6 x 75 Jahre in Höngg – Teil 5

Im vierten Teil erzählten die sechs Hönggerinnen von den Erlebnissen in Höngg zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, von dem zerbombten Haus in Höngg, den Stunden im Luftschutzkeller und den Erinnerungen an die latente Bedrohungslage. Im fünften Teil geht es um Maikäfer, allerlei Sammlungen und das Kriegsende aus Kindersicht.

1950: 3.-Sekundar-Klasse Schnetzer/Pfaff, v. l. n. r.: Leonie von Aesch-Weinmann (1), Margrit Furrer-Hartmann (2), Elsbeth Huber (3), Marie-Antoinette Lauer-Moos (4) und Ursula Volkart-Lahme (5).
Bild 2: Ursula Volkart-Lahme vor ihrem Elternhaus an der Winzerstrasse 53, Ende April 2010.
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Und dann waren da natürlich noch die Kinder aus dem kriegsversehrten Europa, die vom Roten Kreuz per Bahn für drei Monate in die Schweiz zur Erholung gebracht wurden – bevor sie dann wieder zu ihren Familien zurückkehren mussten. Diese Kinder wurden hier altersgerecht in die Schule integriert. Familien, die solche Kinder aufnahmen, erhielten zusätzliche Marken für Lebensmittel, Textilien und Schuhe.
Einige der Höngger Familien, deren Töchter nun am Tisch erzählten, hatten solche Kinder vorübergehend bei sich aufgenommen. Nicht nur Läuse hätten die mitgebracht, sondern eben auch die Geschichten aus dem Krieg rund um die Schweiz. Eindrücklich sind Ursula Volkart-Lahme auch noch die Besuche zusammen mit der Mutter im Schulhaus Kappeli in Altstetten in Erinnerung. Dort waren Flüchtlinge einquartiert, woher sie kamen und wohin sie gingen, weiss niemand mehr am Tisch, doch die Bilder von damals sind sehr präsent: «Da waren grosse Turnhallen mit vielen Matratzen und ganzen Familien. Wir sammelten für die Kinder Kleider und Spielsachen – überhaupt wurde dauernd etwas gesammelt.» So etwa auch Eicheln, für die Tiere im Zoo oder für die Schweine auf den Höfen, erzählt Erika Ringger-Mayer. «Und Maikäfer, kesselweise Maikäfer!», kam es da Leonie von Aesch-Weinmann wieder hoch, «und Kartoffelkäfer, diese waren klein und widerlich, man bekam sie kaum von den Blättern.» Ganze Schulklassen zogen über die Felder, füllten die Kessel und erlebten Schönes und weniger Schönes: «Ich konnte diese Käfer nicht anfassen, so eklig fand ich die», berichtete Erika, doch ein Schulschatz habe ihr jeweils ganz schnell auch noch ihren Kessel gefüllt.
Aber auch den Bauern bei der Ernte helfen musste man beim Kartoffeln oder Rüben auflesen und einmal ging es gar in den Wümmet. Zur Belohnung gab es einen Most und ein Stück Brot – das Schönste aber war das Traubenessen.
Daran, dass ein Grossteil des heutigen Waldes auf dem Hönggerberg für die Anbauschlacht gerodet und bepflanzt worden war, erinnert sich niemand richtig am Tisch, denn abgesehen von den Ausflügen zu den vereinzelten Turnnachmittagen mit der Schule sei man kaum dort oben gewesen. Das Kriegsende, so erzählten die Damen, habe man im Vorfeld geahnt. Und kaum dass die Kirchenglocken es verkündeten, wurde die Schülerschaft mit Sammelbüchsen auf die Strasse geschickt, um für die «Schweizerspende» für den Wiederaufbau und die Flüchtlinge zu sammeln. Besonders hat Margrit Furrer-Hartmann diese Zeit in Erinnerung. Sie war drei Monate zur Kur und Ordensschwester Trudi – ein «gefürchteter Drache», wie Margrit ergänzte – erzählte ihren Schützlingen nichts vom Kriegsende. Erst die Eltern am Bahnhof Zürich berichteten ihr dann davon und waren entsetzt, dass die Schwester das den Kindern nicht gesagt hatte.

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