Stadt
Barbara Käser geht – was wird aus dem Quartiertreff?
Der Quartiertreff Höngg hat eine bewegte Geschichte. Nicht immer war er in Höngg akzeptiert – man sprach ihm schlicht die Daseinsberechtigung ab. Das änderte sich, seit Barbara Käser vor zwei Jahren die Leitung übernahm. Nun wurde ihr befristeter Arbeitsvertrag nicht erneuert. Warum nicht und wie es nun weitergeht, versuchte man diesen Montag zu klären.
25. November 2010 — Fredy Haffner
1997 wurde das Haus an der Limmattalstrasse 214 als «Jugend- und Quartiertreff Höngg» eröffnet. Bereits zwei Jahre nach Aufnahme des Betriebs wurde der «Jugendtreff» wieder geschlossen. Zu viele Lärm- und andere Klagen waren eingegangen. Geblieben ist der Quartiertreff, doch auch dieser rang um Anerkennung. Als die Frage nach einer Schliessung bereits im Raum stand, bekam Barbara Käser vom Sozialzentrum Hönggerstrasse den auf zwei Jahre befristeten Projektauftrag, der klären sollte, ob die Angebote und Leistungen des Quartiertreffs Höngg noch zeitgemäss sind und von der Bevölkerung genutzt werden. Käser initiierte im Rahmen des Auftrages einiges: Sie ermöglichte verschiedenste Veranstaltungen in und um das Haus und animierte Bevölkerungsgruppen zu einer aktiven Teilnahme, denen der Quartiertreff zuvor völlig fremd war. Somit wurde dieses Frühjahr der Fortbestand des Quartiertreffs zur beschlossenen Sache und in Höngg wäre niemand auf die Idee gekommen, dass Barbara Käsers Vertrag nicht verlängert würde. Doch genau dies ist nun geschehen. «Mit Erstaunen haben wir festgestellt, dass die Stelle der Leitung Quartiertreff Höngg per 1. Januar 2011 neu ausgeschrieben wurde» schrieb Marco Soldati aus Höngg am 13. Oktober in einem Brief an Käsers direkte Vorgesetzte, Peter Mangold und Roman Dellsperger, beim Sozialzentrum Hönggerstrasse. Das mit einem Unterschriftenbogen versehene Unterstützungsschreiben kursierte per Mail im Quartier. Es drückte aus, was viele Hönggerinnen und Höngger empfanden: Bestürzung über Käsers bevorstehenden Abgang, verbunden mit der Furcht, mit ihr einen Grossteil der von ihr und ihrem Team geleisteten Aufbauarbeit zu verlieren. In einer ersten Antwort betrachteten die Sozialen Dienste die Stellenausschreibung als normales «Personalgeschäft». Das ist formal richtig: Jede freie Stelle muss ausgeschrieben werden, selbst wenn interne Bewerbungen vorliegen. Nur: Barbara Käser, deren Verdienste auch seitens ihres Arbeitgebers nicht angezweifelt werden, bekam kein entsprechendes Angebot und hätte sich regulär bewerben müssen. Auch dies ist formal korrekt, menschlich jedoch zumindest fragwürdig. Und dann kam langsam Bewegung in die Geschichte: Per 26. Oktober schrieb das Sozialzentrum Hönggerstrasse involvierten Kreisen und Personen einen Brief, der die Situation klären sollte. «Für 2011 haben sich die Sozialen Dienste Zürich zum Ziel gesetzt, sich mit einem angepassten Auftrag vermehrt für eine breit abgestützte Quartierarbeit und eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Angeboten in Höngg einzusetzen», hiess es. Die Leitungsstelle der Soziokultur Höngg werde mit einem erweiterten und veränderten Aufgabenprofil neu ausgeschrieben. Bloss liess das entsprechende Stelleninserat keinerlei Rückschlüsse auf ein neues Aufgabenprofil zu, die «involvierten Höngger Kreise» waren weiter ratlos ob dem Vorgehen der Stadt.
Erste Klärung erst am 22. November
Eine Klärung brachte erst ein Treffen in der «Lila Villa» diesen Montagabend. Roman Dellsperger und Peter Mangold setzten sich mit Marco Soldati, Vreni Noli vom Frauenverein Höngg sowie Alexander Jäger und Arthur Müller vom Quartierverein Höngg (QVH) zusammen. Barbara Käser blieb dem Treffen auf eigenen Wunsch fern, sie hatte sich auch im Vorfeld zu den ganzen Vorgängen um ihre Person nur zurückhaltend geäussert. Gleich eingangs geht Peter Mangold, Leiter des Sozialzentrums Hönggerstrasse, auf Fehler in der Kommunikation gegenüber dem Quartier und Barbara Käser ein und zeigte sich vom spontanen Engagement für sie seitens verschiedener Menschen beeindruckt. Man habe daraufhin mit ihr erneut Gespräche geführt und ihr versichert, dass eine Bewerbung ihrerseits seriös geprüft würde – doch Barbara Käser, so kristallisierte sich heraus, würde sich nicht bewerben. Ihr Weggang aus Höngg per Ende Jahr ist definitiv. Die Antwort auf die Frage, warum man Käsers Anstellung nicht automatisch verlängerte – wie dies in anderen Fällen auch möglich ist – blieben Dellsperger und Mangold letztendlich den Anwesenden schuldig. Der durch die Ausschreibung entstandene Vertrauensverlust zwischen ihnen und Barbara Käser sei aber geklärt worden, halten beide fest.
Komische Gefühle
Im Raum aber blieben bei einigen die «komischen Gefühle» bestehen. Vreni Noli sagte es so: «Das Sozialzentrum hat etwas entschieden und Höngg wurde nicht gefragt, ob wir, die mit dem Quartiertreff leben, die Neuausrichtung auch wollen.» Und Arthur Müller ergänzte, anspielend auf ähnliche Vorgänge in anderen Departementen: «Im Leitbild der Stadt Zürich steht, man wolle mit den Quartieren eng zusammen arbeiten – wir erleben gerade wieder, dass dies bloss ein schöner Satz ist.» Roman Dellsperger zumindest nahm die Anliegen aus Höngg ernst und versuchte, «Goodwill» zu schaffen. «Wir wollen das Beste für das Quartier», unterstützte ihn Peter Mangold, und dies sehe man eben in einer Neuausrichtung des Stellenprofils: «Die bisherige gute Arbeit wird weitergeführt, nichts wird abgebaut. Es gibt sogar mehr Stellenprozente. Dies weil die neue Leitung Zusatzaufgaben wird übernehmen müssen, für die bislang Roman Dellsperger zuständig ist.»
2011 gibt es eine Quartierkonferenz
Konkret genannt wurde die Werdinsel und die Vertretung der Anliegen aus Höngg im Landschaftsentwicklungskonzept (LEK) Limmatraum von Grün Stadt Zürich. Weiter soll im 2011 eine Quartierkonferenz ins Leben gerufen werden, wie man sie in Wipkingen und Unterstrass bereits kennt: Bis zu 80 Personen versammelten sich dort, um neue Ideen und Formen des Zusammenlebens im Quartier zu diskutieren – bereits werden Projekte umgesetzt, von denen man zuvor keine Ahnung hatte, dass überhaupt ein Bedürfnis danach besteht. QVH-Präsident Ueli Stahel versprach gemäss Dellsperger, dass solche Quartierkonferenzen, an denen Institutionen, Vereine und engagierte Privatpersonen teilnehmen könnten, unter dem Patronat des QVH stehen würden. Auf die neue Leitung der «Lila Villa» kommt einiges zu: «Es ist ein hoher Anspruch, Barbara Käsers gute Arbeit weiterzuführen und gleichzeitig solch komplexe neue Aufgaben zu übernehmen», sagte auch Mangold, doch Dellsperger wies auch auf die bewährte Unterstützung der beiden Mitarbeiterinnen Anita Franco und Fanny Nüssli hin. Alle gemeinsam sollen weiter dafür sorgen, dass Höngg einen offenen Quartiertreff hat, der bereit ist, Ideen aus der Bevölkerung auszuprobieren, und dass die unmittelbare Nachbarschaft eine Ansprechperson hat, um Probleme rechtzeitig aufzufangen. Bewährte Aktivitäten wie Frauenabende, Schärrerwiesenfest, Quartierznacht, Indoorspielplatz, Krabbelgruppe und vieles mehr würden weiter bestehen, sicherten Dellsperger und Mangold zu. Das Thema «offener Jugendtreff» bleibt dagegen eine hängige Pendenz: Die Runde hält fest, dass es eigentlich erstaunlich ist, dass ein Quartier dieser Grösse de facto keine städtisch finanzierte Jugendarbeit hat. Angebote wie das «Cave» der Reformierten Kirche sind gut, doch sie ersetzen keinen wöchentlich mehrmals geöffneten Jugendtreff.
Kleines Gemeinschaftszentrum
So wird Höngg also weiterhin nur ein «kleines Gemeinschaftszentrum» haben. Was aber geschieht mit diesem, wenn das «Familien und Generationenhaus Sonnegg» der Reformierten Kirchgemeinde verwirklicht wird? «Dann», so Dellsperger, «muss sich die Stadt überlegen, was sie macht: Wenn 100 Meter neben dem Quartiertreff ein grösseres Gebäude mit besserer Infrastruktur existiert, stellt sich die Frage, ob die Steuergelder hier weiter gerechtfertigt sind oder ob man dann nicht besser etwas gemeinsam macht, wie ich das mit Kirchgemeindepräsident Jean Bollier andiskutiert habe.» Peter Mangold ergänzte abschliessend: «Vielleicht übergibt man das Haus auch dem Quartier – möglich ist alles. Es muss einfach für Höngg sinnvoll sein.» Der Informationsabend neigte sich seinem Ende zu – die Vertretungen aus Höngg waren sich einig: Man will abwarten, was effektiv geschieht, und der neuen Leitung sicher eine Chance geben.
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