Baumstamm-Akrobaten

Rastlos rauf oder runter, ringsum, kopfüber oder kopfunter, hier ein Zupfen, dort ein Hämmern – die kleinen befiederten Baum-Akrobaten lassen sich im Winter besonders gut beobachten.

Mit scharfen Krallen verankert und vom Stützschwanz gesichert, hüpft der Baumläufer aufwärts.
Kopfunter kletternd sucht dieser Kleiber eine Rindenspalte, um den Samen zum Aufknacken einzuklemmen.
Eulennistkasten: Lochgrösse von 12 cm auf 3.5 Zentimeter «zugekleibt».
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Kleiber und Baumläufer erklimmen Baumstämme, als wäre es ein Sonntagsspaziergang. Dabei verankern sie sich mit ihren langen, sichelförmig gebogenen und spitz zulaufenden Zehenkrallen sicher in der Baumrinde. Dies ist jetzt, wo die Blätter gefallen sind, besonders gut zu beobachten. Während der Kleiber mit seiner bläulich-grauen Ober- und orangen Unterseite auffällt, ist der braun-gesprenkelte Baumläufer gut getarnt auf der Baumrinde. Dort suchen beide nach Nahrung.

Der Baumläufer – in Höngg der Gartenbaumläufer – zupft mit seinem feinen, gebogenen Schnabel Insekten, deren Eier und Larven wie mit einer Pinzette unter der Rinde hervor. Der Kleiber hingegen geht ruppiger ans Werk. Um an seine Beutetiere zu gelangen, meisselt er mit seinem kräftigen, geraden Schnabel die Rindenstücke kurzum ab. Jetzt, in der insektenarmen Zeit, stehen bei beiden vermehrt auch Samen auf dem Speisezettel. Während sich der feinschnäblige Baumläufer mit kleinen Samen begnügen muss, knackt der Kleiber durchaus auch Eicheln und Nüsse. Diese klemmt er in eine Rindenspalte und hämmert sie lautstark auf. Dabei hängt er gerne mit dem Kopf nach unten am Baumstamm. Kopfunter kann er auch problemlos abwärts klettern. Dabei bewegt er seine Beine abwechselnd, verankert nach jedem Schritt die Krallen des einen Fusses in der Rinde, bevor er den anderen anhebt. Genauso schreitet er auch beim Aufwärtsklettern. Ein Kleiber kann also einen Baumstamm sowohl auf- wie abwärts nach Nahrung suchend abschreiten.

Ein Baumläufer hingegen kennt nur eine Richtung: aufwärts. Deshalb landet er immer im unteren Baumstammbereich. Seine Füsse parallel gestellt, durch den Stützschwanz mit versteiften Federschäften gut abgesichert, hüpft er beidfüssig aufwärts, oft in Spiralen um den Baumstamm herum. Oben angekommen, fliegt er im Sturzflug zur nächsten Baumwurzel und beginnt von Neuem hochzuhüpfen. Aufgrund ihrer Klettertechniken sollte eigentlich der Baumläufer «Baumhüpfer» heissen und der Kleiber «Baumläufer».

Weshalb der Kleiber jedoch seinen Namen hat, weiss ich inzwischen genau. Vor Jahren hängte ich im Garten einen Waldkauz-Nistkasten auf, entsprechend gross und mit armdickem Einflugloch. Dieses war im Frühling dann plötzlich winzig klein. Um Marder und andere Feinde abzuhalten, hatten Kleiber den Eingang zur eroberten Brut-Villa kurzum mit Lehm und Speichel verklebt – mittelhochdeutsch eben «kleiben».

 

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