Wir bleiben zu Hause

Wenn die eigenen vier Wände plötzlich nicht mehr nur Wohnung, sondern auch Büro und Schulzimmer werden, muss der ganze Alltag umgekrempelt werden. Eine berufstätige Mutter erzählt, wie es ihr damit geht.

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Karin Duss lässt sich vom Lockdown nicht aus der Fassung bringen.

Seit dem 16. März ist das Leben auf den Kopf gestellt. Schulen geschlossen, Homeoffice eingeführt, «#bleibt zuhause». Auch für Karin Duss und ihre beiden Kinder Lorin und Liia ist nun alles anders. Ohne Organisation, Improvisationstalent und etwas Humor ist das neue Leben nicht zu meistern.

Das Büro in der Küche

Karin ist in der Autobranche tätig und arbeitet normalerweise 50 Prozent im Büro, verteilt auf drei Wochentage. Sie ist alleinerziehend, ihre beiden Kinder sind neun und elf Jahre alt und besuchen die dritte und die fünfte Klasse des Schulhauses Rütihof. Wenn Karin arbeitet, sind die Kinder mittags an zwei Tagen im Hort, am dritten Tag deckt ihre Mutter die Betreuung ab. Eigentlich. Doch jetzt hat sie umgestellt auf Homeoffice. «Im Moment arbeite ich komplett von zu Hause aus», erklärt sie, «ich fahre durchschnittlich noch einmal wöchentlich kurz für ein paar Minuten ins Büro, um Dinge abzuholen oder etwas zu erledigen, was von daheim nicht möglich ist.» «Ein Teil der Belegschaft», fährt sie fort, «arbeitet noch in der Firma, auch die Werkstatt ist weiterhin in Betrieb, doch mein Büro ist zu klein, um das «social distancing» aufrecht zu erhalten. Ausserdem müssen ja eh die Kinder betreut werden, deswegen habe ich entschlossen, ganz zu Hause zu bleiben.» Ihr Arbeitgeber, so Karin, sei glücklicherweise sehr flexibel. So hat sie ihre drei Arbeitstage nun auf die ganze Woche verteilt und arbeitet jeweils vormittags und nachmittags ein paar Stunden online. Dazu hat sie sich ihren Arbeitsplatz in der Küche eingerichtet. Kontrolliert werden die Arbeitszeiten nicht, alles geschieht auf Vertrauensbasis. Eigentlich hat sie nun sogar mehr Präsenzzeit im «Büro» beziehungsweise am Computer als zuvor – de facto muss sie jedoch nun parallel auch noch die Kinder und den Haushalt managen.

Tagesablauf selbst gestalten

Denn auch Lorin und Liia haben ihren «Arbeitsalltag» in die Wohnung verlegt. Karin hat mit den beiden die Regel aufgestellt, dass sie auch im Homeschooling morgens um acht Uhr fertig gefrühstückt haben und für ihre Schulaufgaben bereit sein müssen. Um 8.20 beginnen sie dann in ihren Zimmern mit der Bearbeitung der Hausaufgaben. «Glücklicherweise stehen meine Kinder sowieso immer früh auf, da muss ich sie morgens gar nicht wecken», schmunzelt sie. Bis zum Mittag müssen sie an ihren Aufgaben arbeiten, nachmittags dürfen sie für ein paar Stunden raus. Beide erhalten von den Lehrpersonen jeweils Arbeitsaufträge für die ganze Woche. «Bei Liia in der dritten Klasse sind die Aufträge noch sehr übersichtlich. Sie sieht genau, was sie tun muss und wieviel Zeit sie dafür aufwenden muss». Bei Lorin in der fünften Klasse legt der Lehrer bereits mehr Wert auf Selbstständigkeit, die Arbeitsaufträge sind komplexer und erfordern ein höheres Mass an Selbstorganisation.

Unterstützen und kontrollieren – aber in welchem Ausmass?

Doch dass die Kinder ihre Arbeiten allein in ihrem Zimmern erledigen, ist eine Illusion, wie Karin erläutert. «Meine Tochter braucht als Drittklässlerin natürlich bei den Hausaufgaben viel Unterstützung. Es gibt Tage, an denen ist es praktisch unmöglich, Homeoffice zu praktizieren, weil sie ständig vorbeikommt und Fragen hat. Ich muss dann viel Zeit investieren, um mit ihr gemeinsam die Aufgaben zu erledigen, dabei bleibt meine Arbeit liegen», führt Karin aus. Sohn Lorin arbeitet da schon eher alleine – aber dafür macht er meistens nur das Allernötigste. Auch bei ihm müsste sie daher eigentlich stets kontrollieren, ob er wirklich am Arbeiten ist. «Ich empfinde es als sehr schwierig, abzuwägen, inwiefern ich ihn einfach selbst machen lassen oder wie stark ich ihn kontrollieren soll. Wenn ich ständig hinterher sein muss, ob er seine Aufgaben macht, komme ich selbst zu gar nichts mehr – und ausserdem geraten wir dann auch noch ständig in Streit», schildert Karin die Situation. Einmal hat sie deshalb bereits den Lehrer kontaktiert und ihn gebeten, mit ihrem Sohn zu sprechen, um ihn zu motivieren.

Probiers mal mit Gelassenheit

«Die Balance zu finden zwischen Arbeit, Schule und Erholungszeit, das ist im Moment schon eine besondere Herausforderung», gesteht sie. Viel Zeit zum Abschalten ist da gerade nicht. Zwei Vormittage die Woche betreut der Vater die Kinder und erledigt mit ihnen die Aufgaben, auch jedes zweite Wochenende sind sie bei ihm, das sind die einzigen Auszeiten, die sich Karin momentan nehmen kann. Als belastend empfinde sie, so erläutert Karin, neben den fehlenden Freiräumen vor allem den Verzicht auf die sozialen Kontakte, sei es zur Familie oder zu den engen Freund*innen – und die Ungewissheit darüber, wie lange diese Situation noch anhält. Doch sie übt sich in Gelassenheit: «Gelassenheit» ist mein Motto während dieser Wochen. In meiner Wohnung hängt an der Wand ein Zettel, auf dem dieses Wort steht. Täglich mehrmals schaue ich es mir an und versuche, das zu beherzigen. Ich nehme jeden Tag so, wie er kommt und habe mir angewöhnt, die Erwartungen nicht zu hoch zu stecken – weder an mich im Homeoffice noch an die Kinder mit ihren Schulaufgaben.»

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