Behind the curtains

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute über die Melancholie des späten Herbstes.

Dagmar Schräder bringt ihre Gedanken aufs Papier. (Foto: dad)

November ist’s. Nicht gerade mein Lieblingsmonat. Die Tage sind kurz, das Dunkle überwiegt. Auf der Heimfahrt mit dem Bus von irgendeinem Termin fällt sie mir besonders auf, die Dunkelheit. In den die Strasse säumenden Häusern sind nur die Fenster hell erleuchtet. Im Vorbeifahren kann man einen kurzen Blick in die Wohnungen werfen.

Ein kleiner, flüchtiger Einblick in den Alltag der anderen. Familie sitzt gemeinsam am Küchentisch – vorbei – Frau sitzt im Arbeitszimmer am Computer – vorbei – Mann kommt gerade zur Haustür rein – vorbei. Mehr sieht man nicht. Was im Privaten hinter den Fenstern geschieht, bleibt der Welt draussen weitestgehend verborgen.

Wie lauter kleine leuchtende Inseln des Privatlebens, die im finsteren Meer der Gesellschaft treiben. Düstere Vorstellung. Aber wer weiss schon, was die Familie am Küchentisch gerade bespricht? Ist die Frau am Computer einsam? Oder bucht sie vielleicht eine Reise zu ihrem Freund im Ausland? Wie war der Tag des Mannes, der gerade die Wohnung betritt? Ist er erschöpft? Oder hat er gerade mit Freunden einen entspannten Nachmittag verbracht? Keine Ahnung.

Fast alle haben irgendwelche Probleme und Geheimnisse, die sie beim Verlassen der Wohnung verbergen. Draussen wird dann eine Fassade aufgesetzt, damit keiner merkt, wie man sich wirklich fühlt. Es könnte ja sein, dass man verletzt wird.
Und darum macht diese Dunkelheit auch schwermütig. Weil sie so trennend ist. Kann sehr gemütlich sein, wenn zu Hause eine liebevolle Familie und eine erfüllte Beziehung warten, aber eben auch schwierig, wenn gerade nicht alles so stimmt und man niemanden hat, mit dem man seine Sorgen teilen kann.

Puh, worüber man auf so einer Busfahrt alles nachdenken kann. Und was tue ich jetzt mit diesen trüben Gedanken? Auf den Frühling warten? Oder – Achtung, Pathos! – versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen? Könnte ja mal wieder bei den Nachbarn vorbeigehen und sie fragen, wie es ihnen geht. Dann verbinden sich unsere beiden kleinen Fensterinseln zu einer grossen.

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