Cheerleaders in Höngg – Mehr als nur Pausenfüller

Cheerleading – das gibt es doch nur in den USA? Irrtum. Auch in der Schweiz trainieren 15 Vereine diese Sportart. Einer davon ist «Fire Allstars Cheer» aus Zürich. Montags wird im Vogtsrain trainiert.

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Was soll man sich unter einem Cheerleading-Training vorstellen? Laute Musik, Choreographien, Pompons und gewagte Menschenpyramiden? Der «Höngger» nutzte vergangene Woche die Gelegenheit, einen Einblick in diese für uns doch etwas exotische Sportart zu gewinnen – und sich mit jungen Sportlerinnen zu unterhalten, deren Hobby das Cheerleading ist.

Cheerleading nicht nur am Spielfeldrand

Das Training an diesem Montagabend Mitte November in der Turnhalle Vogtsrain ist weder laut noch schrill, sondern vor allem hochkonzentriert und sehr professionell – und das alles mit Maske. Die zehn Mädchen zwischen 11 und 15 Jahren, die an diesem Abend von drei Coaches trainiert werden, beginnen den Abend mit Aufwärmübungen. Wer zu spät kommt, muss Runden rennen, was klaglos und ohne Diskussionen akzeptiert wird. Nach dem Aufwärmen gibt es Krafttraining, dann werden Mattenbahnen aufgebaut. Und jetzt zeigen die «Blue Flames», wie das Jugendteam heisst, was sie draufhaben: Rad schlagen, Flickflack, Rückwärtssalto – bei den einen klappt es schon sehr gut, andere sind noch eher Anfängerinnen. Cheerleading sieht hier vor allem aus wie eine Mischung aus Bodenturnen und Akrobatik. Und tatsächlich: Das Bodenturnen ist ein elementarer Bestandteil dieser Sportart, «Tumbling» heisst das in der Fachsprache. «Unser Sport», so erklärt Coach Vanessa Kimathi, während die Mädchen weiterhin Flickflacks und Backflips üben, «besteht im Grunde genommen aus vier verschiedenen Elementen: dem «Tumbling», den «Stunts», das sind die akrobatischen Hebefiguren, den «Pyramiden», also den grossen, zusammengesetzten Hebefiguren und dem choreographischen Teil, «Dance» genannt. Und anders, als man sich das landläufig so vorstellen mag, ist das Cheerleading – zumindest hierzulande – keineswegs nur als adrette Pausenunterhaltung leichtbekleideter Mädels bei den Sportarten der harten Jungs zu verstehen, sondern stellt vielmehr eine ernstzunehmende eigene Sportart mit Wettkämpfen und Meisterschaften dar. Sie ist seit 2016 sogar – so ist der Homepage des Vereins zu entnehmen – vom Internationalen Olympischen Komitee als olympische Sportart anerkannt. Zudem ist der Sport – auch das ein Vorurteil – mitnichten nur den Frauen vorenthalten: neben «All Girls»-Teams gibt es im Verein durchaus auch gemischte Mannschaften.

Von GC zum eigenen Verein

Der Verein, dem die «Blue Flames» angehören, die «Fire Allstars», wurde im Jahr 2003 gegründet und war zunächst dem Grasshopper Club Zürich (GC) angegliedert. Cheerleader*innen wurden bei GC gebraucht, um die Unihockey-Mannschaft an Spiele zu begleiten und am Spielfeldrand für Stimmung zu sorgen. Nach neun Jahren wechselten die Cheerleaderinnen zum Zürcher Football-Team, den «Zurich Renegades» und unterstützten hier die jungen Footballer bei ihren Spielen. «Doch mit der Zeit», so erklärt Kimathi, «wurde es für uns als Verein immer schwieriger, unsere eigenen Meisterschaften zeitlich mit den Spielen der «Zurich Renegades» zu vereinbaren; deshalb entschlossen wir uns 2016, selbst einen Verein zu gründen und wurden zu den <Fire Allstars>». Seither konzentrieren sie sich auf ihr Training und die Wettkämpfe. Und die Strategie geht auf: Für die Cheerleader-Weltmeisterschaften in den USA im kommenden Jahr hat sich nicht nur das «Blue Fire»-Team des Vereins qualifiziert, einzelne Trainerinnen sind zusätzlich mit dem Nationalteam der Schweiz an der Weltmeisterschaft vertreten. Die Footballspieler müssen jedoch dennoch nicht auf Unterstützung verzichten: Extra für sie wurde ein eigenes Team gegründet, das sie auf ihre Spiele begleitet und Showanlässe durchführt.

Keine Angst bei den Stunts

Eine der jungen Sportlerinnen, die an diesem Abend bei den «Blue Flames» trainieren, ist Iva Vukic. Sie wohnt in Höngg und besucht die sechste Klasse des Bläsi-Schulhauses. Seit sechs Jahren ist sie bei den «Fire Allstars» dabei, hat also schon als Erstklässlerin mit dem Training begonnen. «Zuerst hat nur meine Schwester hier trainiert, doch als ich einmal bei ihr zugeschaut habe, hat es mir so gut gefallen, dass ich auch gleich anfangen wollte», erklärt die junge Sportlerin. Wie die meisten ihrer Kolleg*innen kannte auch sie die Sportart zunächst nur aus den amerikanischen Serien – dass es in Zürich überhaupt einen Cheerleader-Verein gibt, darauf waren sie und ihre Schwester erst von einer Freundin aufmerksam gemacht worden. Seither trainiert sie hier an zwei bis drei Abenden pro Woche mit ihrem Team, «zweimal müssen wir mindestens ins Training kommen, das dritte Mal ist freiwillig», so Iva. Wettkämpfe bestreitet sie auch, in der ganzen Schweiz finden diese statt, teilweise auch im nahen Ausland wie Deutschland. «Mit 16 darf man sogar einmal im Jahr nach Amerika», schwärmt die Zwölfjährige, «dorthin möchte ich sehr gerne auch mal mitreisen». Am besten gefällt ihr an ihrer Sportart das Bodenturnen und das «Stunten». Weil sie klein und dünn ist, ist sie bei den Hebefiguren ein Flyer, also diejenige, die von den anderen hochgehoben und durch die Luft gewirbelt wird. Kleinere Verletzungen hat sie dabei auch schon davongetragen: «Natürlich habe ich mich auch schon verletzt, das passiert schon mal. Cheerleading ist halt schon ein bisschen gefährlich», gibt sie zu, aber Angst hat sie deswegen trotzdem nicht. Ihr Sport macht ihr viel Spass, auch das Team sei super, sagt sie. Das einzige, was sie sich noch wünschen würde, wäre, dass «noch mehr von meinen Kolleginnen und Freundinnen auch Spass am Cheerleading bekommen würden».

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