Blasenplatzen

Nun ist es draussen doch noch kalt geworden – und drinnen wohlig warm. Auf dem Sofa unter der Kuscheldecke drückt die Geborgenheit in jede Pore, während die Abwärme des Laptops die Knie und jene des Smartphones die Hände erwärmen. Womit ich beim Thema wäre. Denn diese Geräte bieten den ultimativen Zugang zur absoluten Kuschelwelt. Wer surft, man weiss es, hinterlässt Datenspuren, auf denen Google und Co. verlässlich wie Bluthunde hinterhertrotten, um uns dann mit Werbung und Informationen zur Strecke zu bringen, von denen ihre Algorithmen glauben, sie entsprächen unseren Bedürfnissen. Ich zum Beispiel bekomme Angebote für Inkontinenzartikel, weil ich für meine Grossmutter neulich saugkräftige Damenbinden online bestellte, weil sie sich geniert, diese im Laden zu kaufen. Und weil selbst Google nicht erraten hat, ob ich nun Mann oder Frau bin, senden sie mir vorsorglich auch Informationen über Prostataleiden sowie Pampersreklame. Meine Tochter hat zudem vom Familiencomputer aus mehrfach Barbie gegooglet und nun halten die mich für einen senilen Perversling. Werbung für Prinzessinnenkostüme in Übergrössen und dubiose Datingplattformen deuten darauf hin.
Jedenfalls, um es kurz zu machen: So entstehen beim Surfen und in sozialen Medien Filterblasen, in denen man, ob man will oder nicht, nur immer dem begegnet, was die eigenen Bedürfnisse und Ansichten bestätigt und diese so lange austariert und weiter einengt, bis man vielleicht eines Tages selbst weggefiltert ist. Die grösste bekannte Filterblase umgibt übrigens seit zwei Jahren ein Haus in Washington D.C.

Doch Filterblasen gibt es ja auch im analogen Leben. Man nennt sie Freundeskreis. Meiner besteht zum Beispiel aus sozial- und umweltbewussten Gutmenschen. Manchmal rätsle ich, welcher hinterhältige Algorithmus mir den zugewiesen hat. Egal, jedenfalls können Sie sich bestimmt vorstellen, worüber da so geredet wird, während ich nach dem veganen Essen heimlich noch den Kebabstand besuche. Wo dann regelmässig meine Filterblase platzt, weil ich jenen ausserhalb meiner Blase angesiedelten Lebewesen begegne. Bei denen ist das aktuellste Problem «mit oder ohne scharf» und während der Türke ihr Kebab rollt, tauschen sie sich über den neuen GT-irgendwas aus, regen sich über – Achtung Witz – arbeitsscheue Ausländer, Scheininvalide und Tempo-30-Zonen auf, während sie sich gegenseitig lustige Youtube-Filme vorspielen. Ich nehme dann jeweils meinen Kebab und verziehe mich wieder in meine Kuschelsofawelt, um den Algorithmus zu lobpreisen, der mich meinem Freundeskreis zugewiesen hat. Wobei, ehrlich: Am Kebabstand oder sonst wo die Filterblase temporär zu verlassen, tut gut. Wo sonst würde ich erfahren, wer mich in Abstimmungen und Wahlen regelmässig haushoch überstimmt und statistisch zur Bewohner*in der Romandie oder Baselstadt macht?
Nicht nötig, diese Erkenntnis mal nach Washington D.C. zu melden, Google weiss bereits alles. Was die Datenbluthunde wohl damit anfangen werden? Ich werde gleich mal online nachschauen.

Kuschelige Grüsse aus der Filterblase
Ihr Frank Frei

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