Damit beschäftigt sich der Friedensrichter

In der Stadt Zürich gibt es sechs Friedensrichterämter. Für die Kreise 6 und 10 ist Robert Schönbächler Friedensrichter. Er erzählte dem «Höngger», was er macht und was seine Motivation ist.

Robert Schönbächler im Verhandlungsraum, in welchem sich die verschiedenen Parteien treffen, um zu einer Lösung zu gelangen.

Wer das Amtshaus am Wipkingerplatz 5 betritt und zu Robert Schönbächler möchte, nimmt entweder die Wendeltreppe oder den kleinen Lift und drückt den Knopf des zweiten Stocks. Dort angelangt, gilt es, nochmals einen Knopf zu drücken – und dann darf man eintreten. Am Empfang des Kanzleisekretariates wird man freundlich begrüsst und zu Friedensrichter Robert Schönbächler geleitet, der gleichzeitig auch Präsident des Verbandes der Friedensrichterinnen und Friedensrichter des Bezirks Zürich ist. «Mir ist es wichtig, dass man freundlich empfangen wird, schliesslich bieten wir hier eine Dienstleistung an und versuchen, zu schlichten – da gehört eine positive Grundstimmung einfach dazu.»

Im Verhandlungsraum gibt es keinen «runden Tisch»

Im grosszügigen Verhandlungsraum stehen zwei Pulte mit Stühlen nebeneinander, an denen jeweils die zwei Parteien und ihre eventuellen Begleiter oder Rechtsvertreter sitzen. Ihnen gegenüber ist der Platz von Robert Schönbächler, der von vielen Gesetzesbüchern und Nachschlagewerken belegt ist. «Als in der Vermittlung auf sich allein gestellter Verhandlungsführer ist die räumliche Distanz nicht nur für die Parteien, sondern auch für den Friedensrichter ein Vorteil.» Der 62-Jährige spricht aus Erfahrung, ist er doch dieses Jahr genau 20 Jahre als Friedensrichter im Amt.

Schnell, günstig und eine Entlastung für die Gerichte

Was spricht für die fünf Friedensrichter und die eine Friedensrichterin der Stadt Zürich? «Wir sind extrem schnell. Meist ist innert zwei Monaten eine Schlichtungsverhandlung durchgeführt. Es geht oft um hohe Streitwerte, nicht nur um kleine Beträge, wie manche Leute meinen. Der Besuch bei einem Friedensrichter ist einfach und auch günstig – dies weil es ein einfaches Verfahren ist, das das Ziel vor Augen hat, den Rechtsfrieden wieder herzustellen.» Bevor ein Fall ans Bezirksgericht oder an das Arbeitsgericht gelangt, sind die Friedensrichter im Kanton Zürich allgemeine Schlichtungsbehörde und somit die erste Anlaufstelle in den meisten Zivilstreitigkeiten. Durch dieses Vorgehen werden die Gerichte deutlich entlastet. Ein sogenanntes Schlichtungsverfahren ist grundsätzlich obligatorisch.

Höngger Arbeitnehmer sind zufrieden

Das dritte Jahr mit der Schweizerischen Zivilprozessordnung, kurz ZPO, hat sich laut Robert Schönbächler bewährt: Im Jahr 2013 wurden in der Stadt Zürich 3613 Schlichtungsgesuche eingereicht, davon wurden 69 Prozent im Friedensrichterverfahren endgültig erledigt, was eine sehr hohe Erfolgsquote ist. «Der kleinste Streitwert war 30 Franken, der höchste 300 Millionen Franken – hier sieht man eindrücklich die Bandbreite.» In den Kreisen 6 und 10 wurden 929 Fälle angemeldet. Stadtweit betrafen 74 Prozent der Fälle Konflikte des alltäglichen Leben – so etwa Forderungsklagen, Nachbarschaftsklagen, erbrechtliche Klagen, Testamentsanfechtungen, Persönlichkeitsschutzklagen, Klagen aus Stockwerkeigentum oder aus Motorfahrzeug- und Fahrradunfällen. Knapp 950 der 3613 gesamtstädtischen Fälle betrafen arbeitsrechtliche Verfahren. In den Kreisen 6 und 10 scheinen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zufrieden zu sein: Nur gerade 72 von 929 Klagen betrafen das Arbeitsrecht. Auch sonst gibt es wenige Streitigkeiten, welche von Hönggern kommen. Eine Verhandlung dauert zwischen einer und eineinhalb Stunden, und in dieser Zeit ist Robert Schönbächler klar der Gesprächsleiter, Animator und Mediator: «Eine schnelle Auffassungsgabe ist von Vorteil und auch das Ungesagte muss herausgehört werden. Die Vermittlungstätigkeit ist eine fordernde Aufgabe. Lebenserfahrung, gute juristische Kenntnisse und eine hohe psychische und physische Belastbarkeit braucht es ebenfalls.» Stammklienten sind etwa Telekommunikationsfirmen, weil ihre Kunden nicht bezahlen, oder beispielsweise auch Kreditkartenfirmen. «Die heutige Gesellschaft leistet sich teilweise viel, obwohl sie gar nicht über die nötigen Finanzen verfügt – und dann landet man bei uns.» Sowieso sei man im Alltag immer von Verträgen umgeben, denn Recht findet überall statt: «Kauft man am Morgen ein Gipfeli, so kommt das Lebensmittelgesetz zum Zug, und so geht es fast den ganzen Tag hindurch weiter mit verschiedenen Gesetzen, die das Leben betreffen.»

Spezielle Fälle

Fälle, die Robert Schönbächler in Erinnerung bleiben, gibt es einige: «Bei Stockwerkeigentümern kann es auch um die Platzierung von Sandhaufen, Trampolins und sonstigen Spielplatzgeräten gehen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie diese ‹kleinen Dinge› für Unmut sorgen.» Auch die Dame, die all ihre Arbeitszeugnisse inklusive Gymnasiumszeugnis gefälscht hat und auffiel, weil sie unfähig war, ihre Arbeit gemäss Stellenbeschrieb zu erledigen, vergisst er nicht. «Der Arbeitgeber fielaus allen Wolken, als die Frau zugab, sämtliche Zeugnisse gefälscht zu haben.» Auch der Gang zum Coiffeur hat schon Folgen gehabt: Wegen einer missglückten Haarverlängerung wurde Schadenersatz gefordert. Was fasziniert ihn, auch nach so vielen Jahren, noch an seiner Aufgabe? «Die Leute sind und verhalten sich jedesmalanders, genau so wie die Fälle, auch wenn sie sich manchmal zu gleichen scheinen. Ich erlebe hier anspruchsvolle, spannende Herausforderungen, erhalte Komplimente, wenn die Fälle zur Zufriedenheit gelöst wurden, und ich glaube, die Leute spüren, dass ich meine Arbeit gerne mache. Ich gehe jeden Tag gerne zur Arbeit, dies ist mir wichtig.»

0 Kommentare


Themen entdecken