Varianten bis hin zu aufwendigen Produktionen. Die Kosten variieren entsprechend.

Dass Videos im digitalen Zeitalter eine enorme Bedeutung haben, ist für Schwyter klar. Vielleicht sind seine Biografien auch eine Antwort auf den Trend, das eigene Leben in Sozialen Medien festzuhalten. Das sei ein interessanter Ansatz, sagt er.
Ein Gedanke drängt sich auf, wenn Schwyter von seinem Leben und seiner Leidenschaft fürs Filmen erzählt: Warum gibt es noch keine Video-Biografie über ihn selbst? Er weicht dieser Frage aus. Zu gross scheint das Interesse an den Geschichten der anderen.

Im Fokus: Wertvolle Jahre

Der «Höngger» veröffentlicht auch in diesem Jahr verschiedene Artikel, die sich der Lebensrealität von Betagten und Menschen mit Behinderung widmen. Diese Reihe entsteht mit freundlicher Unterstützung der Luise Beerli Stiftung, die sich für solche Menschen stark macht.

Kontakt

Fredy Schwyter
más allá film
Grossmannstrasse 45
8049 Zürich, Switzerland
Mobile: +41 (0)79 406 51 76
fs@mas-alla-film.c
www.mas-alla-film.ch

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