Biobauern
Bio boomt, doch kaum in Bauers Portemonnaie
«Bio» ist im Trend, und das seit Jahren, wie die Umsatzzahlen zeigen. Auch wenn private Detailhändler bereits in den 1980er-Jahren Bio-Produkte anboten, verhalf erst der Einstieg der Grossverteiler dem Trend zum Durchbruch. Aber hat der Bauer auf dem Feld auch etwas von diesem Boom?
8. Februar 2017 — Fredy Haffner
Der Verkauf von Bio-Produkten entwickelt sich in der Schweiz rasant und hat, seit das Thema «Nachhaltigkeit» die gesellschaftlichen und politischen Debatten prägt, noch zugenommen. Dazu beigetragen haben auch zahlreiche, wiederkehrende Lebensmittelskandale, auch wenn diese bei den Konsumentinnen und Konsumenten kaum nachhaltige Wirkung zeigen – wie schnell doch Rinderwahnsinn und schockierendes Filmmaterial aus Geflügelställen in Vergessenheit geraten, ist beunruhigend. 2015 wuchs der Bio-Markt trotz Frankenstärke und Einkaufstourismus, wie Bio Suisse, der Dachverband der Schweizer Knospe-Betriebe, an der Medienkonferenz 2016 bekannt gab: «Der Umsatz stieg um 5,2 Prozent auf 2,323 Milliarden Franken und erreicht mit 7,7 Prozent den bisher höchsten Marktanteil». Umgerechnet wurden also pro Kopf 280 Franken für Bio-Produkte ausgegeben. 6031 Produzenten bewirtschafteten total 137’000 Hektar Land biologisch, Tendenz weiter steigend – doch das sind noch immer lediglich 12.8 Prozent der gesamten Landwirtschaftlichen Nutzfläche.
Der Umsatz steigt und steigt
Dass Bio im Trend ist, zeigen auch die Zahlen der beiden Schweizer Grossshändler Coop und Migros, die zusammen drei Viertel des Bioumsatzes erzielen, gefolgt von Biofachgeschäften wie zum Beispiel «Canto Verde» oder «Terra Verde» in Höngg. Coop sagt von sich selbst, man habe «der Bio-Landwirtschaft in der Schweiz zum Durchbruch verholfen». Seit der Einführung der ersten Produkte1993 ist das Angebot auf rund 2000 Artikel in allen Sparten gewachsen. In den letzten zehn Jahren konnte Coop den Bio-Umsatz verdoppeln, 2015 lag er bei 1,1 Milliarden Franken. Doch das sind nur knapp über vier Prozent des Gesamtumsatzes der Coop-Gruppe von 26.9 Milliarden. Coop bleibt deshalb ehrgeizig: «Wir setzen weiterhin konsequent auf die Knospe und wollen den Bio-Umsatz bis 2025 verdoppeln», sagt Coop-Mediensprecherin Andrea Bergmann. Auch die Migros, mit Bioprodukten zwei Jahre nach Coop ins Rennen gestiegen, verzeichnet seit der Lancierung der ersten Produkte 1995 ein stetes Wachstum – von 35 Millionen 1996 auf 681 Millionen im 2015. «Wo die Grenzen von Bio liegen ist kaum abzuschätzen», teilt Mediensprecherin Monika Weibel mit.
Die Partner geben sich zurückhaltend
Doch wer verdient eigentlich an Bio? Bekommen die Bauern für die im Laden durchgängig teurer angebotenen Bio-Produkte auch mehr? Von den Bauern hört man hinter vorgehaltenen Händen, dass die Grossverteiler keine angemessenen Preise bezahlen würden, dies mit dem Hinweis, dass die Kunden zu grosse Preisunterschiede nicht akzeptieren würden. Also fragte der «Höngger» die Grosshändler nach Vergleichszahlen, zum Beispiel für ein Kilo Kartoffeln. Bei Coop hält man sich bedeckt: «Wir kommunizieren aus Konkurrenzgründen generell keine Einkaufszahlen», heisst es da schlicht. Auch die Migros will keine Zahlen nennen und schreibt: «Bei den Rohstoffpreisen halten wir und unsere Partner uns an die Richtpreise der Bio Suisse», und man möge doch bitte dort nachfragen.
Die kleinen Unterschiede
Stephan Jaun, Leiter Unternehmenskommunikation Bio Suisse, nennt die verfügbaren Zahlen. Wobei dies auch nur Richtpreise sind und im Markt starken Schwankungen unterliegen. In seiner Antwort weist er aber auch als Erstes darauf hin, dass man von den Produzentenpreisen nicht auf das Einkommen der Bauern schliessen könne, denn oft seien die Erträge im Biolandbau tiefer und die Produktionskosten höher als auf konventionellen Betrieben: «So muss zum Beispiel die Arbeit für die im Biolandbau aufwendigere Unkrautregulierung finanziert werden, insofern schafft die Bioproduktion meist die Möglichkeit zu mehr bezahlten Arbeitsstunden auf dem Betrieb, bringt aber nicht à priori höhere Arbeitsverdienste», so Jaun. Anhand der angefragten Vergleichsbeispiele ergeben sich folgende Zahlen: Für ein Kilo Rindfleisch, Schlachtgewicht, also das Gewicht eines ganzen geschlachteten Rindes ohne Innereien und Haut, bekommt der Bauer gemäss Bio Suisse 9.80 Franken, sein konventionell arbeitender Kollege 9.18 Franken. Das scheint sehr wenig, gemessen an den Mehrkosten und Mindererträgen, die dem Bauer entstehen. Bei den Kartoffeln sieht es zumindest auf den ersten Blick besser aus: Die beliebten «Charlotte» verkauft der Bio-Bauer für knapp einen Franken pro Kilo an den Handel, für konventionell angebaute gibt es rund 55 Rappen. Hier, so Jaun fast entschuldigend, gälte es zu beachten, dass die Erträge pro Hektare im Bio-Anbau um einiges tiefer lägen, der Bauer also nicht einfach das Doppelte verdiene. Selbiges gilt auch bei Weizen, dessen Richtpreis für das Verkaufte Korn pro Kilo bei 1.06 Franken für Bio-Qualität und 52 Rappen für konventionellen Anbau liegen.
Bei der Milch ist es noch etwas komplizierter und wegen den vielen möglichen Abnehmern irgendwo zwischen Grossverarbeitern wie Emmi und einer kleinen Landkäserei auch unübersichtlich. Im November 2016, so zeigt eine Statistik, erhielt der Bauer für «Industriemilch» – als solche wird Milch bezeichnet, die nicht für die Käserei bestimmt ist – pro Kilo 55.56 Rappen und für Biomilch 80.37 Rappen.
Der Bauer verdient kaum mehr
Die Zahlen zeigen, dass ein Grossteil des Mehrpreises, die Konsumentinnen und Konsumenten im Laden für Bio-Produkte bezahlen, wohl beim Zwischenhandel hängen bleibt, obwohl dort nicht ersichtlich ist, dass gegenüber konventionell angebauten Produkten irgendwelche Mehrkosten für Vertrieb oder Lagerung anfallen würden. Hier mangelt es der Branche an Transparenz. Während die Hinweise von Bio Suisse auf die Mehrarbeit und die Mindererträge der Bio-Bauern, mit denen die nicht übermässig höheren Produzentenpreise gerechtfertigt werden, fast übertrieben entschuldigend wirken. Aus Konsumentensicht müsste man deshalb, wenn immer möglich direkt beim Bauern einkaufen – doch das ist der Allgemeinheit dann doch wieder ungefähr so zu aufwendig, wie sich den letzten Lebensmittelskandal in Erinnerung zu rufen.
Unter www.knospehof.ch finden Konsumenten Direktvermarkter und Wochenmärkte in ihrer Nähe.
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