60 Jahre Waidspital, 60 Jahre Wandel

Das Stadtspital Waid, das nur einen Steinwurf von Hönggergrund entfernt auf Wipkinger Boden steht, feierte am 2. Oktober sein 60-Jahre- Jubiläum und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück – die wohl bewegt weitergehen wird.

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Altstadtrat Robert Neukomm, Stadträtin Claudia Nielsen, Spitaldirektor Lukas S. Furler und Altstadtrat Wolfgang Nigg im Kongressforum.
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Eben noch am Wümmetfäscht zugegen, wo die Chefärzte fast pausenlos über das Leistungsangebot des «Höngger»-Spitals Auskunft gaben und in der Teddy-Klinik an zwei Tagen über 300 Stofftiere behandelt – und gesund wieder entlassen – worden waren, feierte das Stadtspital Waid drei Tage später, auf den Tag genau 60 Jahre nach seiner Eröffnung, sein Jubiläum in festlichem Rahmen. Ins hauseigene Kongressforum geladen waren zahlreiche Gäste, darunter natürlich namhafte Politikerinnen und Politiker, welche das Waidspital die letzten Jahrzehnte begleitet hatten. So durfte Direktor Lukas S. Furler etwa die Altstadträte Robert Neukomm und Wolfgang Nigg sowie Altstadträtin Monika Weber begrüssen.

Es begann schon 1902

Die heutige Vorsteherin des Gesundheits- und Umweltdepartements, Stadträtin Claudia Nielsen, blickte in ihrer Rede weit in die Geschichte zurück: 1902 hatte der Gemeinderat, besorgt wegen der grassierenden Scharlachepidemie, ein Postulat überwiesen, um die Einrichtung eines «städtischen Isolierpavillons» zu prüfen. Man war echauffiert, weil der Kanton Zürich mit seinem Kantonsspital offenbar nicht Herr der Lage wurde. 1907 wurde das Postulat überwiesen mit der Begründung, das Kantonsspital könne das Patientenaufkommen nicht bewältigen. «Kommt Ihnen das bekannt vor?», fragte Nielsen schelmisch. Doch dann geschah 40 Jahre nichts, der Bettennotstand wuchs an. Dafür ging dann ab 1948 alles sehr schnell: Der Stadtrat legte eine Weisung vor, worauf der Gemeinderat im selben Jahr den Objektkredit verabschiedete, das Volk diesen 1950 gut hiess und am 2. Oktober 1953 konnte das Spital bereits eröffnet werden – das Tempo macht aus heutiger Sicht fast etwas neidisch.

50 Stunden nicht aus den Schuhen

Das Stadtspital Waid zeigte sich bei der Eröffnung gleich mit mehreren Tagen der offenen Tür. Rund 72 000 Besucherinnen und Besucher machten sich ein Bild der dringend zusätzlich benötigten 413 Betten, zeitweise stand man am Haupteingang Schlange. Die 305 Mitarbeitenden hatten alle Hände voll zu tun: Schon im ersten Betriebsmonat betreuten sie 490 Patienten. Entsprechend stark war das Personal damals belastet: «Es gab Assistenzärzte, die während mehr als fünfzig Stunden nicht aus den Schuhen kamen», schrieb der erste Direktor Werner Bächi in einem Rückblick. In den ersten 60 Jahren sollten es rund 300 000 stationär behandelte Patienten werden. Heute ist das Waidspital mit seinen noch 261 Betten für 180 000 Personen seines Einzugsgebiets Zürich-Nord verantwortlich. 1000 Fachpersonen versorgten letztes Jahr 9179 Patienten stationär an 83 740 Pflegetagen. Stand bei der Eröffnung der Bettennotstand im Zentrum, so stellt sich heute mehr die Kosten-Nutzen-Frage. Die Umstellung auf die Fallpauschalen wirft verschiedene politische und betriebswirtschaftliche Fragen auf, denen sich alle stellen müssen, auch die Gesellschaft. «Die Debatte», so Nielsen, «geht um sehr viele Emotionen, aber auch um viele Millionen», und sie rief die Verantwortlichen im Spital auf, den Wandel so zu gestalten, dass die Patientinnen und Patienten ihn nicht ausbaden müssen, sondern weiterhin das bekommen, was für sie im Moment optimal ist.

Immer wieder innovativ

Spitaldirektor Lukas S. Furler warf in seiner Rede einen Blick auf verschiedenste Innovationen. So etwa auf Krankenschwester Elsbeth Kasser – heute müsste man Pflegefachfrau sagen –, die im Waidspital ab 1953 die Ergotherapie aufbaute, die es vorher in dieser Form in den Spitälern gar nicht gab: eine Pionierarbeit, deren Ergebnis heute nicht mehr wegzudenken ist. Die «Segmentierung der Berufsfelder», wie es Furler nannte, schritt über die Jahre weiter voran. Heute kümmern sich zahlreiche Spezialistinnen und Spezialisten aller Fachrichtungen um die Patienten. So ist denn auch der medizinische Fortschritt der letzten 60 Jahre enorm. Furler griff nur einen von vielen heraus: die minimalinvasive Chirurgie, mit der im Waidspital zum ersten Mal 1990 eine Gallenblase laparoskopisch entfernt wurde. «Doch auch der Stadtrat war innovativ», blickte Furler zurück, «und ernannte Ende der 80er Jahre mit Lukretia Appert- Sprecher schweizweit die erste Frau zur Spitaldirektorin.» Die Managerin kam als Quereinsteigerin von der Migros ans Waidspital, brachte frischen Wind mit und kämpfte mit dem Stadtrat um die Gelder für bauliche Erneuerungen. Von 1988 bis 2010 wurde bei vollem Spitalbetrieb ununterbrochen saniert, was zum Teil fast unerträglich gewesen sei. Heute ist das Waidspital ein modernes Akutspital mit drei grossen Kliniken für Chirurgie, Medizin und Akutgeriatrie sowie drei Instituten für Nephrologie, Anästhesiologie sowie Radiologie und Nuklearmedizin. Die vorletzte Innovation war die Einführung der Notfallpraxis, welche den eigentlichen Notfall entlastet, weil weniger schwere Fälle gleich den im selben Gebäude anwesenden Hausärzten zugewiesen werden anstatt Notfallbetten zu besetzen. Das wirklich Geniale daran sei jedoch, so Furler, dass man über diese Notfallpraxis eine viel bessere Zusammenarbeit mit den Hausärzten im Einzugsgebiet erreicht habe, was nicht zuletzt den aus dem Waidspital austretenden Patienten zugutekomme. Vor Jahresfrist übernahm das Waidspital eine weitere Vorreiterrolle im Kanton Zürich mit dem ersten Zentrum für Gerontotraumatologie, wo betagte Menschen mit Knochenbrüchen gemeinsam chirurgisch und geriatrisch betreut werden.

Aus ganz persönlicher Sicht

Die Abschlussrede des Jubiläumsabends hielt Altstadträtin Monika Weber. Sie erzählte aus ganz persönlicher Sicht als im Einzugsgebiet Wohnende sehr lebendig über ihre Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Spitalaufenthalt ihrer betagten Mutter, wie diese dank der interdiszipliniären Zusammenarbeit im Waidspital wieder in ihr gewohntes Umfeld entlassen werden konnte und dort bald wieder das Zepter übernommen habe – nicht immer zum Vorteil ihrer Tochter, wie diese schmunzelnd anmerkte. Beim anschliessenden Apéro zeigte die Spitalküche, dass man auch kulinarisch im Waidspital sehr hochstehend versorgt wird und so kam es zu manch angeregtem Gespräch unter den Gästen, von denen sich viele aus vergangenen 60 Jahren kennen – und einige an den kommenden Entwicklungen beteiligt sein werden. Zur Frage des «Hönggers» nach den grossen Herausforderungen meinte Direktor Lukas S. Furler: «Da ist zuerst die Finanzierung der Versorgung unserer Patienten, die eher älter und polymorbid im System der Fallpauschalen nicht gut abgebildet sind, was dem Waidspital finanziell zu schaffen macht. Zum Zweiten ist es der Fachkräftemangel, der sich weiter verschärfen wird: Da müssen wir uns als Arbeitgeber gut positionieren und in der Ausbildung alles tun, was wir können.» Ja, ein Jubiläum ist immer auch ein Grund vorauszublicken, um in Bewegung zu bleiben.

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