Das Bellevue erhält Konkurrenz aus Höngg

Auf dem Hönggerberg entsteht in den nächsten Monaten das «Vuebelle» – eine Nachempfindung des Bellevues, aber in Grün. Das Projekt ist eines der Siegerprojekte der ZKB-Jubiläumsmillionen.

So soll es bald auf dem Hönggerberg aussehen. (Visualisierung: Verein Bee'n'Bee)

Bellevue – ein klingender Name für einen urbanen Ort mitten in der Stadt, der diese Bezeichnung eigentlich nicht verdient. Ein betonlastiger Verkehrsknotenpunkt, auf dem sich gefühlt mehr Trams, Busse und Autos begegnen als Menschen. Doch wie wäre es, wenn das Bellevue einen Zwilling hätte, einen grünen Begegnungsraum an einem anderen Ort, eine Oase der Biodiversität?

Diese Idee entwickelte Markus Schaub zusammen mit dem Verein Bee’n’Bee und reichte sie im Wettbewerb um die Jubiläumsmillionen der ZKB ein, den die Stadt im vergangenen Jahr ausgeschrieben hatte. Die Idee fand bei den Jurorinnen Anklang: 250 000 Franken stellt die Stadt zur Realisierung des Projekts zur Verfügung. Und der Platz, der in ein zweites Bellevue, oder besser, in ein grünes «Vuebelle» verwandelt werden soll, wurde gefunden: eine grosse Wiese auf dem Hönggerberg. Bis anhin wurde diese vom Juchhof bewirtschaftet, nun stellt sie Grün Stadt Zürich dem Projekt für mindestens acht Jahre zur Verfügung.

Bäume statt Billettautomaten
Die Grösse der Wiese entspricht ziemlich genau den Ausmassen des städtischen Bellevues und auch die Aussicht weist gewisse Parallelen auf: Zwar fehlt der See, aber bei Föhn hat man vom Hönggerberg eine ähnlich atemberaubende Sicht auf die Glarner Alpen wie vom Seeufer aus. Sonst allerdings erinnert dort, zwischen Friedhof und SV Höngg, noch sehr wenig an das innerstädtische Zentrum.

Wie kommt man auf die Idee, das Bellevue an einem solchen Ort nachzubauen? Markus Schaub vom Verein Bee’n’Bee erklärt: Beruflich stamme er ursprünglich aus der bildenden Kunst, «und Kunst sollte auch als wichtiger Faktor in das Biodiversitäts-Projekt einfliessen», schmunzelt er.

Und nun weisen nicht nur grosse Schilder auf der Wiese auf das Vorhaben hin, mit farbigen Holzpflöcken ist auch auf der Wiese markiert, wie man sich das gespiegelte Bellevue in etwa vorzustellen hat: «Auf 110 mal 75 Meter, exakt derselben Fläche wie das Bellevue, folgt die Bepflanzung des «Vuebelle» dessen Geometrie. Tramtrassen und Strassenräume werden blühende Wiesen. Kastanien-, Apfel- und Nussbäume bilden einen Hain, der Nistplätze und Nahrung für Vögel bietet. Schirm- und Pfahlbäume bilden das Bellecafé, das ZVV-Schaltergebäude und die beiden Perrondächer ab. Statt Billettautomaten, Mülleimer und Werbesäulen bietet das «Vuebelle» natürliche Behausungen für Insekten und Kleinlebewesen», erklärt der Verein das Vorgehen auf seiner Website.

Begegnung zwischen Mensch und Natur statt Betonwüste
«Unser Ziel ist es, hier einen Ort zu schaffen, wo sich Natur und Mensch begegnen können. Biodiversität schliesst für uns den Menschen eben auch mit ein – und das «Vuebelle» soll für alle erfahr- und erlebbar werden», erklärt Schaub das Konzept. Konkret heisst das, dass neben Wildhecken und Buntbrachen auch kleine Gartenecken entstehen können und kleinflächige Felder, auf denen etwa Getreidesorten angebaut werden könnten.

«Wir könnten uns vorstellen, dass vielleicht Schulklassen hier auf einer kleinen Fläche Getreide anbauen und dieses dann zu Brot verarbeiten», so Schaub. Das «Vuebelle» soll nicht nur zum Anschauen und Geniessen einladen, sondern auch lebendigen Anschauungsunterricht in Sachen Biodiversität und Nachhaltigkeit bieten können – und gemeinsam mit den Nutzer-innen wachsen.

«Wir haben zwar die Idee und ein Grundkonzept, aber was sich hier genau in den nächsten Jahren entwickeln wird, das ist noch grossenteils offen und soll gemeinsam mit den Menschen erarbeitet werden, die den Platz und das Leben darauf mitgestalten wollen», erläutert Schaub. Mitwirkung ist also ausdrücklich erwünscht – sowohl in Form von aktiver Partizipation als auch in Form von Crowdfunding für einzelne Elemente. «Denn nur mit weiterer Unterstützung kann das Projekt zum Blühen gebracht werden», so Schaub weiter.

Jetzt geht’s los
In den nächsten Tagen wird nun eine erste Aussaat stattfinden. Auch die ersten Marronibäume sind bereits gepflanzt: In Kooperation mit dem Verein Stadtzürcher Marroni, der vergangene Woche auch im Waldlabor dreissig Edelkastanien gepflanzt hat (der «Höngger» berichtete), wurden auch hier einige Bäume gesetzt. Die Eröffnung des neuen Parks ist für Mai 2024 geplant. Und dann stellt die Stadt den Platz «Vuebelle» für mindestens acht Jahre zur Verfügung.

Anschliessend wird analysiert, wie der Ort genutzt wird. Falls er sich tatsächlich zu einer grünen Insel entwickelt, kann er bestehen bleiben. Ansonsten wird er ohne viel Aufwand wieder in eine Wiese zurückverwandelt werden – wobei die Bäume auf jeden Fall vor Ort bleiben dürfen.

Mit diesem ergebnisoffenen Konzept des «Work in Progress» experimentiert der Verein nicht nur damit, inwiefern sich ein solches gemeinschaftliches Land pflegen lässt, sondern leistet zugleich auch ein gutes Stück Pionierarbeit für die Stadt: «Anders als städtische Konzepte, die bereits fixfertig vorgeplant werden und erst dann zur Umsetzung kommen, fangen wir jetzt einfach mal an, etwas zu tun. Falls das gut funktioniert, kann das durchaus auch für andere Projekte und Städte Vorbildcharakter haben», freut sich Schaub. Man darf gespannt sein, was sich aus dieser geschenkten Oase entwickelt.

0 Kommentare


Themen entdecken