An die Urne? – An die Urne!

Es ist nicht zu übersehen, der Wahlkampf befindet sich im Endspurt. Neben der Werbeflut auf Papier und im Internet setzen alle Parteien stark auf den persönlichen Kontakt mit der Bevölkerung. So kommt es, dass am Samstagvormittag drei oder vier oder manchmal sogar fünf Parteien gleichzeitig vor Coop und Migros stehen und dort die Wählerschaft für sich gewinnen wollen.

Kathy Steiner, Kantonsrätin, Grüne

Die Erfahrungen an diesen Standaktionen sind für uns Politiker jedes Mal sehr verschieden – das kann am Wetter, an Medienschlagzeilen, persönlicher Befindlichkeit oder sonst irgendetwas liegen. Im Grossen und Ganzen können wir der Stadtzürcher Bevölkerung jedoch ein Kränzchen winden: Auch mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen bleiben die Leute freundlich und man wünscht sich gegenseitig ein schönes Wochenende. Immer wieder nutzen Passanten auch die Gelegenheit, mit einem Anliegen direkt an einen Nationalrat zu gelangen, was oft zu angeregten Diskussionen führt.

Die Nicht-Wählerschaft

Deutlich spürbar ist bei diesen Aktionen jedoch die grosse Zahl der Leute, die ein totales Desinteresse gegenüber den Wahlen hat. Viele haben nicht so richtig Lust, wählen zu gehen – über die Hälfte der Wahlberechtigten macht keinen Gebrauch von ihrem demokratischen Recht. Auch für den kommenden Sonntag deuten die Signale auf eine bescheidene Wahlbeteiligung hin. Früher konnte man noch dem Wetter die Schuld geben, entweder es hatte geregnet oder die Sonne brannte. Heute lässt der Staat uns drei Wochen Zeit, bequem per Post abzustimmen. Die Gründe müssen anderswo liegen.
Die Partei der Nichtwählenden hat viele Fraktionen und Flügel. Die einen sind schlicht zufrieden mit der aktuellen Politik, so dass sie keinen Wahlbedarf sehen. Die anderen sind dermassen unzufrieden mit der aktuellen Politik, dass sie die Politiker allesamt nicht für wählbar halten. Die einen wüssten selbst vieles besser als «die in Bern oben» und vertrauen generell keinem Politiker. Den anderen ist das politische System viel zu kompliziert und sie finden, dass die Politiker das am besten selbst untereinander ausmachen sollten.

Wahlabstinenz hat politisches Gewicht

Besonders bei den Jungen ist die Meinung weit verbreitet, dass Politik nichts mit ihnen und ihrem Alltag zu tun hat. Das zeigt sich deutlich bei deren tiefer Wahlbeteiligung. Besonders fleissig gehen Personen im Rentenalter an die Urne, gefolgt von Akademikern und Männern mit wenig Ausbildung. Junge Menschen gehen seltener an die Urne und vergessen dabei, dass gerade sie diejenigen sind, die in späteren Jahren mit den Auswirkungen der politischen Entscheide von heute leben müssen.
In der nächsten Legislatur stehen in den eidgenössischen Parlamenten wieder viele wegweisende Entscheide an, wie zum Beispiel Energiewende, Zersiedelung der Landschaft oder Sparpolitik bei Bildung und Gesundheit. Diese Themen betreffen die gesamte Gesellschaft. Die grosse Abstinenz hat politisches Gewicht, sie lässt immer den Gleichen freie Hand. Wer sich für die Zukunft interessiert, geht heute wählen.

Kathy Steiner, Kantonsrätin Grüne

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