Dagmar unterwegs: Ein neues Zuhause für die Legehennen

Ferienprogramm einmal anders: In Watt hat unsere Autorin fünf ausgediente Legehennen abgeholt. Sie war nicht die Einzige: Über 100 weitere Personen waren vor Ort, um die Hühner zu retten.

Diese Henne wird bald ein neues Zuhause erhalten. (Foto: zvg)
Tag der sogenannten Ausstallung auf dem Hof «OGG The Farmer». (Foto: zvg)
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Frühmorgens um sieben herrscht an diesem Samstag auf dem Bauernhof in Watt ein Andrang wie auf einem Jahrmarkt. Es herrscht Hochbetrieb: Freiwillige weisen dem Strom der ankommenden Autos einen Parkplatz zu, eins nach dem anderen folgt der Kolonne, dem Feldweg entlang und findet auf dem Feld seinen Platz.

Junge Familien, ältere Paare und ganze Gruppen, die wirken, als gehörten sie einem Verein an, entsteigen den Fahrzeugen. Alle mit Transportkisten, Kartons oder Katzenkörbchen bestückt. Und sie eilen zu einem flachen, langgestreckten Gebäude, vor dem sie sich aufstellen und eine lange Schlange bilden. Worauf warten sie bloss?

Nach eineinhalb Jahren nicht mehr rentabel

Bei dem Gebäude handelt es sich um den Hühnerstall des landwirtschaftlichen Betriebs «OGG The Farmer». Vor den Stallungen sind zahlreiche Kisten aufeinandergestapelt, in denen sich unzählige Hühner befinden. Es sind Legehennen: überwiegend braune, aber auch ein paar weisse Tiere. Über 700 Tiere sind an diesem Morgen noch im Dunkeln im Stall eingefangen und in die Kisten verfrachtet worden.

Heute ist der Tag der sogenannten Ausstallung. Das bedeutet, dass der Landwirt den Hühnerstall freiräumt und Platz schafft für neue Legehennen. Denn die jetzigen kommen nun, im Alter von eineinhalb Jahren, in die Mauser. Seit sie 20 Wochen alt sind, haben sie fast jeden Tag ein Ei gelegt, rund 300 Eier insgesamt. Nun benötigt der Körper eine Pause, um das Federkleid zu wechseln. Deshalb werden sie in den kommenden Wochen bis Monaten keine Eier mehr legen. Und damit sind sie für den landwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr rentabel und müssen Platz machen für jüngere.

Ein Schicksal, das die Hennen mit Millionen von Artgenossinnen in der ganzen Schweiz teilen. Jedes Jahr werden die Hühnerställe leergeräumt, die Hennen ausgestallt. Nach der Mauser würden sie zwar wieder Eier legen, aber bei weitem nicht mehr so viele wie im ersten Lebensjahr. In den meisten Fällen bedeutet die Ausstallung das Todesurteil für die Hennen. Sie werden eingesammelt und getötet. Die Kadaver werden in der Regel zu Biogas verarbeitet, denn der Markt für Suppenhühner ist nicht gross genug, um für diese Millionen von Hennen Verwendung zu finden.

Rettungsaktion mit über 100 Beteiligten

Doch die Hennen vom Ogg-Bauernhof in Watt haben Glück. Bereits seit acht Jahren kooperiert der Inhaber des Betriebs, Philip Ogg, mit dem Lebenshof «Sinulay» beziehungsweise dessen Gründerin Simone Maurer. Alljährlich organisiert Maurer, die einmal selbst als freiwillige Helferin bei einer Tierschutzorganisation angefangen hat und mittlerweile den eigenen Lebenshof für Tiere in Not führt, mit ihrem Team die Hühnerrettungsaktion: via E-Mail-Verteiler und soziale Medien sucht sie hunderte von Hühnerfreund*innen, die sich bereit erklären, ein paar der über 700 Legehennen des Betriebs zu übernehmen und ihnen ein zweites Zuhause zu bieten.

Und das funktioniert ausgezeichnet, wie an diesem Tag deutlich zu sehen ist. Die Stimmung ist fröhlich, Kontakte werden geknüpft, Erfahrungen ausgetauscht. Manche der anwesenden Personen, so wie die Autorin, kommen aus der näheren Umgebung, andere haben einen weiten Weg auf sich genommen, um die Hühner zu retten. Sogar aus dem Welschland sind einige von ihnen angereist.

Geduldig stellen sich also in die lange Schlange und warten, bis sie an der Reihe sind. Namen angeben, die Transportkisten abgeben und schon werden diese mit Hühnern gefüllt. Eine gewaltige Organisation und ein Riesenaufwand, aber er lohnt sich: An diesem Tag werden alle Hühner verteilt, keines muss sterben. Und die 118 neuen Besitzer*innen freuen sich auf Verstärkung im Hühnerstall. Und auf schmackhafte Eier.

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