Corona zum Trotz

Wer hätte das gedacht: Mitten in den schwierigsten Zeiten wechseln Geschäfte in Höngg ihre Besitzer*innen, planen Unternehmer*innen Neueröffnungen und wagen Start-ups den Sprung ins kalte Wasser.

Im Café Höngg wird neuerdings Curry serviert.
Es tut sich was in Höngg, wenn alles gut geht, gibt es hier bald leckeren Kuchen und vielleicht sogar ein Café.
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Es ist keine gute Zeit. Für fast niemanden. Die zweite Covid-19-Welle bricht mit voller Wucht über die ganze Welt herein, instinktiv will man in Deckung gehen und geschützt das Schlimmste aussitzen. Als Selbstständige und Gewerbetreibende ist das aber nicht möglich, jetzt geht es ans Eingemachte. Gerade verhandelt der Bundesrat über einen möglichen zweiten Lockdown. Natürlich geht die Gesundheit der Gesellschaft vor, aber wer existenzielle Ängste hat, weil er oder sie um sein Geschäft oder ihre Arbeit fürchtet, kann auch davon krank werden. Alles hängt zusammen.

44 neue Firmen seit April

Und doch wartet hinter dem dunklen Himmel vielleicht ein leichter Silberstreif am Horizont. Denn in Höngg tut sich Unerwartetes: Neue Geschäfte werden eröffnet, bestehende wechseln ihre Besitzer*innen und Bauausschreibungen deuten darauf hin, dass sich in den kommenden Monaten im Zentrum etwas tun wird. Endlich, nachdem lange Zeit nur über Leerstände geklagt wurde. Seit dem 1. April haben sich 44 neue Firmen mit Höngger Adresse im Handelsregister registriert. Unter gewöhnlichen Umständen keine sehr beeindruckende Zahl, aber die Umstände sind ja auch alles andere als normal. Auffällig viele Firmen haben Publikumsrelevanz, das heisst, sie könnten Laufkundschaft ins Quartier bringen, von der auch die anderen Geschäfte profitieren könnten. Da ist zum Beispiel der Ka Kiosk, eingetragen am 16. September als GmbH, der bald am Meierhofplatz eröffnen wird und daran ist, sich einzurichten. Oder die «Süsse Ecke einfach besonders GmbH», die in die Räumlichkeiten des früheren Schoggi-König eingezogen ist. Wenn die Bewilligungen erteilt werden, soll es dort sogar ein kleines Boulevardcafé mit zwölf Sitzplätzen geben. Gleich in der Nähe soll in der ehemaligen Wohnderbar das Golden Age Fitness eröffnen, ein Sportangebot für Menschen im höheren Alter. Ob es tatsächlich so weit kommt, ist ungewiss. Die Fenster sind weiterhin verklebt und mit der Aufschrift «Zu vermieten» versehen.
Neugierig macht der Eintrag für die «Casa del Gato GmbH», ein Barista Café mit Take-Away-Möglichkeit, das gleichzeitig das Zuhause von Katzen aus dem Katzenheim ist. «Die Räumlichkeiten sind so gestaltet, dass die Katzen Rückzugsgebiete haben und wenn sie Lust haben, können sie zu den Gästen kommen», heisst es im Text des HR-Auszugs.

Und nachdem die Palatso-Ladies im September aufgehört haben, füllen vier kreative Frauen ab Mitte November, spätestens aber Anfang Dezember, die schönen Räume an der Limmattalstrasse mit Leben. Unter dem Namen «Unikat» sollen hier neben Schmuck und Wolle noch so einige Überraschungen auf die Gäste warten.

Neue Gastroangebote an alten Orten

Ein frischer Wind hat das Café Höngg einmal kräftig durchgefegt und die Sicht auf einen hellen Raum freigegeben. Der neue Inhaber Waeem Iqbal Alvi hat hier am 4. Oktober sein Restaurant Curry4u eröffnet. Auch beim Hong Kong Take Away Lam Yat Chung vor dem Coop gab es einen Wechsel: Der frühere Wirt ging in Rente (der Höngger berichtete am 1. Oktober) und die Familie Zhengsheng übernahm nahtlos den Betrieb. Beim Caprileone verlief der Wechsel fast unbemerkt. Geschäftsleiter Savas Düzgün setzt auf täglich frisch zubereitete Suppen und Salate. Sicher, die Lage sei schwierig, meint seine Stellvertreterin, Frau Nesli, aber Kaffee und Gipfeli liefen eigentlich immer. Wenn es nicht noch zu einem Lockdown komme, bleibe sie zuversichtlich. Der Standort direkt am Meierhofplatz sei sehr gut.

Lebensmittelproduktion boomt

Überhaupt scheint die Produktion und der Vertrieb von Nahrungsmitteln bei den neu registrierten Firmen hoch im Trend zu liegen. Was sich hinter exotisch klingenden Namen wie Gooji GmbH oder Tambora Foods GmbH verbirgt, konnte bis zum Redaktionsschluss jedoch nicht herausgefunden werden. Seit Kurzem hat Höngg sogar einen eigenen Kaffee: «Cafe San Felipe» produziert auf der Familienranch in Mexiko Kaffee und vertrieb ihn als Rohkaffee an Spezialitätenröster. Bis Corona kam und die Nachfrage in den Keller sank. Was tun? fragte sich das Unternehmerpaar. Sich auf Höngg fokussieren, vor Ort verarbeiten, mit dem lokalen Gewerbe zusammenarbeiten und direkt an die Endkonsument*innen gelangen, entschieden die Kaffeeproduzent*innen. Also rösten sie ihre Bohnen mit der Mikrorösterei Röstlabor in Höngg und verkaufen den Kaffee bei Bravo Ravioli und Canto Verde. «Unser Traum wäre es, irgendwann in Höngg ein eigenes Café zu eröffnen – natürlich mit unserem eigenen Kaffee», sagt Benni Distl.

Warten auf Godot

Noch keine Nachfolge hat das ehemalige Desperado und Restaurant Mühlihalde gefunden. Aktuell scheinen Malerarbeiten in Gang zu sein, laut Auskunft der Liegenschaften Stadt Zürich soll das Lokal Anfang November ausgeschrieben werden. Wenn sich ein*e geeignete Bewerber*in findet, dürfte die Bevölkerung sich auf eine Neueröffnung im Frühling freuen. Auch die Räumlichkeiten der früheren Apotheke Drogerie Hönggermarkt stehen immer noch leer, sind jedoch nicht mehr auf Homegate ausgeschrieben. Die zuständige Person war vor Redaktionsschluss nicht mehr für weitere Informationen zu erreichen.

Corona zum Trotz wagen es die Unternehmer*innen in diesen turbulenten Zeiten ihre Träume zu verwirklichen. Mögen sie – und alle anderen Gewerbetreibenden auch – Rückenwind und einen langen Atem haben.

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