Der Roman «Mein Bett gehört mir nur in der Nacht» beginnt im Jahr 1973 an der fiktiven Bornstrasse: Fanni, Ramon und Toni wachsen in einer klassischen Agglo-Blocksiedlung auf. Die Eltern haben kaum Zeit, es wird kein grosser Wert auf gute Noten gelegt. Wer auf der Sonnenseite vom Tal wohnt, hat andere Bedingungen. Dazu die Autorin Veronika Sutter: «Die Unterschiede zeigen sich bereits in jungen Jahren. Und die soziale Herkunft ist oft für das ganze Leben prägend.» Später im Buch wird auch erzählt, was aus den Bornstrassenkindern geworden ist.

Laut Statistik der Bildungsplanung Kanton Zürich, betrug im Jahr 2024 die gymnasiale Maturitätsquote der 19-Jährigen in Erlenbach über 50 Prozent, in Schlieren waren es gerade mal 7,6 Prozent. Sutter beabsichtigte mit ihrem Buch keine politische Botschaft, dennoch ist dieser Missstand ein zentrales Thema des Romans: «Es werden viele Tellerwäscher-Karrieren erzählt, in denen sich Menschen von ganz unten nach oben kämpfen – doch das sind Ausnahmeerscheinungen. Mich interessierten die unauffälligen Lebensläufe von Menschen, die bildungsmässig den Kürzeren ziehen.»

Wenn sich die Figuren emanzipieren

Veronika lebt seit über 30 Jahren mit ihrem Partner in Wipkingen. Aufgewachsen ist sie im Sihltal. Der Roman ist teils inspiriert von ihrer eigenen Kindheit. Sie sehe Parallelen zwischen sich und der Hauptfigur Fanni, die auf autodidaktischem Weg zur Schriftstellerin wird.

«Zu Beginn war mir die Protagonistin näher, doch beim Schreiben hat sie sich von mir emanzipiert», erzählt Veronika. Dies seien die beglückenden Momente beim Schreiben. Ähnlich verhielt es sich mit dem Abwart «Kümpel», der zunehmend Raum einnahm und zu einer unerwartet wichtigen Figur im Roman wurde: «Für die Jugendlichen symbolisiert er die vielen Verbote, die Grenzen des sozialen Milieus», erklärt Sutter.

Der Weg zurück zum Schreiben

In jungen Jahren gewann Sutter bereits zwei Kurzgeschichten-Wettbewerbe. Dann widmete sie sich dem Berufsleben – ihre Tätigkeiten waren vielfältig, unter anderem war sie für die Kommunikation von NGOs verantwortlich. Dieser Weg fühlt sich richtig an, wie Veronika sagt: «Ich hatte damals das Gefühl, noch nichts zu sagen zu haben. Nun kann ich aus der Lebenserfahrung schöpfen.»

Auf die Pensionierung hin nahm sie das Schreiben wieder auf. Sutter fand Anklang beim Verlag «Edition 8», 2021 veröffentlichte sie dort ihr erstes Buch «Grösser als du», welches für den Schweizer Buchpreis nominiert wurde. Die Nomination war für die «alte Debütantin», wie sie sich selbst nennt, überraschend und auch für den kleinen Verlag aus dem Kreis 5 bedeutungsvoll.

«In Gesprächen mit jungen Menschen höre ich oft, dass es sie beruhigt zu sehen, dass man auch spät im Leben etwas Neues anfangen kann», bemerkt Sutter. «Die Jugendlichen haben heute mehr Stress, auch im Arbeitsmarkt. Diesen Leistungsdruck hatten wir in den 70er- und 80er-Jahren so noch nicht.» Auch die sozialen Medien haben die Welt stark verändert, meint Veronika. Doch viele der Sujets in ihrem Buch seien Themen der Adoleszenz, die wohl nie verschwinden werden.

Das zweite Buch von Veronika Sutter: «Mein Bett gehört mir nur in der Nacht» (Bild: Edition 8)

«Mein Bett gehört mir nur in der Nacht»

ISBN: 978-3-85990-569-6
Edition 8, im Handel