Auf und zu auf der Werdinsel

Das beliebte Restaurant Werdinsel, das zur Badi Au-Höngg gehört, ist seit Mitte Mai wieder geöffnet. Trotz erneuter Zugangsrestriktion sind die Betreiber zuversichtlich, dass sie die Coronakrise gut meistern werden.

Der Garten wird durch die Corona-bedingten Trennwände erst gemütlich.
Die Badi Au-Höngg ist zwar geschlossen, gebadet wird trotzdem, ohne Aufsicht.
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«Nummer 86, Burrata», schallt es aus dem Lautsprecher über die Gartenwirtschaft des Restaurants Werdinsel. Es gibt wieder Gemüsewähe, frischen Fisch und andere Leckereien auf dem Inseli. In den letzten zwei Tagen war hier die Hölle los, nun ziehen erste Gewitterwolken auf, die Wetterlage ist unsicher, was sich auch daran zeigt, dass der Abstand zwischen den Badegästen gut eingehalten wird. Bis zum Vortag war der Zugang aufgrund der bekannten Schutzmassnahmen noch beschränkt, doch nun können wieder so viele Gäste kommen, wie Platz haben – unter Wahrung des Abstandes, aber auf Selbstverantwortung. Das Naherholungsgebiet ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Jan Eigensatz, Mitinhaber und Geschäftsführer des Restaurants Werdinsel, kann sich noch an seine Anfangszeiten vor 13 Jahren erinnern, als der «Kiosk», wie er manchmal genannt wird, von drei Personen bedient wurde und um 20 Uhr schloss. Heute arbeiten an einem heissen Sonntag bis zu 14 Personen im Schichtbetrieb und der Laden schliesst erst um 22 Uhr. In einer kurzen Pause erzählt Jan, wie die vergangenen Monate für die Geschäftsbetreiber waren. «Der Lockdown kam zu einem Zeitpunkt, als wir noch keine Waren bestellt und das Personal noch nicht angestellt hatten», erzählt er. «Da hatten wir Glück im Unglück». Dennoch war es eine hektische Zeit, bis sicher war, dass dank Pandemieversicherung und Kurzarbeit die Existenz zumindest nicht bedroht sein würde. Auch die Stadt kam den Restaurantbetreibern mit der Miete entgegen. Als alle Vorkehrungen getroffen waren, konnte Jan die freien Wochen sogar etwas geniessen und mehr Zeit mit seinem Sohn verbringen. «Der April wäre ein Rekordmonat geworden», meint er dennoch etwas wehmütig. Ende April verkündete der Bundesrat die Wiedereröffnung für die Restaurants, das OK vom Sportamt Zürich kam jedoch erst eine Woche später, so dass die Crew erst am 17. statt am 11. Mai wirklich in die Saison einsteigen konnte. Aufholen werden sie die Einbussen nicht, aber: «Wir werden wohl mit einem blauen Auge davonkommen», meint der Geschäftsführer zuversichtlich. Anfänglich war die Unsicherheit bei den Besucher*innen noch spürbar. Als erstes kamen die Stammgäste. «Es war schön zu sehen, dass sie uns vermisst haben», sagt der Geschäftsführer. «Viele zeigten sich solidarisch und wollten wissen, wie sie uns unterstützen können». Natürlich habe sich auch die Crew darauf gefreut, endlich wieder arbeiten zu können. Im Sommer werde die Werdinsel zu einem zweiten Zuhause für die Restaurantbetreibenden, meint Jan. Bei 12- bis 14-Stunden-Tagen, und dies an sechs Tagen in der Woche, lebe man sozusagen hier. Mittlerweile sei von der Unsicherheit nichts mehr zu spüren: «es ist fast wie in einem normalen Sommer».

Längere Badestrecke, erweitertes Angebot

Die Zwangspause im Frühling hatte auch ihre guten Seiten, denn die Geschäftsinhaber hätten Zeit gehabt, Altbewährtes zu hinterfragen und neu zu denken. Die obligatorischen Schutzmassnahmen hätten sogar zu einigen unerwarteten Verbesserungen geführt. Zum Beispiel wirkt die Gartenwirtschaft durch die als Trennwände fungierenden SBB-Paletten und die Pflanzen gemütlicher als zuvor und der Offenausschank des Bieres – zuvor arbeitete man mit Flaschen und einem Depotsystem – käme bei den Gästen sehr gut an.
Im Zuge der Verlängerung der Schwimmstrecke wurde auch die Liegefläche um 800 Quadratmeter erweitert, entsprechend finden mehr Menschen auf der Insel Platz. Um diesem Ansturm gerecht werden zu können, hat die Crew des Restaurants eine neue Anschaffung getätigt: Den «Island Runner», wie der graue Imbisswagen liebevoll genannt wird. Darin können drei Personen arbeiten und das bisherige Angebot wird um eine offenbar beliebte Komponente erweitert: Pommes Frites. «Wir waren wohl die einzige Badi in Zürich, die keine Pommes verkaufte», lacht Jan. Nun können sie neben dem täglich frischen Angebot auch dieses Bedürfnis abdecken. Und im Winter kann der mobile Wagen an anderen Orten zum Einsatz kommen.

Herausforderung Wetter

Während des Gesprächs blickt Jan immer wieder abwechselnd in den Himmel und auf sein Telefon. Nicht aus Unhöflichkeit – er beobachtet den Regenradar. Nach all den Jahren habe man schon gewisse Erfahrungswerte, dennoch bleibe das Wetter immer unberechenbar, vor allem wenn es gewitterhaft ist. «Dann müssen wir von Tag zu Tag planen, wie viel Personal es braucht und vor allem wie viel Essen wir produzieren, damit wir abends nicht zu viel wegwerfen müssen». Diese Herausforderung kennen alle Veranstalter*innen, die in der Schweiz einen Sommerbetrieb führen. Nervös macht es Jan schon lange nicht mehr. «Es gibt gute, sehr gute und schlechte Monate, am Ende zählt der Durchschnittswert», meint er nur. Wie zur Veranschaulichung hat sich der Himmel während des Gesprächs verdunkelt, als die letzten Sätze gesprochen werden, fegt eine Sturmböe den Staub und Sand über die Gartenwirtschaft. Wenig später fallen die ersten schweren Tropfen. Als der Regen zu stark wird, beschliesst Jan, das Restaurant für diesen Tag zu schliessen. Nach dem traditionellen Prosecco für die Crew machen sie den Laden dicht.

Badi geschlossen, aber besucht

So wechselhaft wie das Wetter sind auch die Verordnungen der Stadt. Nur eine Woche nachdem alle Zutrittsbeschränkungen in den städtischen Badeanstalten mit dem Hinweis auf Selbstverantwortung aufgehoben worden waren, liess das Schul- und Sportdepartement am Freitag, 3. Juli, aufgrund der wieder ansteigenden Covid-Infektionen besonders kritische, öffentlich zugängliche Badeanlagen erneut schliessen, bei einem Teil wurde die Zutrittsbeschränkung wiedereingeführt. Im Flussbad Au-Höngg wurde die Badeinfrastruktur wie Garderoben und sanitäre Anlagen per sofort geschlossen, das Kinderbecken geleert. Da die Insel aber nicht abgeschlossen ist, tummelten sich vergangenen Sonntag wieder mehrere hundert Badegäste auf der Wiese und im Wasser – ohne Sicherheitsabstand und vor allem ohne Aufsicht von Bademeister*innen – ist das bei so vielen Menschen nicht ein Sicherheitsrisiko? «Bei geschlossenem Badebetrieb ohne Aufsicht erfolgt die Nutzung auf eigene Verantwortung», sagt Marc Caprez, Leiter Kommunikation des Schul- und Sportdepartements auf Anfrage. In diesen Fällen signalisiere eine rote Fahne, dass keine Aufsicht erfolgt. Dies entspräche der regulären Handhabung, die auch bei schlechtem Wetter oder nach Betriebsschluss erfolge, wenn das Bad schliesst. Vor Ort wird an jedem Eingang auf den zurzeit geschlossenen Betrieb wie auch auf die Bedeutung der roten Fahne aufmerksam gemacht. Erfahrungsgemäss klappt das mit der Selbstverantwortung nicht sehr gut. Die Stadt will deshalb so rasch wie möglich entsprechende Absperrgitter aufbauen, damit eine Zutrittskontrolle eingeführt und die damit verbundene Personenbeschränkung eingehalten werden kann. Nur so liessen sich an Spitzentagen auch die Distanzvorschriften umsetzen.

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