Wir sind Höngg
«Bei den Schaumweinen waren wir gut drauf»
Weniger als 250 Personen in der Schweiz haben das Weinakademiker Diploma in der Tasche: Simone Wick aus Höngg ist eine von ihnen. Wie sie das erreicht hat und warum sie ihr Know-how ideal einsetzen kann, erzählt sie hier.
24. März 2024 — Daniel Diriwächter
Die Prüfung des dritten Moduls für das Weinakademiker Diploma war für mich persönlich die herausforderndste: Vier Gläser mit verschiedenem Wein standen vor mir, insgesamt sollten es zwölf werden. Nicht zum Trinken, sondern um die edlen Tropfen einzuordnen. Also schrieb ich jeweils 21 Punkte auf, die mein mittlerweile geschulter Geschmack herausfilterte. Dabei geht es unter anderem um den Geruch, die Qualität, die Optik. Aber auch darum, ob der Wein Lagerpotenzial hat und in welchem Stadium er sich befindet. Gleich beim ersten Durchlauf bestand ich die Prüfung und mein Fazit ist: Der erste Gedanke ist meistens der richtige.
Geboren und aufgewachsen bin ich in St. Gallen, dort absolvierte ich die Lehre als Koch im Gourmetbereich (es gibt hierbei keine weibliche Person, das ist die korrekte Bezeichnung). Schliesslich nahm ich die Hotelfachschule in Angriff und eines der Praktika führte mich ins Mandarin Oriental Palace Lucerne, eine angesehene Adresse mit einem beachtlichen Weinkeller. Dieser Reichtum an Genuss faszinierte mich. Da mich zudem auch Eventmarketing interessierte, bildete ich mich weiter aus und fand schliesslich meine ideale Aufgabe in Höngg als Leiterin Gastronomie und Events sowie der Weinwerkstatt mit Genusserlebnissen bei Zweifel 1898.
Seit rund vier Jahren ist Höngg mein Lebensmittelpunkt. Doch mein Weg zum eingangs erwähnten «Bachelor in Wein», wie ich meine Weiterbildung gerne bezeichne, begann schon vorher.
Von der Pandemie profitiert
Das Weinakademiker Diploma wird hierzulande in Wädenswil angeboten, meines Wissens gibt es heute nicht mehr als 250 Personen in der Schweiz, die dieses in der Tasche haben. Ich entschied mich schliesslich für die Partnerschule: die Weinakademie Österreich. Die Ausbildung baut auf fünf Modulen auf, unterrichtet wurde am Seminarzentrum Rust, das in der Nähe zur ungarischen Grenze am Neusiedlersee liegt. Den «österreichischen» Weg wählte ich, weil dieser vollständig in deutscher Sprache gehalten wird, während in der Schweiz das vierte Modul in London geplant wird und auf Englisch ist.
Der Löwenanteil der Ausbildung machte das Selbststudium aus und bei mir kam damals Corona «dazwischen». Der Lockdown bot mir die Möglichkeit, mich gleich zu Beginn der Ausbildung intensiv in die Materie einzulesen. Arbeit gab es wenig, bekanntlich wurden wir im Dienstleistungssektor für Monate ausgebremst. Diese Zeit verschaffte mir den idealen Grundstein, um später, als wieder Normalität einkehrte, die Balance zwischen Arbeit und Lernen zu wahren.
Spuckbecher wurde zum besten Freund
Es gab aber auch Tage, an denen wir vor Ort die praktischen Teile, sprich das Degustieren, erlernen konnten. Ich erinnere mich an drei Seminarwochen, in denen wir täglich um 9 Uhr mit dem Degustieren begannen. Die Weine wurden nach Sorte oder nach Ländern erklärt und dargeboten. Der Spuckbecher wurde in dieser Zeit zu meinem besten Freund. Dennoch nimmt man einen Rest Alkohol im Körper auf. Anstrengend waren besonders die Tage mit schweren Weinen aus Südfrankreich, da waren wir alle schon mittags ziemlich müde. Anders bei den Schaumweinen: Abends waren wir immer gut drauf.
Das Studium vereint vieles: So kenne ich heute die Technik des Kelterns und bin mit dem Weinbau vertraut. Wobei ich keine Önologin bin, das ist ein Studium, das sich auf die Lehre und Wissenschaft der Weinwelt fokussiert. Auch bin ich keine Sommelière. Beim «Bachelor in Wein» sind es drei Aspekte, die zählen: die Produktion, die Kundschaft und der Verkauf. Ich nenne das auch «Wissen exportieren». Darum geht es mir: Den Wein verständlich der Kundschaft vermitteln.
Die Fachsprache muss ich im Restaurant etwas in den Hintergrund stellen. Zum Beispiel, wenn es um die Auswahl geht. Mögen die Gäste lieber säurereiche oder -arme Weine? Dann beschreibe ich das mit dem Trinkfluss. Viel Säure bedeutet ein guter Trinkfluss und das Wasser läuft im Mund zusammen. Das ist ein guter Essensbegleiter. Mittlerweile bemerke ich gut, wenn jemand blufft und den Wein kommentiert. Ich habe einige Ideen, wie ich die Weinsprache noch verständlicher im Restaurant umsetzen könnte, wobei der Genuss nicht zu kurz kommt.
Zeit für Privates
Im letzten Herbst habe ich schliesslich mein Diplom erhalten. Ihm voraus ging das fünfte Modul, die Diplomarbeit: Ich schrieb über 30 Seiten zum Thema «Die Weinauswahl im Fokus – Wie finde ich den passenden Wein?», darauf bin ich sehr stolz. Die Graduierungsfeier, notabene die 30. Ausgabe der Akademie, fand in Österreich im Schloss Esterházy in Eisenstadt statt, nahe Rust. Das war ein fantastischer Moment. Wir waren 32 Personen aus 11 Nationen. Auch hier bei Zweifel 1898 haben wir mein Diplom gefeiert.
Mittlerweile werde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die nächste Stufe anzugehen, den «Master of Wine». Aktuell gibt es in der Schweiz gerade einmal fünf Personen, die diesen Titel erwarben. Vier Männer und eine Frau. Aktuell hege ich keine Ambition, mich als zweite Frau in dieser Domäne durchzusetzen. Die Phase wird kommen, in der ich wieder etwas Neues lernen möchte. Das liegt in meiner Natur.
Aber nach der langen Zeit des Lernens ist wieder Zeit für Privates angesagt, denn geheiratet habe ich Ende letzten Jahres auch noch. Meinen Mann lasse ich übrigens in einem Restaurant getrost den Wein aussuchen, das geniesse ich sehr.
Aufgezeichnet von Daniel Diriwächter
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