«App-solut» sauber

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute über Haushaltsführung der modernen Art.

Dagmar Schräder bringt ihre Gedanken aufs Papier. (Foto: dad)

Bei uns zu Hause gibt es, wie wahrscheinlich bei vielen anderen Familien, ein grosses Diskussionsthema: den Haushalt. Der präsentiert sich meistens nicht unbedingt in der Form, wie wir ihn gerne hätten. Gleichzeitig ist aber das Bedürfnis, selber für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen, bei den meisten Familienmitgliedern nicht ganz so stark ausgeprägt, wie das eine aufgeräumte Wohnung verlangen würde. Und deswegen diskutieren wir oft und gerne über Haushaltspflichten. Mehrfach haben wir schon Anlauf genommen und komplizierte Putzpläne erarbeitet, die gut gemeint waren, aber leider wenig Erfolg zeigten.

Bis meine Tochter vor einigen Wochen mit einer gänzlich neuen Idee ankam. Sie hat unseren Haushalt digitalisiert. Wir sind jetzt virtuell in einer App als Wohngemeinschaft vereint. Dort sind alle Ämtchen hinterlegt, vom Spülmaschine-Ausräumen bis zum Kloputzen. Jeder Person werden wechselnde Aufgaben zugewiesen und immer, wenn man einen Job erledigt hat, kann man diesen abhaken. Dann werden alle Familienmitglieder informiert, wer gerade fleissig war. Und zur Belohnung gibt’s im internen Ranking noch einen symbolischen Pokal.

Doch damit nicht genug: Zur App gehört auch ein Finanzplan. Monatlich zahlen wir alle einen fixen Betrag ein. Und das eingezahlte Geld geht am Schluss vollumfänglich an die Person, welche die meisten Pokale gesammelt hat. Mal angenommen, wir würden alle fünf je 20 Franken einzahlen, dann wären das 100 Stutz am Ende des Monats. Wenn das mal kein Anreiz ist!

Eine Rechnung, die auch mein jüngster Sohn gemacht hat. Und beschlossen hat, dass sich das für ihn durchaus lohnen würde. Also hat er sich die gestellten Aufgaben alle ganz genau angeschaut. Und die ihm zugewiesenen sofort erledigt. Gab ihm schon in den ersten zwei Tagen sechs Pokale, alle anderen hatten noch keine Trophäen erobert. Dann begann er, anderen ihre Aufgaben zu «klauen». Das ist ganz im Sinn der App und vielleicht auch der übrigen Familienmitglieder.

Auf jeden Fall stand er morgens extra früher auf, konsultierte den Plan und fragte, welche Aufgaben er noch übernehmen darf. Er rief seinen grossen Bruder im Büro an und wollte wissen, ob er für ihn den Müll rausbringen darf. Er freute sich wie ein Keks, wenn seine Schwester es versäumte, das Altglas zu entsorgen – gleich zwei neue Pokale für ihn. Und der Staubsauger war quasi an seiner Hand angewachsen.

Der Effekt? Die Wohnung war die letzten Wochen sauber wie selten zuvor. Ein neues, behagliches Wohngefühl. Gleichzeitig aber beschlich mich der Gedanke, das Modell leicht verwerflich zu finden. Sollte es tatsächlich der reine Kapitalismus sein, der am Ende bei uns für Ordnung sorgen würde? War es nicht ein wenig billig, sich die Kooperation der Familienmitglieder zu erkaufen?

Aber die Sorgen waren völlig unnötig. Denn schon nach drei Wochen flachte die Begeisterungswelle dramatisch ab. Die App wird nicht mehr täglich mehrmals konsultiert, der Staubsauger fristet wieder sein einsames Dasein im Putzschrank. Mit Nachhaltigkeit hat’s der Kapitalismus halt nicht so. Denn auch mein jüngster Sohn hat gemerkt, dass es bequemer ist, sich auf dem Sofa zu fläzen, als sich für seine Familie den Allerwertesten aufzureissen. Belohnung hin oder her.

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