Am Meierhofplatz stirbt ein Traditionsgewerbe aus

Die Geschichte der Metzgereibetriebe am Meierhof reicht weit ins 17. Jahrhundert zurück. Nun schliesst am 27. August die «Dorfmetzg» von Roland und Trudi Krieg für immer ihre Tür − Hönggs zentraler Platz verliert ein Traditionsgewerbe.

Roland und Trudi Krieg, bald zum letzten Mal hinter der Auslage.

In der Geschichte der Metzgereibetriebe am Meierhofplatz kam zwei Gebäuden immer eine besondere Bedeutung zu: Dem Haus «Flora» an der Limmattalstrasse 180, heute die Filiale der UBS, und dem «Rebstock» schräg gegenüber am Meierhofplatz. Dort stand bis 1960 sogar ein kleines Schlachthaus, das allerdings seit 1934, als nur noch im städtischen Schlachthaus geschlachtet werden durfte, nicht mehr als solches betrieben wurde. Seit 1919 war das «Flora» im Besitz von Metzgermeister Josef Heinrich, der 1945 auch die gegenüberliegende Metzgerei übernahm. Der alte Rebstock wich 1960 dem heutigen Neubau, in dem an ungefähr gleicher Stelle wie das alte Schlachthaus eine zweite Metzgerei Heinrich eröffnete. Dort trat 1975 Roland Krieg seine Stelle als Filialleiter an. 1987 verkaufte Kurt Heinrich, der Sohn des Firmengründers, altershalber den Betrieb an die Bell AG. Roland Krieg blieb Filialleiter, übernahm jedoch per 1. Januar 1993 den Betrieb und heiratete noch im selben Jahr seine Frau Trudi. «Seit da hiess es Arbeit über Arbeit», resümiert Roland Krieg im Büro in den Betriebsräumen im Untergeschoss: «Wie schnell dabei die Zeit vergeht, sieht man erst, wenn aus Kindern Erwachsene geworden sind.» Mehr als eine Generation Hönggerinnen und Höngger ging bei Kriegs ein und aus und liess sich nebst Fleisch von bester Qualität auch gleich noch Tipps zu dessen Zubereitung mit auf den Weg geben. Wer eben noch selbst im Kinderwagen sass und schnell begriffen hatte, dass es in der «Dorfmetzg» immer ein «Aufschnittrugeli» gab, schaute später auch mit den eigenen Kindern vorbei. So weiss Trudi Krieg, selbst Mutter dreier längst erwachsener Kinder aus erster Ehe, von vielen Episoden zu berichten: «Ein Mädchen, das an der Hand seiner Mutter immer zu uns gekommen war, brachte meinen Enkelkindern später das Schwimmen bei. Sie wollte dafür partout kein Geld annehmen, weil sie doch in der Dorfmetzg immer so feine ‹Wurstrugeli› bekommen habe, wie sie ihrer Mutter gegenüber erklärte.» Oder als ein Junge mal ganz gebannt das Plakat mit den Meerfischen anstarrte, nahm sie es kurzerhand von der Wand und schenkte es dem kleinen Gourmet.

Ein Angebot, wie es kein Grossverteiler haben kann

«Wir hatten eine gute Zeit in Höngg mit treuer Kundschaft», blickt Trudi Krieg zurück. Zu dieser gehörten vermehrt auch Deutsche, in deren Heimat der Einkauf im Fachgeschäft und somit auch beim «Fleischer» noch üblicher sei als in der Schweiz, wie Trudi Krieg erzählt. Eigentlich kein Wunder, haben doch lokale Betriebe wie die «Dorfmetzg» Spezialitäten und saisonale Produkte zu bieten, wie sie Grossverteiler gar nicht anbieten können oder wollen. Doch selbst so besteht man nur, wenn man neben einem guten Grundangebot auch Fertig- und Halbfertigprodukte aus eigener Küche anbietet. So stand Roland Krieg oft bis weit in die Nacht in den Vorbereitungsräumen im Untergeschoss und bereitete zu, was anderntags die Gaumen erfreute – alles ausser Räucherwaren, dazu fehlte die Infrastruktur. Trudi Krieg fertigte Salate und Saucen. Die Rezepte der hauseigenen Fondue-Chinoise-Saucen – die Kreationen entstanden in Zusammenarbeit mit ihrem Sohn, der selbst Koch ist − hat ihr nun eine Firma abgekauft, um sie weiter zu produzieren. Auch die Belieferung von Firmenanlässen bis zu hundert Personen war ein wichtiges Standbein der Kriegs. «All diese Arbeit bewältigt man nur als eingespieltes Team, den Stundenlohn darf man sich gar nicht wirklich ausrechnen», wissen beide aus Erfahrung und orten darin auch den Grund, weshalb sich trotz drei Jahren Suche kein geeigneter Nachfolger für die «Dorfmetzg» fand, die zeitweilig bis zu drei weitere Arbeitsplätze geboten hatte. So schliesst der letzte Metzger am Meierhofplatz am Samstag, 27. August, also altershalber seine Türe für immer – der einzige «Fleischer» in Höngg ist künftig René Leuenberger von der Metzgerei Wartau, auch er bekannt für beste Qualität. Auf Kriegs wartet derweil der «Unruhestand»: In Kreuzlingen, wo Rolands Elternhaus steht, wollen sie ein Mehrfamilienhaus bauen. «Pensionskassen von Selbständigen sind selten gut gefüllt», resümieren beide. Trudi will sich wieder vermehrt ihren vielen kreativen Hobbys widmen, und er geht vielleicht wieder öfters seiner Angelleidenschaft nach – er, der Fische selbst gar nicht gerne isst, sondern sie immer wieder frei lässt. Und natürlich freut sich auch Hund Nico auf ausgedehnte Spaziergänge. Kinder begleiten ihn vorerst nicht − Trudi Kriegs älteste Tochter führt in Italien ein Hotel, die Jüngste ist Journalistin und lebt zurzeit in Kanada und der Sohn lebt als Besitzer einer grossen Metzgerei in Malaysia: Das internationale Personal der nahen Bohrinseln weiss die Kenntnisse des Schweizers zu schätzen – so ist gewissermassen Höngger Metzgerskunst im Fernen Osten angekommen.

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